Familie und Beruf. Frauen unter Mehrfachbelastung... Wie verändern sich derzeit Rollenbilder? Und: wo liegen die Chancen? Wir haben mit Sabine Hackl, Ricky Losmann-Hartl und Sigrid Koloo von „ONtime“, einem Start-up mit Schwerpunkt „Veränderungsvorhaben, digitale Vernetzung, Coaching und Nachhaltigkeit“ gesprochen... In eurem Programm schreibt ihr, dass Frauen in der Coronakrise stärker benachteiligt waren. Wodurch macht sich das bemerkbar? Sabine Hackl: Dafür gibt es viele Indizien und Berichte. Wir haben es auch im unmittelbaren Freundeskreis erlebt, dass Frauen – neben ihrem Job – auch das Home-Schooling verstärkt übernommen haben. Diese Mehrfachbelastung hat viele an ihre Grenzen gebracht. Die Scheidungsraten steigen. Schlussendlich arbeiten viele Frauen in systemrelevanten Berufen, auch hier ist die Belastung enorm. Ricky Losmann-Hartl: …stärker benachteiligt im Kontext Familie! Es waren schon vor den Covid-19-Maßnahmen drei Viertel der Familien sehr traditionell geprägt. Das heißt: Es gibt einen Vater, der Vollzeit arbeitet und eine Mutter in beruflicher Teilzeit, die die Familienangelegenheiten managet. Eine Forschungsaufgabe der WU hat aufgezeigt, dass bei gleichem, zeitlichen Erwerbsaufwand Mütter mehr als doppelt so häufig viel mehr Zeit mit Kinderbetreuung verbringen als Väter – das lässt unter Experten die Schlussfolgerung zu, dass Mütter ihre Arbeitszeit stärker an Familienbedürfnisse anpassen (müssen). Außerhalb der Familie konnten Frauen während des Lockdowns durchaus in Videokonferenzen punkten – durch die stärkere Netiquette und die Notwendigkeit einer stärkeren Moderation während der Meetings, kamen Frauen oft deutlicher zu Wort und fanden vermehrt Gehör. Sigrid Koloo (Foto): In Krisen zeigt sich die „Flucht“ in altbekannte, eher konservative Rollenbilder. Dass es auch anders geht, konnte ich in den letzten Monaten erleben: Beide Elternteile haben von zu Hause ausgearbeitet, sich Familienzeit, Arbeitszeit, Haushalt und „Me-Time“ aufgeteilt. Da wir beide unternehmerisch tätig sind, können wir uns die Zeit auch selbst einteilen. So war es mir möglich, mit Kleinkind durchgehend von zu Hause aus gut zu arbeiten, ein neues Unternehmen zu gründen und aufzubauen, so ganz neben meinen bestehenden Projekten. Dafür bin ich sehr dankbar. Glaubt ihr, dass sich durch solche Krisen wie in den letzten Monaten wieder verstärkt alte konservative Rollenbilder einschleichen? Sabine Hackl: Teilweise ja – der Manager des Haushalts und der Familie ist halt oft noch die Frau. Andererseits gab es erst vor kurzem Beiträge in Medien, dass besonders in jenen Staaten, die Frauen an der Regierungsspitze haben, die Situation rund um die Covid-Pandemie „besser“ gehandhabt wird. Ähnliche Feststellungen und auch Studien gab es nach der Finanzkrise vor rund 10 Jahren: Frauen scheinen offensichtlich gute Krisenmanagerinnen zu sein. Ricky Losmann-Hartl: Krise bedeutet oft auch auf Strategien zurückzugreifen, die sich schon einmal bewährt haben und für Sicherheit sorgen – dieser Vorgang läuft unterbewusst ab. Ich wage zu behaupten, dass wir auch vor der Pandemie bereits konservative Rollenbilder im Kopf hatten – es gibt nur vielmehr Menschen, die aus diesen Rollenklischees herausgewachsen sind und dennoch mit den Zuschreibungen zu kämpfen haben. Aber dass wir jetzt darüber sprechen können, ist vielleicht der momentanen Situation zu verdanken ;) Sigrid Koloo: Bei all den Herausforderungen und persönlichen Schicksalsschlägen, die Corona gebracht hat, sehe ich dennoch auch die Chance, Rollenbilder und Klischees zu hinterfragen, zu überlegen: Was ist denn ein „Normalzustand“, sich selbst und die eigene Haltung zu beobachten und zu überlegen, wie wir unsere Zukunft sowie jene der Kinder und Enkelkinder mitgestalten wollen und können. Um Rollenbilder aufzubrechen und eine freie individuelle Wahl treffen zu können, müssen Gegebenheiten und Möglichkeiten für Frauen sowie für Männer fair und ausgeglichen sein. Wo liegen hier noch die größten Hindernisse, die dies verhindern? Sabine Hackl: Zum Teil ist es noch immer eine gesamtgesellschaftliche Haltung. Wir sind die Bilder von männlichen Führungspersonen in Wirtschaft und Politik gewöhnt. Frauen sollten sich stärker zusammenschließen, um gemeinsam und solidarisch solche Hindernisse zu überwinden. Es ist notwendig, weibliche Erfolgsgeschichten stärker hervorzuheben, bis es nichts Besonderes mehr, sondern Teil unseres Alltags ist. Aber auch das männliche Rollenbild hat Recht auf Veränderung. Mittlerweile gibt es Beratung und Schulungen für Männer in Bereichen, die meist noch immer als Frauen-Domänen gelten – wie Karenz oder Kindererziehung. Das wichtigste ist - Rollenbilder immer zu hinterfragen, in Kontext zu bringen und nicht in Stein zu meißeln. Und schlussendlich: den gegenseitigen Respekt und Wertschätzung für diverse Rollenbilder zu wahren! Ricky Losmann-Hartl (Foto): Dadurch, dass Rollenbilder tiefenkulturellen Ursprüngen folgen und nicht bewusst kreiert, sondern aus gesellschaftlichen Normen und Strukturen entsprungen sind, liegt eines der größten Hindernisse daran, die geprägten Bilder loszulassen und Veränderung bzw. Erweiterung dieser Rollenbilder zuzulassen. Und zwar in den Köpfen von jedem von uns. Das kann Unsicherheit hervorrufen - und deswegen tun wir es vielleicht nicht. Menschen, die es schaffen, sich diesen langeingesessenen Rollenbildern zu widersetzen, haben einen großen Mut bewiesen. Solche Menschen brauchen wir, damit sich etwas verändern kann: Menschen, die über ihre Motive sprechen, über Möglichkeiten, über Chancen, die empathisch mit den Befürchtungen, die „Anders-Agieren“ verursachen kann, umgehen und Menschen, die offen sind zuzuhören, einen neuen Blickwinkel zu entdecken, die neugierig genug sind, auch einmal eine andere Perspektive einzunehmen. Sigrid Koloo: Ich bin überzeugt, dass 50:50 möglich ist. Ich versuche es zu leben und habe auch die Möglichkeiten dafür selbst geschaffen. Dafür sind meiner Meinung nach viel mehr Inspirationen notwendig, mutmachende Vorbilder an vorderster Front und die Bereitschaft ein „anders“ und „neu“ zuzulassen und sich zu trauen, „Normalität“ neugierig zu verlassen. Gleichzeitig braucht es auch jene, die einen Teil ihrer Privilegien im Sinne des Gemeinwohls bereitstellen, auch zur Seite treten, „Macht“ abgeben und sich auf Veränderung einzulassen. Angenommen Frauen würden gleich viel verdienen wie Männer und würden im gleichen Maße berufliche Spitzenpositionen besetzen. Wäre die Situation dann anders? Würde sich dadurch wirklich etwas am familiären Rollenbild der Frau innerhalb der Familie ändern? Sabine Hackl (Foto): Ja, junge Frauen hätten dann Vorbilder in Spitzenpositionen, denen sie nachstreben können. Die Frauen wären finanziell unabhängiger. Wer soll in Karenz gehen – selten der Mann, weil er schlichtweg besser verdient. Der Mann sollte auch das Recht (und auch die Pflicht) haben, Vater sein zu dürfen und nicht nur zu versorgen. Und zum Thema Bezahlung: gleicher Verdienst für gleiche Leistung! Das sollte im Grunde gar nichts mit dem Geschlecht zu tun haben! Ricky Losmann-Hartl: Das ist doch ein schöner Gedanke, oder? Was würden wir über berufliche Rollen gelernt haben, wenn Frauen und Männer das gleiche verdienten? Was für ein Gefühl wäre das, wenn geschlechtsunabhängig die Person die Spitzenposition bekäme, die am besten dafür geeignet ist? Wenn das so wäre, vielleicht müssten wir dann gar nicht mehr über das Bild der Frau innerhalb der Familie diskutieren und könnten uns der Frage widmen wie die Elternrolle innerhalb der Familie gesehen werden kann? Sigrid Koloo: Was wäre wenn … ein schönes Gedankenspiel… ich würde es sehr gerne ausprobieren und erleben in einer gleichberechtigten Welt zu leben. Vielen Dank für das interessante Gespräch! „Mensch.Macht.Rollenbild“ DIE ZUKUNFT DER GESELLSCHAFT Am 25. September 2020 findet die erste „ONtime-Konferenz“ zum Thema „Mensch.Macht.Rollenbild“ in Wien statt. Ein Event, das den Anfang eines Prozesses einläutet, der Menschen aus Unternehmen, Wissenschaft und Beratung an einen virtuellen Tisch bringt, um alteingesessene Strukturen aufzubrechen und Zukunft aktiv zu gestaltet. Mit Keynotes, Paneldiskussion, Workshops und anschließenden interaktiven Netzwerken sollen Fragen wie „Wo stehen wir - und wo soll die Reise hingehen?“ beantwortet werden. In weiteren Events sollen spezielle Themen im Bereich Rollenbilder im beruflichen Kontext erarbeitet werden, um nachhaltige Strategien zu entwickeln, wie Veränderung erfolgreich gelingen kann. Web-Tipp: https://beontime.at/mensch-macht-rollenbild Fotos: Pexels (Titel), Unsplash, Johann Bävman Interview: Sarah Langoth
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Ein eigener Garten. Ein sonniges Plätzchen vor der Haustüre zum Durchatmen. Entspannen oder Gärtnern – für manche selbstverständlich, für andere ein ferner Traum. Genau dies will die Initiative Meine.Deine.Gartenzeit ändern, indem sie Menschen mit und ohne Garten in der Nachbarschaft zusammenbringt. Nina Panholzer und Claudia Gilhofer im Interview über Genussmomente im Grünen und das Glück, anderen Leuten Freude zu bereiten! Liebe Nina, liebe Claudia – in den letzten Monaten der Krise hat sich sehr klar gezeigt, wie wichtig Freiräume im Grünen für uns alle sind. Wenn kein eigener Garten vorhanden ist, und öffentliche Räume gemieden werden sollen, werden die eigenen vier Wände, vor allem in der Stadt, schnell sehr eng. Warum ist der Aufenthalt im Grünen so wohltuend für die meisten Menschen? Nina Panholzer: Für mich bedeutet ein Aufenthalt im Grünen pure Entspannung, so auch in meinem Garten. Ich nehme eine leichte Brise wahr, rieche das frisch gemähte Gras, höre das Zirpen der Grillen und das Plätschern des Baches und merke, wie ich ruhiger werde. Für mich ist das ein Miniurlaub in meinem sonst recht dichten Alltag. Claudia Gilhofer: Ich bin in einem Haus mit Garten aufgewachsen und für uns Kinder war es eine Selbstverständlichkeit, viel Zeit draußen in der Natur zu verbringen und der Fantasie freien Lauf zu lassen. Obst direkt vom Baum zu pflücken oder Karotten frisch aus dem Gemüsebeet zu knabbern – damals war das nichts Besonderes. Heute weiß ich, welches Glück wir hatten. Gartenzeit ist für mich Wellness für die Seele. Jeder sollte sich das von Zeit zu Zeit gönnen können. In eurem Projekt Meine.Deine.Gartenzeit vernetzt ihr Menschen, die einen Garten haben und ihn unentgeltlich zur Verfügung stellen wollen, und solche, die gerne mehr Zeit im Grünen in ihrer Nachbarschaft verbringen würden. Wie können wir uns das in etwa vorstellen? Nina Panholzer: Unser Prinzip ist recht einfach: Die einen bieten einen Garten auf Zeit an, die anderen suchen einen. Voraussetzung dafür ist lediglich eine Registrierung auf unserer Plattform. Die erste Kontaktaufnahme erfolgt, sofern gewollt, noch anonym. Die beiden Parteien entscheiden, wann und in welcher Form sie Daten austauschen möchten und wie die nächsten Schritte sind. Das ist ganz individuell, die Leute machen sich das direkt aus. Ich vereinbare zum Beispiel immer einen Kennenlern-Termin in meinem Garten, um zu sehen, ob die jeweiligen Erwartungen zusammenpassen. Momentan habe ich fünf Interessierte. Am Sonntag schicke ich die freien Optionen der Woche aus und jeder kann sich eintragen. Das funktioniert super unkompliziert. Claudia Gilhofer: Ja, genau. Der Garten ist praktisch das Wohnzimmer der Gartenteilenden. Bei den einen dürfen Hund und Katz auf die Couch, bei den anderen werden Straßenschuhe eingesammelt und Hausschuhe verteilt. Darum macht es Sinn, wenn Gastgeber und Gast vorab die Regeln besprechen, die beiden helfen, sich wohl zu fühlen. Was bewegt Menschen dazu, ihr Privileg eines eigenen Gartens zu teilen? Nina Panholzer: Ich glaube, auch hier sind die Zugänge unterschiedlich. Ich finde aber, beide Seiten profitieren. Ich habe bei meinen Gartensuchenden welche dabei, die im Garten gerne auch aktiv sind und zum Beispiel Rasen mähen wollen. Ich habe wenig Zeit und bin froh, wenn mir jemand hilft. Claudia Gilhofer: Es gibt wohl so viele Beweggründe, wie es Gärten gibt. Jeder hat seine individuelle Geschichte. Aber ich denke, ein Impuls eint alle Gartenteilenden: es ist so einfach, anderen eine Freude zu bereiten. Gerade finanzschwache Menschen und Familien, die auf kleinem Wohnraum ohne Gartenzugang leben, sind häufig auch in gewisser Weise vom sozialen Leben ausgeschlossen. Wie könnten diese Menschen besser erreicht werden, um auf euer Projekt aufmerksam zu werden? Nina Panholzer: Unser Projekt, so viel stand für uns von Anfang an fest, ist nicht nur während der Corona-Zeit aktuell. Wir haben erst vor wenigen Monaten gestartet und haben noch viele Ideen, wie wir unser Projekt bekannter machen und unser Pflänzchen wachsen und gedeihen lassen. Das Schöne ist, dass uns vieles schon gelungen ist, denn mittlerweile erhalten wir aktiv Anfragen. Claudia Gilhofer: Wir sind eine private Initiative und freuen uns über jede Form der Unterstützung, die uns zu mehr Reichweite verhilft. So hoffen wir auch jene Menschen und Familien erreichen zu können, die eine Auszeit in einem privaten Garten am dringendsten brauchen. Damit der Weg zum nächsten Garten nicht zu weit ist, wünschen wir uns aber auch noch mehr Gartenbeiträge. Wir verzeichnen auf unserer Plattform viele Gartensuchende, allerdings finden noch nicht alle einen Garten in ihrer Nähe. Ich denke, wenn wir es schaffen, eine umfangreichere Auswahl anzubieten, hilft es auch mögliche Barrieren abzubauen. Zeit unter freiem Himmel und Sonnenbaden sind natürlich schön, aber nicht die einzigen Aspekte eines Gartens – wer seinen Freiraum gestalten kann, hat darüber hinaus ein entspannendes Hobby und die Möglichkeit, sich selbst mit frischen Lebensmitteln zu versorgen. Könnte community gardening nicht ein schöner Nebeneffekt eures Projekts werden? Nina Panholzer: Community gardening ist sicher nicht die zentrale Idee unseres Konzeptes. Auch meine Gartensuchenden unterstreichen dies. Sie wollen eine Auszeit nur für sich – ihnen geht es nicht um ein gemeinschaftliches Erleben, sondern eine private Erholungspause in der Natur. Sollte sich bei anderen so etwas entwickeln, dann ist das wunderbar. Claudia Gilhofer: Natürlich sind auf unserer Plattform auch Gärten willkommen, die solche Möglichkeiten bieten. Es ist schön, wenn sich Menschen finden, die die gleichen Interessen teilen. Was ist für dich/euch ganz persönlich das Schönste an der (gemeinsamen) Gartenzeit? Nina Panholzer: Das Feedback meiner Gartensuchenden – hier ein Beispiel: Liebe Nina, Gestern war ich 2 Sunden in deinem Garten und habe es sehr genossen! DANKE !!! Bin im Sessel gesessen, hab ein Buch gelesen und zwischendurch ein wenig gedöst. Meist war es sonnig, zwischendurch ein paar Wolken und eine leichte Brise. Deine Katze hab ich nicht gesehen, aber ein schwarzes Eichkätzchen hat mich besucht, hat ein wenig vor mir herumgeturnt und ist dann wieder in den Bäumen verschwunden. Auch im Wasser bin ich ein Stück gegangen. Es war total erfrischend. Da ich ja am Mi vorm wieder da bin würde ich gerne den Rasen mähen wenn du das möchtest. Wünsche Dir einen schönen Tag! Liebe Grüße Claudia Gilhofer: Die Gartenzeit aktiviert alle Sinne. Wenn man sich darauf einlässt, ohne Ablenkung mal nur dem Sound der Natur zu lauschen, fühlt man sich nach fünf Minuten schon wie ein neuer Mensch. Ich verbinde viele schöne Erinnerungen mit Gärten und finde, man sollte nie aufhören weitere zu sammeln. Web-Tipp: www.gartenteilen.at Interview & Fotos: Sarah Langoth Freundschaft – heute wichtiger denn je. Zusammensitzen, über belanglose Dinge plaudern, lachen, einfach Zeit miteinander verbringen... Freunde gehören zum Leben, machen uns gesünder und glücklicher, betont Psychotherapeut Wolfgang Krüger... „Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern" Aristoteles „Wir haben als Menschen zwei Schwachstellen“, sagt Wolfgang Krüger. „Einsamkeit und Unsicherheit... Freundschaft ist für beides die beste Kur“. Krüger ist Psychologe und „Freundschaftsforscher“ in Berlin. Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt er sich mit den Themen Freundschaft und Beziehung. Gerade in Zeiten der Corona-Isolation und erzwungenen Abstandhaltens zu vielen Mitmenschen, rückt die Freundschaft (wieder) ins Zentrum unseres Bewusstseins. Warum machen Freunde glücklich? Warum schaffen soziale Beziehungen mehr Zufriedenheit im Leben? Freunde sind wichtig. Das wissen schon die Kleinsten? Die ersten Freundschaften werden bereits im Kindergartenalter, ab etwa 3 Jahren, geschlossen. Allerdings haben solche Beziehungen oft noch wenig mit dem zu tun, was Erwachsene unter Freundschaft verstehen. Denn kleine Kinder sind naturgemäß sehr auf sich selbst bezogen. Dabei geht es eher um den „Lieblingsfreund zum Spielen“. Auch die Dauer der Freundschaften ist nicht mit den Beziehungen von Älteren vergleichbar. Weil Kinder noch nicht in der Lage sind, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, kann es auch schon mal vorkommen, dass eine „Freundschaft" oftmals nur einen Nachmittag lang andauert. Aber auch in diesem kurzen Zeitraum kann Freundschaft viel positives bewirken... Wenn wir gute Freundschaften haben, sind wir erheblich selbstbewusster. Das hat eine Vielzahl an Studien ergeben“, sagt Krüger. Man ist gesünder, hat weniger Stress im Leben. „Gute Freundschaften sind ein wichtiger Glücksfaktor. Ja, Freundschaften können sogar unser Leben erheblich verlängern“, beruft sich der Freundschaftsforscher auf eine australische Studie. Im Vergleich zu Partnerschaften sind Freundschaften auch stabiler. „Herzensfreundschaften dauern in Deutschland im Durchschnitt 30 Jahre, länger als viele Ehen“, erzählt Krüger in einem „Zeit“-Interview. Menschen mit Angstzuständen und Depressionen sind in der Regel nicht in Freundschaftsbeziehungen eingebunden. Jene, die gute Freundschaften und Netzwerke haben, sind dagegen seelisch stabiler. Was ist das wesentliche Merkmal einer Freundschaft? „Das wesentliche Merkmal der Freundschaft ist Autonomie“, analysiert der deutsche Journalist Alard von Kittlitz. Sprich: Wahre Freundschaft entsteht in „freier Wahl". „In allen Definitionsversuchen - seit Aristoteles - ist die freie Wahl die Konstante“, so von Kittlitz. Wie wichtig Freundschaft für unser Leben ist, hat 2019 auch eine Studie des „Instituts Allensbach“ unter 23.000 Menschen in Deutschland ergeben. Bei der Frage „Was ist wichtig im Leben?“, war die Antwort von 85 % der Befragten: „Gute Freunde haben“. Mit 81 % folgte „Für die Familie da sein“. Und (erst) auf Platz drei: „Eine glückliche Partnerschaft“ (75 %). Nichts scheint den Menschen wichtiger zu sein als – die Freundschaft... Zoom, MS-Teams, WhatsApp, Skype... Wunderbare, digitale Kommunikations-Tools, die uns besonders in „Stay-at-Home“-Zeiten mit unseren Liebsten verbunden haben. Egal, an welchen Ort sie sich gerade befunden haben. Jedoch: Der Video-Call ist kein Vergleich zum „echten Treffen“ im Café, beim Abendessen oder beim Spaziergang im Park, bestätigen Psychologen. Die „körperliche Präsenz“ des Gegenübers, die Gestik, die Mimik, das Lächeln, die Hand auf den Arm... „spürbare Emotionen“, die virtuell nicht ersetzt werden können. Das wurde besonders in Zeiten der Selbstisolation bewusst, wo die sprichwörtliche „Nähe“ zum Anderen fehlte, trotz perfekter Übertragungsqualität am Bildschirm... Frauenfreundschaften, Männerfreundschaften... Die Psychologie unterteilt übrigens Freundschaften zwischen Frauen und zwischen Männern: Frauen, so die Experten, treffen sich gerne, um sich auszutauschen. Männer dagegen treffen sich eher, um gemeinsam etwas zu erleben. „Jede echte Freundschaft ist für mich verbunden mit der erneuerten Erkenntnis, dass sich die Welt auch vollkommen anders denken lässt“, umschreibt Alard von Kittlitz seinen „Freundschaftseffekt“. Ist Freundschaft gar eine Art „Liebesbeziehung“? Freunde tun in jedem Fall gut. Und wer es schafft diese guten Beziehungen aufzubauen, steigert damit sein Selbstbewusstsein und Wohlbefinden. Woran erkenne ich eigentlich gute Freunde? Psychotherapeut Wolfgang Krüger hat dafür drei Kernantworten: „Erstens, kann ich mit guten Freunden über „alles“ reden. Zweitens, kennzeichnet gute Freundschaften ein Gefühl der Verlässlichkeit - Motto: „Wenn die Hütte wirklich brennt, sind gute Freunde da – egal, um welche Uhrzeit ich anklopfe“. Und, Drittens: Ein guter Freund muss Geheimnisse bewahren können.“ Freundschaften haben meist ein ungenutztes Entwicklungspotential. Deshalb sollten wir mehr in sie investieren, meint Psychotherapeut Krüger. Besonders ein „vielfältiger Freundeskreis“ beinhalte enormes Entfaltungspotenzial. Vielfältige Freunde geben mehr Mut für Neues - und mehr Halt in schweren Zeiten. „Ein, zwei Herzensfreundschaften hat man normalerweise“, sagt Krüger. Und diese besonderen Freundschaften sollten gepflegt werden. „Mindestens ein bis zwei Stunden pro Woche“, empfiehlt der Psychotherapeut. Eigentlich nicht viel Zeitaufwand für eine Freundschaft, die oft ein Leben lang anhalten kann... Buch-Tipp: „Freundschaft - beginnen - verbessern – gestalten“ Autor: Wolfgang Krüger Umfang: 184 Seiten Erschienen bei: Books on Demand Fotos: Lauren Richmond, Helena Lopes, Omar Lopez / Unsplash; Pixabay, Lumentis Quellen: Die Zeit, Planet Wissen Text: Helmut Wolf „Ownhome“. So nennt Klemens Jakob, 60, das autarke Hauskonzept. Jakob lebt seit rund 3 Jahren in einem 18 m2, nicht-mobilen „Tiny House“. Es geht ihm aber nicht nur um nachhaltige Architektur, sondern ebenso um Gerechtigkeit, Naturnähe und „Autarkie für alle“... „Ich bin das vierte von fünf Kindern. Da hat sich ein gewisser Gerechtigkeitssinn ausgeprägt“, schmunzelt Klemens Jakob. Eine Tafel Schokolade wurde da immer gerecht unter allen Geschwistern aufgeteilt. Gerechtigkeit – ein großes Wort. Das weiß auch der deutsche Baubiologe, Lebenskünstler und „Weltenretter“, wie er sich selbst bezeichnet. Bei einer Reise auf die Philippinen, wo viele Menschen täglich ums Überleben kämpfen müssen, wurde ihm das globale Ungleichgewicht drastisch vor Augen geführt. Die „Welt“ sah für ihn danach anders aus... Nach einer drei monatigen, unbezahlten Auszeit auf einer Insel in der Südsee, stand für ihn fest: Er muss sein Leben (als damaliger Post-Angestellter) ändern. Und er möchte „Gerechtigkeit ermöglichen“, wie Jakob seine Lebensphilosophie umschreibt. Er baut sich einen Anhänger für sein Fahrrad und radelt quer durch Europa. Mit seinen „Post-Ersparnissen“ und nur jenen Dingen, die er bei sich hat. Damit möchte er zeigen, wie wenig man zum Leben braucht – und trotzdem zufrieden sein kann. „Ein Knäckebrot war ein Festmahl“, lacht er. Als „finanzielles Backup“ dient ihm sein Talent seit dem Kunststudium Porträtzeichnungen anfertigen zu können... Zwei Faktoren wurden auf dieser „Fahrrad-Reise“ zu seinen wichtigsten Erkenntnissen: Ausreichend Zeit zu haben. Und: genau das zu tun, was sich für einen persönlich gut anfühlt. Sich als Teil der Natur, des Ganzen zu fühlen, ohne ausbeuterischen Lebensstil. Viele Menschen, die er auf seiner Reise getroffen haben gesagt: „Wow, toll, ich würde das auch gerne machen. Aber...“. Für Klemens führte dieses „Lebensexperiment“ zu einer Richtungsentscheidung: Er will ein nachhaltiges Leben führen, dass alle Lebewesen mit einschließt. Das Thema Wohnen sollte dabei zu einem Schlüsselfaktor werden. Motto: Ein gutes und komfortables Leben führen, auch bei geringem Verbrauch an Ressourcen und Energie... „Der Gedanke der globalen Gerechtigkeit ist der Ursprung vom Konzept Ownhome“, sagt Jakob. Und der Grundgedanke: In der Natur leben zu wollen. Das bedingt auch einen Wohnraum aus natürlichen Materialien. Gemeinsam mit einem großen Netzwerk innovationsfreudiger Helfer startet er 2016 das Projekt Ownhome: Das „Ownhome“ ist im Wesentlichen ein „komplett geschnürtes Paket“ an. Der Bausatz besteht aus: Holzkonstuktion, Dämmung und der kompletten Technologie, die in dem autarken Haus nötig ist. Jeder sollte das - auch ohne detaillierte Fachkenntnisse - selbst aufbauen können. Ein Haus für ein gutes Leben. Aus nachhaltigen, gesunden Baumaterialien, das seine Energie selbst erzeugt, einen unabhängigen Wasserkreislauf hat und einen „weltgerechten Lebensstil“ ermöglicht. Seit Herbst 2017 bewohnt Jakob ein 18 m2 großes Ownhome am Ortsrand von Isingen (Baden-Württemberg). Jakob hat dieses nicht-mobile Tiny-House mit Hilfe von Freunden komplett selbst aus Holz, Kalk und Lehm gebaut. Innen bietet es eine drei mal sechs Meter große Wohnfläche. Dazu kommt ein Wintergarten-Gewächshaus an der Südseite, in dem Klemens Jakob Obst und Gemüse anbaut. Dort findet auch eine „Aquaponik-Anlage“ Platz, die die Aufzucht von Fischen in Aquakultur mit der Kultivierung von Nutzpflanzen mittels Hydrokultur verbindet. Das Regenwasser wird gesammelt, gereinigt und für Waschen, Duschen und Reinigen genutzt. Strom wird mit einer Photovoltaik-Anlage mit Stromspeicher erzeugt. Damit Klemens Jakob warm duschen kann, hat er einen „Badeofen“, der gleichzeitig als Wasserboiler fungiert. „Ich möchte so bedingungslos wie möglich leben,“ sagt Klemens Jakob. Das bedeutet für ihn: Bedingungslos in Bezug auf das, was er verbraucht. Und das soll nicht mehr sehr sein „als das, was mir bei einer gerechten Verteilung zusteht“. Die Kosten für sein 18 m2 liegen bei rund 60.000 Euro: 12. – 15.000 Euro für Holzbausatz und Dämmmaterialien. 8.000 Euro für Holzfenster und -türen. Rund 5.000 Euro für die Energieautarkie mit Modulen, Speicher, Laderegler usw. Und etwa 10.000 Euro für die Wasserautarkie - mit Wassertanks, Filtersystem usw. Maßgeblich dabei sei es, die Folgekosten bzw. laufenden Fixkosten so gering wie möglich zu halten. „Autarkie für alle“ - ein wichtiger Aspekt, genauso wie Leistbarkeit und Gerechtigkeit.
„Wie kann ein weltgerechter Lebensstil aussehen?“, fragt sich Klemens Jakob. Mit dem Ownhome scheint er jedenfalls schon einen wichtigen Baustein dafür gefunden zu haben. „Wir sind nicht nur Opfer von Umständen“, ist er sich sicher. „Wir kreieren die Welt um uns“. Und das sollten wir am Besten aus natürlichen Materialien machen. „Alles, was aus der Erde kommt, ist für uns Menschen gesund“. Es könnte so einfach sein... Web-Tipp: https://ownworld.org Quellen: Vielen Dank an Maike Schäbitz und ihren feinen „Ich Wir Alle“-Podcast; Wohnglück Fotos: Ownworld Text: Helmut Wolf |