Auszeit - Neuanfang. Hab und Gut verkaufen, um ein neues, naturnahes Leben zu beginnen. In einem kleinen Haus am Waldrand. Für Sandy Kästner und ihre Familie mehr als ein Gewinn an Lebensqualität... „Du musst nur entscheiden, was du mit der Zeit anfangen willst, die dir gegeben ist“ J.R.R Tolkien Im Winter gibt es (oft) kein Trink-Wasser. Außer es wird mit Kanistern besorgt, wenn der Brunnen wieder einmal ausfällt. Und auch keinen Schneebeseitigungsdienst. Bis zur befestigten Straße, um die Mülltonne zur Abholung bereit zu stellen, sind es gut 200 Meter. Hier, in dem Häuschen am Rande des Waldes rund 90 km von Dresden entfernt, gilt es das Notwendigste und gleichzeitig Wichtigste zu machen: nämlich sich um das Anlegen von Holzvorräten zu kümmern - und das über Wochen. Sammeln von Trockenholz im Wald, ist die Basis, um die lebensnotwendige Wärme für die kalte Winterzeit für eine vierköpfige Familie zu schaffen... „Ich bereue keinen Schritt!“, sagt Sandy Kästner, 38, selbstbewusst. Wiewohl es bei Leibe nicht einfach ist, seinen Traum von einem etwas anderen Lebenskonzept zu verwirklichen. „Oft habe ich geweint und mich gefragt: was tue ich nur meinen Kindern an? Nehme ihnen Kinderzimmer und das meiste Spielzeug. Doch mein Mann war es, der mich immer wieder ermutigte, daran zu glauben und an das Lebensziel fest zu halten“, sagt die Betriebswirtin und Mutter von zwei elfjährigen Söhnen. Heute ist sie überzeugt: „Ich möchte meinen Enkeln etwas „Sinnvolles" mitgeben: nämlich Verantwortung unserer Natur und Umwelt gegenüber, Nachhaltigkeit und Überlebenswissen“. Was treibt eine junge Familie an, die „Komfortzone des Wohlstands“ zu verlassen und eine andere, herausfordernde Richtung im Leben einzuschlagen? Kästner bringt es mit einem Wort auf den Punkt: „Freiheit! Es geht darum selbstständig Dinge verrichten zu können. Fähigkeiten selbst zu entwickeln, im gewissen Maße unabhängig zu sein und klare Entscheidungen zu treffen.“ Und klare Entscheidungen hat sie mit ihrem Ehemann (Polizist) bereits einige getroffen: so hat sie während der familiären, halbjährlichen „Sabbatical-Weltreise“ ihre Kinder aus der Schule genommen und „Home-Schooling“ betrieben. In weiterer Folge das gesamte Hab und Gut veräußert... Die wahrscheinlichste beste Lebensschule... Als Umwelt- und Sozialmanagerin in einem global agierenden Konzern tätig, zog Kästner während ihres Halbjahres-Sabbticals mit ihrer Familie u. a. nach Südafrika. Dort erlebten ihre beiden heranwachsenden Söhne die wahrscheinlich beste „Lebensschule“: sie waren mit dabei, als Sandy Kästner „Biodiversitäts-Analysen“ für ein Feuchtgebiete-Schutzprogramm vornahm. Sie sahen, wie ihre Mutter an mehreren afrikanischen Schulen bei der Ausstattung von Arbeitsmaterialien sowie gesunder Nahrung für die Kinder beteiligt war. Und in Kanada und den USA wurden die beiden Jungs „Zeugen“, als es galt einen der weltweit größten Holzlieferanten zum Thema nachhaltiger Forstwirtschaft zu überprüfen bzw. zu „auditieren". Das grüne Klassenzimmer. Nationalparks, Tierrettungsstationen, Ökosysteme und Tierwelten erkunden... Für ihre beiden Buben bedeutete diese Reise nicht nur Freiheit und Erlebnis pur, sondern auch das Eintreten in ein weitumfassendes, „grünes Klassenzimmer“, wie es Sandy Kästner umschreibt: „In Kanada halfen sie Farmern bei ihrer täglichen Arbeit am Feld und im Stall. Die Jungs genossen ihr „grünes Klassenzimmer" und waren stolz als „Junior Park Ranger“ bezeichnet zu werden“. Und genau da war der Auslöser, der Moment, der dem familiären Lebenskonzept einen Neustart geben sollte: Nicht (nur) mit Handy und Spielkonsole, sondern mit Wissen und Erfahrung, wie man von und in der Natur (über-) leben kann, sollten ihre Kinder für die Zukunft ausgestattet werden. Haus, Möbel, alles - verkauft und gespendet. Nach dem Motto: Tausch Möbel gegen Brennholz. „Unser Lebenswandel hat uns unglaublich viel gelehrt“, sagen Sandy und Marco Kästner nach der halbjährlichen Auszeit. „Wir haben fast ungläubig den Materialismus und die Verschwendung unserer westlichen Kultur bestaunt. Und auch die Lebens- und Denkweise unserer Verwandten und Bekannten wirkte plötzlich so sonderbar - was umgekehrt genauso war...“ Die „Kästners“ zogen einen tiefen Schnitt: sie verkauften, verschenkten und spendeten ihr gesamtes Hab & Gut, ihr Haus, ihre Möbel, Kleidung... Vom verkauften Erlös erwarben sie eine kleine, „auf Stein gebaute“ Hütte am Waldesrand... Zu viert leben sie nunmehr in einer Hütte mit 24 m2, am Rande eines Waldes im Dreieck zwischen Leipzig, Dresden und Chemnitz im deutschen Freistaat Sachsen. Nach ihrer Rückkehr von der Sabbatical-Reise im vorigen Oktober, entschied sich Sandy Kästner eigene Wege zu gehen. Sie verließ das Großunternehmen und begann eine Weiterbildung zur staatlich zertifizierten Waldpädagsogin und GeoRangerin (zNL). Ihr Lebensraum wird die Natur. Sie lehrt Umweltbildung, Überlebenstechniken, wie Wasser- und Nahrungsfindung, Erste Hilfe und Bergung, Feuer machen, Notunterkunft anlegen, Orientierung geben usw. Als Familie bestreiten sie jährlich ein „3-Tages-Überlebenstraining“ im Osterzgebirge... „Habe meine Lebensaufgabe gefunden“. „Ich war lange Zeit unzufrieden, nun habe ich meine Lebensaufgabe gefunden“, sagt Waldpädagogin Sandy Kästner. Es sind: ihre Kinder und „der Versuch, der nächsten Generation - in Schulen und Institutionen - die Themen Umwelt und Natur spielerisch bewusst zu machen. Aber auch ein anderer, wichtiger Aspekt schwingt in diesem Lebenskonzept mit: nämlich zu zeigen, dass „es einen so viel Zufriedenheit gibt, nach getaner Arbeit als Familie am Lagerfeuer zu sitzen und das stolze Eigenwerk angelegter Holzvorräte meines Mannes zu betrachten.“ „Ja, es ist möglich mehr Zufriedenheit mit weniger zu erlangen“, betont Sandy Kästner. „Weniger ist tatsächlich mehr!“, so ihre Erkenntnis. Diese möchte sie auch in die Welt hinaustragen. Warum sind wir Menschen denn hier?, fragt sich die zweifache Mutter. Doch nicht einfach nur weil wir „da" sind, um zu konsumieren, zu nehmen, oder?! Sie möchte jedenfalls ihren Kindern berichten können, dass man nicht an Erfolgen gemessen wird, sondern an Entscheidungen. Diese hat sie bereits getroffen und kann damit auch Ihren Enkeln noch mit 90 Jahren etwas „Sinnvolles“ mitgeben... Web-Tipp: www.facebook.com/WaldpaedagogikUmweltbildung Text: Helmut Wolf
0 Comments
Your comment will be posted after it is approved.
Leave a Reply. |