Natur macht uns zu netteren Menschen. In Finnland ist die Förderung von Naturerlebnissen sogar Teil der Gesundheitspolitik. Warum Grün und Bewegung im Freien unsere Stimmung „heller“ werden lässt und Stress reduziert... „Die Menschen unterschätzen den Glückseffekt des Draußen seins“, betont Lisa Nibet, Psychologieprofessorin an der Universität Trent in Kanada. „Viele glauben, dass sie sich glücklicher fühlen, wenn sie shoppen oder fernsehen“. Ein Irrtum. Die Folgen der zunehmenden Distanz zur Natur auf Gesundheit und Wohlbefinden sind weitreichend: weltweit leiden Menschen unter Übergewicht, Kurzsichtigkeit und Depressionen. Vielfach Folgen des zunehmenden „Drinnen seins“. In Zeiten von Internet und digitalen Medien kommen die Menschen immer weniger ins Freie. Laut einer Studie der „Harvard School of Public Health“ verbringen amerikanische Erwachsene schon mehr Zeit im Auto als „an der Luft“. Wie dramatisch sich mangelnder Naturkontakt auswirken kann, hat der Elektrokonzern Samsung in einer Umfrage herausgefunden: dabei gaben 70 % der befragten Arbeitnehmer in Südkorea an, dass sie die langen Arbeitstage depressiv machen. „Geh’ raus in die Natur“. „Stellen sie sich eine Behandlung vor, die keine Nebenwirkungen hat, leicht erhältlich ist, ihre geistigen Fähigkeiten steigert und nichts kostet?“, gibt Umweltpsychologe Stephen Kaplan in einem „National Geographic“-Interview zu bedenken. Das einfache Rezept des US-Wissenschaftlers: „Geh’ raus in die Natur“. Sonnenuntergänge, Schmetterlinge, Bäume, Blumen, Flüsse...: Kaplan hat in Studien herausgefunden, dass Natur den Menschen „wegzieht“ von den Sorgen des Lebens und seine Stimmung „heller“ werden lässt. Grünanlagen reduzieren Stress und Herzleiden. Es gibt einer Reihe von Studien, die belegen, wie positiv sich Natur auf Gesundheit und soziales Miteinander auswirkt. So hat eine Studie der englischen Universität Exeter zur psychischen Gesundheit von 10.000 Stadtbewohnern ergeben, dass jene Menschen, die in den vergangenen 18 Jahren in der Nähe von Grünanlagen wohnten, über deutlich weniger psychischen Stress klagten. Unabhängig von Einkommen, Bildung und Beschäftigung. „Kleine Dosis Natur“ steigert Leistungsfähigkeit. Holländische Forscher haben 2009 analysiert, dass Krankheiten, wie Depression, Angst, Herzleiden, Diabetes, Asthma oder Migräne bei jenen (Stadt-)Menschen seltener vorkommen, die höchstens einen Kilometer zur nächsten Grünanlage entfernt wohnen. Grün vor dem Fenster oder in der Nähe wirkt auf vielfältigste Weise: man kann sich im Krankenhaus besser erholen, erbringt in der Schule bessere Leistungen - und es reduziert sogar Gewalttätigkeit in „Problemgebieten". Schon eine kleine Dosis Natur kann Menschen beruhigen und ihre Leistungsfähigkeit steigern. In Finnland ist die Förderung des Naturerlebnisses sogar Teil der Gesundheitspolitik. In dem nordischen Land, mit einer hohen Depressions- und Alkoholismusrate, empfehlen finnische Mediziner vielfach eine „Mindestdosis Natur“: fünf Stunden pro Monat, verteilt auf mehrere Tage pro Woche. „Schon ein 40-minütiger Spaziergang reicht, damit man sich besser fühlt“, unterstreicht Kalevi Korpela, Psychologieprofessor an der finnischen Universität von Tampere. Korpela hat mitgewirkt in Finnland „Kraftwanderwege“ anzulegen. Diese Spaziergänge sollen zur Achtsamkeit und zum Nachdenken und Reflektieren anregen. Natur statt Tabletten? Es gibt viele Beispiele, die zeigen, wie Natur uns Menschen aufbaut und unsere Stimmung hebt: bei einer Waldwanderung bauen wir bis zu 16 % Stresshormone ab. Natur kann um bis zu 50 % die Kreativität steigern. Dass die „Ressource Natur“ gerade im Gesundheitsbereich enormes Entwicklungspotenzial hat, davon zeugt auch das Engagement der US-Ärztin Nooshin Razani. In einem Kinderkrankenhaus im kalifornischen Oakland verschreibt sie jungen Patienten und ihren Familien oftmals Aufenthalte in Parks statt Tabletten. In der Klinik hängen Landkarten und Bilder der nahegelegenen Naturlandschaften. Das Krankenhaus organisiert auch Familienfahrten ins Grüne. Natur macht uns zu netteren Menschen. Ob „Natur auf Rezept“ oder einfach ein Spaziergang im Grünen: Natur zu spüren, zu berühren, zu sehen und sie förmlich „einzuatmen“, tut in jedem Fall gut. Natur macht uns nicht nur zu ruhigeren Menschen, sondern auch zu netteren Menschen. Vielleicht lässt sie uns sogar netter zu uns selbst werden... Fotos: www.headonyourchest.tumblr.com (Titel) www.oktoberkind.tumblr.com www.becourageousdearheart.tumblr.com Quelle: www.nationalgeographic.de Text: Helmut Wolf
1 Comment
8/25/2022 11:24:11
Sehr guter, informativer Text! Und leider aktueller denn je angesichts der steigenden Anzahl an Menschen mit psychischen Erkrankungen in Deutschland.
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