Eco, not Ego. Der Südtiroler Unternehmer Ulrich Ladurner hat mit dem Öko-Ressort „Vigilius Mountain Resort“ ein Refugium für Naturnähe, Reflexion und Wertewandel geschaffen. Ein Interview über Wirtschaft, Menschen - und Einfachheit... Herr Ladurner, sie haben glutenfreie Nahrungsmittel auf den Markt gebracht, als diese gesundheitsorientierten Produkte noch nicht so populär waren. Was war der Grund dafür? Ich war damals, Anfang der 1980er-Jahre, ein junger Unternehmer in dritter Generation. Wir hatten eine klassische Drogerie in Meran und ich habe nach Entwicklungsmöglichkeiten gesucht. Mich hat gesunde Ernährung generell interessiert, und so bin ich auf die damals noch kleine Gruppe der „Glutenunverträglichkeits-Betroffenen“ („Zöliakie“) gestoßen. Hier gab es einen deutlichen Bedarf nach qualitätsvollen Produkten. Mein Motto lautete: mich interessiert es nicht, wie große die Zielgruppe ist, ich möchte einfach das beste Produkt erzeugen (unter der Marke: „Dr. Schär“, Anm.). Wie kam es zu diesem Schwenk im Jahr 2001 das nachhaltige Öko-Ressort „Vigilius“ zu realisieren? Das war eine persönliche Entwicklung - und die Suche nach neuen Herausforderungen. Wir mussten bei Dr. Schär viele industrielle Prozesse in den Griff bekommen, mit dem Projekt Vigilius gab es wieder einen emotionalen Aspekt. Die Frage lautete: wie fühlen sich die Leute, wenn ich hier (auf 1.500 Höhenmeter, Anm.) ein Haus baue? Das war unheimlich spannend und ebenso ein Erlebnis mit dem Architekten Matteo Thun zusammenzuarbeiten. Ich sah, wie Kreativität professionell gestaltet werden kann. Sie meinten, die Gesellschaft hat Probleme - auch die wirtschaftliche Entwicklung ist falsch. Wie meinen sie das und wie könnte eine neue Ausrichtung gelingen? Grundsätzlich bin ich der Meinung: wir waren noch nie so gesteuert, wie heute. Vor allem aus kommerziellen Interessen. Durch die subtile Art der Kommunikation wird ein Masseneffekt erzielt, der nicht gut, und vor allem nicht gesund ist. Dieser Weg führt die Gesellschaft weg von den wichtigen Dingen im Leben. Er schadet unserer Gesundheit und unserem Wohlgefühl. Dieses Wir-Gefühl, das hier erzeugt wird, ist nicht gewollt, sondern gesteuert. Dabei entsteht ein gefährlicher Negativeffekt, der nicht mehr weit weg ist von einer Art Faschismus. Der Unterschied ist: in den 1930er-jahren hat der Faschismus politisch funktioniert, jetzt funktioniert er über die Wirtschaft. Könnte diese „Steuerung der Gesellschaft“, von der sie sprechen, daran liegen, dass heute alles ökonomischen Zielen unterworfen ist? Jeder Bereich unseres Lebens muss profitabel sein, muss Gewinn abwerfen, dabei bleibt der Mensch auf der Strecke... Wir dürfen wirtschaftliche Interesse nicht generell ausschließen, weil sie Grundlage für Arbeit und Beschäftigung sind. Wenn jemand sagt, er hat die besten Spagetti der Welt, dann ist das legitim. Dann essen die Leute vielleicht etwas Spagetti und das ist ein guter Effekt für das Unternehmen. Ich finde es dagegen verwerflich, wenn Zeit besetzt wird und Gefühle der Selbstbefriedigung erzeugt werden. Ein Grundansatz des Architekten Matteo Thun ist es, den Unterschied zwischen Stadt und Natur aufzulösen. Könnte die Verbindung zur Natur, auch unsere Reflexionsfähigkeit, unsere Wahrnehmung für die Welt stärken - auch jene der Wirtschaftswelt? Ein Schlüssel für eine bessere Zukunft lautet: „Einfach: sein“. Das ist auch das Credo unseres Resorts. Wir bewegen uns heute alle in einem Umfeld das schwer zu überblicken ist. Alles ist durch Komplexität zugedeckt. Wenn ich auf mein Handy blicke und einen ganzen Tag dafür aufwenden müsste, um es nur im Ansatz zu verstehen, dann sage ich: ‚Nein, da mache ich nicht mit’. Entweder die Dinge funktionieren so, dass es uns allen besser geht, oder wir sollten es lieber lassen... „EINFACH: SEIN“ Einfach nur Stille und Natur. Gemeinsam mit dem Architekten Matteo Thun hat Ulrich Ladurner aus dem verfallenen Berghotel Vigiljoch in Südtirol, auf 1.500 Meter Seehöhe, eine neue Art des „ökologischen Luxus“ geschaffen: das „vigilius mountain resort“. Nur mit der Seilbahn erreichbar, ist es ein Ort voller Kraft, im Einklang mit der Natur. „Sehnsucht als Perspektive des Wertewandels“: um Impulse zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung zu geben, bringt Ladurner einmal pro Jahr Wissenschaftler, Schriftsteller, Journalisten und Persönlichkeiten im „vigilius mountain resort“ zusammen. Unter dem Titel „sensus“ widmen sich die Veranstaltungen jeweils einem Themenschwerpunkt. Zuletzt dem Thema „Zugehörigkeit“. Web-Tipp: www.vigilius.it Interview: Helmut Wolf
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