Smartphone-Konsum - ohne Ende? Welche Folgen hat die „digitale Permanenz“? Für unsere Gesundheit, unser Leben, unsere Gesellschaft? Wissenschaftler Alexander Markowetz hat das Verhalten von 300.000 Smartphone-Nutzer analysiert – und darüber ein Buch geschrieben... „In der Bahn, im Café, im Büro, im Gehen, im Stehen, jeder beugt sich ständig über seinen kleinen elektronischen Begleiter. Seit Neuestem hat dieses Phänomen auch einen Namen: „Smartphone-Zombies“. Rund drei Stunden pro Tag befassen wir uns mit unserem Smartphone. 55 Mal am Tag nehmen wir es zur Hand. Ständig sind wir abgelenkt, unkonzentriert, gestört. Welche Folgen hat das Smartphone auf unser Leben? „Wir sind zum „Homo Digitalis“ geworden“. „Das Smartphone hat nicht nur die Art, wie wir leben, verändert. Es hat auch uns als Menschen verändert: wir sind zum „Homo Digitalis“ geworden“, meint Alexander Markowetz, Juniorprofessor für Informatik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Markowetz hat im Rahmen eines großangelegten Projekts das Verhalten von über 300.000 Smartphone-Nutzern untersucht. Dazu hat er eine App („Menthal“) entwickelt, die über längere Zeit aufzeichnet, was User mit ihrem Smartphone wann, wie und wie lange tun.“ In seinem Buch „Digitaler Burnout“ analysiert der Wissenschaftler die möglichen Langzeitfolgen der technischen Entwicklung und unserer vehementen Smartphone-Nutzung. Die Folgen lassen sich aber derzeit nur erahnen. Sicher ist aber schon eines: es zeichnen sich bereits heute deutliche Folgen für unsere Gesundheit ab. Vor allem unser derzeit wichtigstes Rohstoff ist von der Entwicklung betroffen: nämlich unser Geist. Alle 18 Minuten unterbrechen. „Millionen Nutzer sind dabei, sich mit ihrem Smartphone ein Verhalten anzutrainieren, das ihre geistige Leistungsfähigkeit mindert“, gibt Professor Alexander Markowetz zu bedenken. Laut seiner Analyse verbringen viele Menschen nicht nur bis zu drei Stunden ihrer Lebenszeit am Tag mit dem Handy, viel schlimmer sei es, dass sie jede Tätigkeit alle 18 Minuten unterbrechen, um ihr Smartphone zu benutzen. Immer wieder eingehende Nachrichten beantworten. „Wir können uns im Restaurant nie wirklich auf das Gespräch mit unserem Gegenüber einlassen, wenn wir immer wieder eingehende Nachrichten auf dem Smartphone beantworten“, so Markowetz. Und wer im Büro beispielsweise mit einer Kalkulation befasst ist oder in einem längeren Text einzelne Informationen zu einem Gesamtbild formen will, wird mit Sicherheit Fehler machen und die komplexe Materie, mit der er befasst ist, nie in Gänze durchdringen, wenn er alle paar Minuten aus seinen Gedanken gerissen wird. „Smartphone-Apps funktionieren wie Glücksspielautomaten“, erläutert Professor Markowetz. „Wir betätigen sie immer wieder, um uns einen kleinen Kick zu holen.“ Chatten, Mailen, Posten, Twittern... „In bester Absicht versuchen wir das Unmögliche, nämlich so viele Aufgaben wie möglich zu erledigen und alles gleichzeitig zu machen“, skizziert der Informatik-Wissenschaftler. „Wir chatten, mailen, posten und twittern mit großer Geschwindigkeit und hoher Frequenz, können die Menge an Informationen und Konversationen, die es zu verarbeiten gilt, aber nie in Gänze erfassen“. Gleich einem „Workaholic“ bürden wir uns eine Unmenge an Aufgaben auf und muten unserem Gehirn zu viel zu – was uns am Ende sehr unzufrieden macht. „Dabei verspüren wir das Gefühl gar nichts mehr richtig zu erledigen, und allen immer hinterherzuhecheln.“ „Diese digitale Daueralarmbereitschaft überfordert unsere kognitiven, psychischen und sozialen Fähigkeiten: damit gefährden wir sowohl unsere Jobs als auch unsere Beziehungen zu Freunden und Familie. „Was daraus entsteht, ist ein psychosoziales Beben, das uns in eine kollektive Verhaltensstörung führt – Alexander Markowetz nennt dies: den „Digitalen Burnout“. Ein Zustand, in dem unsere massive Smartphone-Nutzung zu einer unmittelbaren Störung unserer Produktivität - und einem Verlust an Lebensglück führt. „Wir müssen uns selbst auf eine digitale Diät setzen“, schlägt Professor Markowetz als Gegenrezept zum Hyper-Smartphone-Konsum vor. Das bedeute aber nicht den Segnungen der modernen Technik total entsagen zu müssen. Ein grundlegender Aspekt bei der digitalen Diät wäre einmal generell zu hinterfragen: was es in der Kommunikation Schlechtes gibt, das wir weglassen sollten? Also: Mit wem kommuniziere ich? Ist die Unterhaltung wirklich notwendig? Und: Wann tue ich das? „Nudging - Geführte Entscheidungsfindung“. Im Zusammenhang mit der digitalen Diät zitiert Markowetz den kanadischen Journalisten Hugh McGuire, der sich der „geführten Entscheidungsfindung“ bediente - genannt „Nudging“, einem Mittel aus der Verhaltensökonomie. Dabei untersagte McGuire sich unter anderem den Gebrauch von Twitter und Facebook während der Arbeitszeit. Zudem las er keine Artikel mehr im Internet, über die er zufällig stolperte. Außerdem erließ er sich ein Smartphone- und Computerverbot in seinem Schlafzimmer. Und: statt abends vor dem Fernseher zu hängen, nahm er sich Lesestoff mit ins Bett.... „Was müssten Smartphones können, um uns nicht krank zu machen, sondern unsere Gesundheit zu erhalten?“, fragt sich Informatik-Professor Alexander Markowetz. Sich der „wirklichen“ Vorteile des Smartphones für unser Leben bewusst werden, wäre beispielsweise schon ein Anfang. Oder: sich dem Druck der digitalen Omnipräsenz langsam zu entziehen, wäre möglicherweise ebenfalls hilfreich. Die allumfassende, perfekte und erfolgreiche Digital-Diät, ist in diesem Buch zwar auch nicht zu finden, dafür aber eine Vielzahl guter Denkanstöße. Ein empfehlenswertes Buch - besonders in der Print-Version ;-) Buch-Tipp: „Digitaler Burnout - Warum unsere permanente Smartphone-Nutzung gefährlich ist“ Von: Alexander Markowetz 224 Seiten Erschienen bei: Droemer Knaur App-Tipp:
www.menthal.org Alte Gemälde "digitalisiert": Titelmotive www.telezkope.com www.nedhardy.com www.klyker.com, Porträtfoto: Wido Wirsam Text: Helmut Wolf
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