Was ist zu viel? Was zu wenig? Autor Göran Everdahl umschreibt die schwedische Art der Achtsamkeit – genannt „Lagom“. Warum es den Schweden so gut gelingt bewusst zu Leben und die richtigen Entscheidungen im Alltag zu treffen... „Menschen in Skandinavien, Menschen also in unmittelbarer Nähe des Polarkreises, die den größten Teil des Jahres in Eis, Regen und Schneematsch frieren, sind aller Vernunft zum Trotz glücklicher als die meisten anderen...“ Göran Everdahl, Autor und Journalist „Ich habe sechs verschiedene Müllbehälter in meiner Wohnung“, sagt Göran Everdahl, 54. Pappe, Glas, Plastik, Metall, Mehrwegverpackungen, Restmüll. Damit läuft Everdahl dann drei Häuser weiter zu den Mülltonnen. Die Tonnen, sagt er, sind oft überfüllt und stinken. „Bei den Tonnen packe ich dann meinen Abfall wieder aus. Aber ich tue das gern. Für mich und viele andere Schweden ist das ein „Lagom-Einsatz“ für die Umwelt. Es ist unsere Art der Achtsamkeit...“. Wovon spricht der erfolgreiche schwedische Radio- und Fernsehjournalist? Und: woher stammt diese Gewissenhaftigkeit? Lagom. Was auf den ersten Blick wie ein moderner Werbeslogan klingt, ist vielmehr ein uralter, schwedischer Begriff aus dem Mittelalter. Und ein Hinweis zum Maßhalten: nicht zu viel und nicht zu wenig! Im Alltag, beim Einkauf, beim Reisen, beim Wohnen oder ganz generell für das Leben. Das Wort Lagom hängt mit dem Wort „lag“, also dem Gesetz, zusammen. Lagom bedeutete deshalb ursprünglich sich einfach an bestehende Gesetze und Regeln zu halten. „Die eher modernere, gleitende Bedeutung des Nicht-zu-viel-und-nicht-zu-wenig, ist erst mit der Zeit herangewachsen“, umschreibt der schwedische Autor und Journalist Göran Everdahl die Entwicklung in seinem neuen Buch „Lagom. Die schwedische Art der Achtsamkeit“. ![]() Ob Astrid Lindgren, Abba oder Henning Mankell. Ob H&M, IKEA oder Minecraft-Gründer Markus Persson, der eines der einflussreichsten Spiele aller Zeiten entwickelt hat. „Schweden neigen dazu sich in der Welt einen Namen zu machen“, sagt Autor Göran Everdahl (Foto links). „Aber, sie behalten dabei doch fast immer eine Art alltägliches Gleichgewicht.“ Ein Gleichgewicht, das im von Achtsamkeit geprägten Schweden geschätzt wird. Lagom kann also als die ideale Balance von Arbeit und Privatleben, Genuss und Disziplin, Leichtigkeit und Ver-antwortung umschrieben werden. In der Praxis, so Journalist Everdahl, ist das Adjektiv „lagom“ fast immer eine Stellungnahme gegen Übertreibungen. Das Reiseverhalten der Schweden ist ein gutes Beispiel für den typischen Lagom-Lifestyle. Die Schweden sind ein reisendes Volk: Sonnenreisen, Skireisen, Outdoor-Reisen, Wochenendreisen... 58 % der schwedischen Bevölkerung reisen mindestens einmal im Jahr ins Ausland. Viele Schweden haben einen Wohnwagen. Aber: Sie suchen sich Destinationen und Orte aus, die nicht weit von Schweden entfernt liegen. Eine billige und umweltschonende Form des Reisens, die nicht viel kostet und wenig Urlaubstage auffrisst. Denn, so die Einstellung: Ein Wochenende im Nahe gelegenen Kopenhagen oder Helsinki kann auch ein Abenteuer und Erlebnis sein... Lagom bedeutet in der Praxis: Halt! Vielen Dank, jetzt nicht noch mehr Wein. Oder: Es hängt bereits schon genug Lametta am Weihnachtsbaum. Oder: dieses Automodell verbraucht für meinen Geschmack zu viel Sprit... „Lagom ist besser“, bringt es der schwedische Radio- und Fernsehjournalist Göran Everdahl auf den Punkt. Lagom heißt jedoch nicht ein genussloses Leben zu führen - ohne Rotwein zum Essen, mit einen „nackten Weihnachtsbaum“ ohne irgendeinen Schmuck oder der Fortbewegung ausschließlich per Fahrrad. „Denn auch das wäre ja übertrieben“, so Everdahl. Es gehe vielmehr darum „sich Freude und Schönheit zu gönnen und dabei achtsam zu bleiben, ohne der Welt übertrieben viel Schaden zuzufügen.“ „Ein Witz der nicht verletzt...“ „Lagom hat etwas Akzeptables, etwas Nachhaltiges in allen Bedeutungen dieses Wortes“, sagt Autor Göran Everdahl. Ob beim Kleiderkauf, beim Reisen oder bei der Ernährung: Stets gilt es Entscheidungen zu treffen, die vernünftig, sympathisch, aber auch notwendig sind - angesichts begrenzter globaler Ressourcen. „Lagom ist im positiven Sinne ein Witz. Ein Witz der nicht verletzt, über eine Wärme verfügt, die nicht austrocknet und ein moderates Wetter hat ohne Stürme“. Schöner als Göran Everdahl kann man dieses Lebenskonzept nicht umschreiben. Auf nach Schweden... ![]() Buch-Tipp: „Lagom. Die schwedische Art der Achtsamkeit“ Von: Göran Everdahl Umfang: 192 Seiten Erschienen bei: btb/Random House Fotos: Filippa K, Sara Moritz (Porträt) Text: Helmut Wolf
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