Genügsamkeit = Zufriedenheit? Weniger ist mehr? Wie ein ressourcenschonender Lebensstil zu mehr Zeit, Glück und Wohlbefinden führen kann: „Suffizienz“ – Lebensentwurf der Zukunft? Von dem, was wir nicht wirklich brauchen, können wir nie genug bekommen. „Stuck in a Moment“, U2 Glück und Zufriedenheit, ein gutes Leben führen – was braucht es dafür? Seit jeher beschäftigt sich die Menschheit mit dieser Frage aller Fragen. Durch die zunehmende Individualisierung und Ökonomisierung unserer modernen, westlichen Gesellschaft, ist der Weg zu einem erfüllten, glücklichen Leben oft nicht mehr klar erkennbar. Es gibt tausende Lebensentwürfe, die Glück und Zufriedenheit versprechen. Welcher Lebensentwurf der richtige ist, muss jeder für sich selbst entscheiden/herausfinden. Und dabei stellt sich die Frage: was ist wirklich wichtig im Leben? Materieller Reichtum vs. Beziehung? Seit vielen Jahren versuchen uns viele Unternehmen und die Werbewirtschaft zu suggerieren: der Weg zum Glück, wird erst durch die Anhäufung von immer mehr Konsumgütern und materiellen Reichtum erreicht. Unerwähnt bleiben jedoch gänzlich „unproduktive“ Aspekte, wie: Liebe, Freundschaft, soziale Beziehungen, Natur, Zeit... „Hohe Werte, ohne Preisschild“, die für den Menschen von essentieller Bedeutung sind. Zudem zeigt sich: Wegwerf- und Hyperkonsum haben bereits große Auswirkungen auf das soziale und ökologische Gefüge unserer Welt – vom Klimawandel bis zunehmender Ungleichheit zwischen Arm und Reich. „Bewusst werden, dass wir genug haben“. „Es scheint zwei Wege zu geben, beim Konsum glücklich zu sein: ihn ständig höher zu schrauben (um uns die nächste Glückseinheit zu verschaffen, brauchen wir immer mehr Konsummaterial), oder uns bewusst zu werden, dass wir genug haben“, schreibt der tschechische Ökonom Tomas Sedlacek in seinem Buch „Die Ökonomie von Gut und Böse“. Wenn die Ökonomie ihr Ziel verliert, so Sedlacek, bleibe nur noch eins: Wachstum, das kein Ziel hat und mit einem Gefühl der Sinnlosigkeit verbunden ist. Sedlacek plädiert für einen - künstlich erzeugten - Mangel, der uns Abenteuer und damit auch Unterhaltung und einen Lebenssinn bringt. Weniger Konsum und weniger CO2-Ausstoss oder mehr Wachstum? Eine Frage, die viele Ökonomen wahrscheinlich mit der Formel: noch mehr Konsum - noch mehr Wachstum - noch mehr Effizienz (bei Produktivität & Arbeitskräften) beantworten würde. Doch in großen Teilen der Zivilgesellschaft scheinen diese „Erfolgsformeln“ nicht mehr zu greifen: zu stark sind die Widersprüche zwischen dem Mantra „Die Wirtschaft muss wachsen“ und angepeilten Klima- und Nachhaltigkeitszielen. Es „knirscht“ in vielen Bereichen unserer globalisierten (Wirtschafts-)Welt – von der Anspannung auf den Arbeitsmärkten bis hin zu Ressourcenknappheit und Umweltschäden. Eine Krise jagt die andere, und zunehmend setzt sich die Meinung durch: „So“ kann - und darf - es nicht mehr weitergehen! Teilen, Konsumbegrenzung, Gemeinschaftlichkeit, mehr reparieren, bewusst Leben, Zeit gewinnen... Sei es aus wirtschaftlichen, ökologischen oder ethisch-moralischen Gründen: in den vergangenen Jahren eignen sich immer mehr Menschen neue Lebenskonzepte an. Dabei verändern sie vor allem ihr Konsumverhalten und rücken Aspekte wie Fairness, Langlebigkeit sowie soziale und ökologische Kriterien in den Vordergrund. Eine Form von „Cult of Less“ entsteht - mitsamt dem Grundsatz: „Gut zu Leben“, sprich den Ressourcenverbrauch zu minimieren und gleichzeitig die Lebenszufriedenheit zu steigern. Die Beschränkung des Ressourcenverbrauchs führt auch häufig zu einem Gewinn an Zeit – für Selbstbestimmung, soziale Beziehungen und Wohlbefinden. „Genug genügt – mit Suffizienz zu einem guten Leben“. So lautet der Titel eines Buches, das sich mit einem Lebensstil auseinandersetzt, dessen Fundament auf Genügsamkeit und Nachhaltigkeit basiert. „Genug genügt“ statt immer weiter, schneller und mehr. In dem Buch werden 16 „suffizient lebende“ Menschen aus Stadt und Land porträtiert, die durch ihren selbst auferlegten Minimalismus neue Freiräume gewonnen und neue Wege der Lebenszufriedenheit gefunden haben: das „Weniger ist mehr“-Lebensmotto bezieht sich dabei vor allem auf die Bereiche: Alltagskonsum (Nahrungsmittel, Kleidung, Pflegemittel...) und Mobilität (E-Mobilität, Carsharing...), wo die Handlungs- und Änderungsspielräume am größten und leichtesten umzusetzen sind. „Ich empfinde es als wahnsinnig befreiend nichts kaufen zu müssen und nichts zu brauchen, was einen belastet,“ sagt der suffizient lebende Grafiker Alexander, 48, in dem Buch „Genug genügt“. Das Bewusstsein, viele materielle Gegenstände nicht zu brauchen, erzeuge ein Gefühl großer Freiheit. Und wenn er sich etwas kauft, achte er auf Langlebigkeit und Qualität. Umweltingenieurin Tanja, 30, wiederrum versucht möglichst viel zu teilen - Nahrung, Werkzeug, technische Geräte, Gemeinschaftsgarten -, um Ressourcen und Umwelt weniger zu belasten. Aber auch, weil es Spaß macht mit anderen zu Teilen und sich auszutauschen. Für Florian sei der „Stress der Existenzwahrung“ kleiner geworden, weil er seine materiellen Ansprüche runter geschraubt hat. Er genieße es nun, neben der (Teilzeit-)Arbeit Zeit für Familie und Hobbys zu haben. Gut Leben durch mehr Zeitgewinn. Am Ende zeichnet sich der Zusammenhang zwischen einem suffizienzten Lebensstil und einem guten Leben auch durch einen Gewinn an Zeit aus: die reduzierten, materiellen Ansprüche erfordern schließlich weniger Erwerbsarbeit und man kann sich Dingen widmen, die einem besonders am Herzen liegen. Andererseits lässt sich auch einer Arbeit nachgehen, die zwar nicht besonders hoch bezahlt wird, aber als sinnvoll empfunden wird. Zeit, Genügsamkeit und Selbstbestimmung als neue Statussymbole? Die Entscheidung liegt ganz bei uns... Ein „suffizienter Lebensstil“... Buch-Tipp: „Genug genügt - mit Suffizienz zu einem guten Leben“ Von: Marion Leng, Kirstin Schild, Heidi Hofmann 142 Seiten Erschienen bei: Oekom Verlag Fotos: http://fcndi.tumblr.com + http://cookiepeste.tumblr.com (Cover), www.chloethurlow.com,
www.aa13.fr, www.theguardian.com / SWNS, www.500px.com Text: Helmut Wolf
0 Comments
Your comment will be posted after it is approved.
Leave a Reply. |