Leben in und mit der Natur. Seit sechs Jahren lebt Marc, 45, in einer selbstgebauten Hütte im Wald. Er schlägt sein eigenes Holz zum Heizen & Kochen, erntet selbst angebautes Gemüse und lebt als „Waldmensch". Ein Gespräch über gewonnene Perspektiven, Zivilisationsdiät und der schmale Grat zwischen Arbeit und Leben... Vor fast sieben Jahren hat Marc Freukes beschlossen, sich aus der Zivilisation weitestgehend zurückzuziehen. Nachdem er in seinem alten Leben depressiv geworden war, verließ der ehemalige Golflehrer seine Wohnung und kehrte nie mehr zurück. Einen Großteil seiner Sachen hat er in einem (über mehrere Jahre) gemieteten Raum eingelagert, verkauft, verschenkt oder weggeworfen. Nun lebt er im deutschen Odenwald, im Gebiet zwischen Südhessen, Unterfranken (Bayern) und nördlichen Baden (Baden-Württemberg). Marc hat eine „Outdoor-Schule" entwickelt. Gibt Kurse zu Herstellung von Werkzeugen, Fliegenfischen, Hausbau, Selbst-versorgung, Orientierung. Hält Vorträge in Schulen und organisiert Jugendcamps. Anfangs in einem Tipi, bewohnt er seit nunmehr zwei Jahren eine selbst konstruierte und selbstgebauten Hütte. Er verfügt Strom über eine Solaranlage, Wasser, das er mit Kanistern an einer Quelle holt und er verfügt über eine vollkompostierbare Trockentoilette. Alles in allem: ist er heute zufrieden, wie nie zuvor.. Ein Interview! Lieber Marc, was hat dich dazu bewogen diesen mutigen Schritt zu setzen? Bevor ich in den Wald zog, steckte ich beruflich und privat in einer bedrohlichen Sinnkrise. Mein Golflehrerjob vermochte nicht mehr mein Bedürfnis nach Sinn zu erfüllen. Zeitgleich erfuhr ich Mobbing, Burnout und hatte Depressionen. Zu beobachten, wie die Menschheit zunehmend destruktiver und egozentrischer wird - bei explodierendem technischem Fortschritt -, das machte mich traurig. Wir können zum Mond fliegen, leben aber weder mit Unseresgleichen, noch mit der Natur im Einklang. Mit 39 Jahren wollte ich eine weitere Ausbildung machen, doch das Arbeitsamt konnte mich nicht vermitteln. Die konventionelle Suche war für mich beendet, als ich auf eine Initiativ-Bewerbung keine Antwort bekam. Irgendwann musste ich einsehen, dass es mir draußen in der Natur besser ging, als in meiner Mietwohnung, deren Miete von 700,- Euro ich nicht mehr aufbringen konnte. Ich behaupte nicht der Mutigste zu sein, aber der Leidensdruck war immens... Welche neue Perspektiven konntest du durch deine Lebensweise gewinnen? Mit dem Einzug in den Wald wurde mir die wahrscheinlich ureigenste, menschliche Eigenschaft zuteil, nämlich: Dass Menschen gern helfen, sobald jemand in Not ist. Durch die Unterstützung der Einheimischen fand ich schnell ein Grundstück. Viele Einheimische besuchten mich und baten mir ihre Hilfe an. Das Leben „draußen“ war aber auch ein trauriges Erwachen. So musste ich erkennen, dass ich ab meiner Berufstätigkeit als Golflehrer verlernt hatte, neben der Arbeit „zu faulen“. Ich „war der Job“ - und nach dem Rest, der mich mal ausgemacht hatte, musste ich Jahre suchen. Die nunmehr 6-jährige „Zivilisationsdiät“ im Wald, und der damit verbundene Abstand zur Zivilisation, zeigten mir den Kontrast zum natürlichen, einfachen, minimalistischen - dem zivilisierten Leben. Neben handwerklichen Fertigkeiten und vielen Dingen über die Natur, lernte ich, wie einfach das Leben sein kann. Und, dass jeglicher Mangel ein von Menschen erschaffenes Konstrukt ist. Schaut man in die Natur, entdeckt man nur Fülle. Meine Erlebnisse halte ich für die Nachwelt in meinen Büchern fest. Viele Menschen sind oft nicht zufrieden mit ihrem Leben, trauen sich aber nicht aus ihrer vermeintlichen „Komfortzone". Was würdest ihnen raten? Es gibt keine Garantie für ein Gelingen, wenn man aus der vermeintlichen Komfortzone ausbricht. Der Gewinn kann jedoch ein höheres Maß an Freiheitsgefühl sein - das Leben in seiner Weite zu spüren. Mir ging es bei meinem Wechsel von Zivilisation zu Wald schlagartig besser. Besonders als ich nicht mehr auf die Hilfe von außen hoffte, sondern das Ruder selbst in die Hand nahm. Zugegeben: dazu muss man nicht in den Wald ziehen. Jeder muss seinen Weg finden. Geld, Eigentum, Versicherung, Vorsorge, Pension... Was bedeutet Sicherheit für dich? Sicherheit ist ein unausgereiftes, emotional-kognitives Konstrukt. An dem halten sich Menschen umso mehr fest, je ängstlicher sie sind. Doch, je mehr sich Menschen in der Angst verlieren, desto mehr entfernen sie sich vom Leben. Wir Menschen sind ambivalente Wesen: einerseits streben wir die Illusion der völligen Sicherheit an, anderseits wünschen wir uns Freiheit und wollen leben. Der hohe zeitliche und finanzielle Arbeitsaufwand für ein vermeintlich sicheres Haus und den Versicherungen. fressen aber die Lebenszeit und damit die Freiheit. Ich zitiere gern dazu gern einen Spruch von Ernst R. Hauschka: „Eine Meinungsumfrage unter Löwen hat ergeben: die Mehrheit lehnt den Käfig ab, wünscht jedoch geregelte Verpflegung.“ Heute im 21. Jahrhundert lehnen viele nicht mal mehr diesen Käfig ab, wenn man ihnen einen vollen Napf verspricht - und der Nachbarlöwe auch keinen viel größeren Napf bekommt. Ich ziehe da lieber die freie Wildbahn vor. Ehe man sich versieht, ist die „Lebenskiste“ aus Verpflichtungen und der eigenen Ideologie zu einem Gefängnis geworden. Dahinter stecken die alltäglichen Glaubenssätze: „Man-kann-doch-nicht!“ und „Man hat doch schließlich!“... Du bist jetzt Mitte 40 - gibt es ein bestimmtes Lebensziel? Die schmale Gratwanderung zwischen Arbeit und Leben zu meistern. Letztendlich ist das vernünftige Leben ein Spagat zwischen zwei Polen. Wie lautet dein Lebenskonzept? Ich lebe natürlichen Minimalismus, verbrauche an Ressourcen so wenig wie möglich und soviel wie nötig. Während ich früher versucht habe, möglichst viel Geld zu verdienen, möchte ich heute Gewinn durch erheblich geringere Ausgaben bei geringem Ertrag und Arbeitsaufwand generieren. Dabei habe ich es geschafft den Preis der Umweltbelastung stark zu reduzieren - ohne in ein „Entweder – Oder“, einem Krieg zwischen dem alten, einfachen Leben und der Moderne zu verfallen. Neben der Jurte aus Naturmaterialien darf die Akkumotorsäge bestehen. Für mich habe ich die Frage beantwortet: „Wieviel Zivilisation brauche ich wirklich?“ Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch! Web-Tipp: www.wildniskurs.de Fotos: ZDF/Florian Frei, P. Pflästerer, S. Fuchs Interview: Helmut Wolf
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