Was machen, wenn wie in vielen Regionen Österreichs immer mehr junge Menschen, Unternehmen und Arbeitskräfte abwandern? Der Armutsforscher Clemens Sedmak hat sich darüber nicht nur Gedanken gemacht, sondern das Sozialfestival „Tu was, dann tut sich was“ auf die Beine gestellt. Diese „Weltverbesserungs-Initiative“ bringt Menschen in wirtschaftlich schwachen Regionen Österreichs zusammen und bietet organisatorische und finanzielle Hilfe. Mit Erfolg. „Armut kann jeden treffen. Auch denjenigen, der sich diesbezüglich für unverwundbar hält,“ erzählt Clemens Sedmak. Der 43-jährige Salzburger leitet das „Zentrum für Ethik und Armutsforschung“ an der Universität Salzburg und ist als Professor für Sozialethik am King’s College in London tätig. Im Zuge seiner Forschungsarbeiten über Ursachen und gesellschaftliche Auswirkungen von Armut hat Sedmak festgestellt, wie sich die Kombination aus Abwanderung, Arbeitslosigkeit und Armut in einer Region zu einer zerstörerischen Spirale nach unten entwickeln kann. „Der Mensch ist auf andere angewiesen,“ unterstreicht der Vater von drei Kindern und Autor zahlreicher Bücher mit Titeln, wie „Mensch bleiben im Krankenhaus“ und „Geglücktes Leben. Was ich meinen Kindern ans Herz lege“. Erst die Anerkennung der eigenen Verletzlichkeit, weg von Selbstgefälligkeit und Privilegien, mache den Weg frei zur Erkenntnis, dass jeder von jedem abhängig ist. „Ich habe viele Aspekte von Armut gesehen und kann sagen, die Betroffenen sind immer Menschen wie du und ich,“ bekräftigt Armutsforscher und Philosoph Sedmak. Bruttoregionalglück: mit der Gründung des Sozialfestivals „Tu was, dann tut sich was“ hat Clemens Sedmak nicht nur einen treffenden Namen gefunden, sondern ein besonderes Bewusstsein bei vielen Bewohnern getroffen: jeder kann was tun für sein Glück in der Region. Schließlich gibt es überall beherzte Menschen mit Ideen und dem Bestreben ein besseres Zusammenleben zu schaffen. „Unser Projekt bietet diesen Menschen organisatorisch wie finanziell die Gelegenheit, diese Ideen auch umzusetzen.“ Weltverbesserung konkret: die erste „Tu was-Region“ im Jahr 2011 war der Salzburger Lungau. Gleich nach Start des Sozialfestivals wurde ein Aspekt sichtbar: der Wille und Mut zur Eigeninitiative lässt sich bei vielen Menschen schon durch kleine Anreize in Gang bringen. „Eine wahre Explosion an Ideen“ gab es von der Bevölkerung aus dieser strukturschwachen Region. Rund 70 Vorschläge wurden eingereicht: von Mini-Bibliotheken in Form von Telefonzellen an Plätzen, über Mobilitätskonzepte für den ländlichen Raum bis hin zum „Freestyle-Bauernhof“ für Jugendliche. Die besten Ideen wurden von einer Jury ausgewählt, organisatorisch und finanziell unterstützt und umgesetzt. Nach dem Vorbild der europäischen Kulturhauptstädte, schlägt das Sozial-Festival jedes Jahrihre organisatorischen Zelte in einer anderen Region auf. Im Jahr 2012/2013 wurden beispielhafte Projekte in der steirischen Eisenstraße gefördert und umgesetzt. Aktuell läuft das Sozialfestival „Mühlviertler Alm 2013/14″ im oberösterreichischen Mühlviertel über die Bühne. Als Messlatte hat man sich hier 100 Projektideen gesetzt. Und es rieselt schon Ideen: vom Handtaschenverleih, über das Projekt „Miteinander Landwirtschaften“ bis zur „Aktion Mittagstisch“. Geld für die Ideenumsetzungenstellt ein Konsortium österreichischer Stiftungen – die „Sinnstifter“ – zur Verfügung. Dazu zählen unter anderem die Erste Stiftung, die Essl Foundation oder die Unruhe Privatstiftung. Neben der Bereitstellung der finanziellen Mittel, wirken die Stiftungsmitglieder auch aktiv bei der Projektauswahl und Umsetzung mit. Zu den prominenten Jury-Mitgliedern zählen unter anderem die Schauspielerin Maria Hofstätter („Paradies: Liebe“) oder die Direktorin der Österreichischen Nationalbibliothek Johanna Rachinger. „Wissenschaft vom Menschen“. So umschreibt Clemens Sedmak sein Hauptanliegen, Menschen und ihre Ideen für eine bessere Zukunft zu begeistern. Gelebte Menschlichkeit, die sich über alle Bereiche des Zusammenlebens erstreckt. „Tu was, dann tut sich was“ – mehr Worte braucht es dazu nicht… www.tu-was.at Titelfoto: „Tu was”-Projekt “Moosgruttis Begegnungshaus” im oberösterreichischen Mühlviertel: Aktivitäten mit Tieren oder kleine kreative Workshops sollen dazu beitragen Berührungsängste abzubauen und gute Nachbarschaft zu fördern. Helmut Wolf
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