Mensch und Umwelt im Mittelpunkt. Das Lebenscredo des algerisch-französischen Autors und Landwirts Pierre Rabhi findet immer mehr Anhänger. In seinem neuesten Werk dokumentiert der unermüdliche Humanist, dass Einfachheit und Mäßigung die wahren Motoren für Glück und Lebensfreude sind. „Die reifste und schönste Leistung, die die Menschheit nun zu realisieren hat, wird darin bestehen, auf ihrer vitalen Bedürfnisse mit den einfachsten und vernünftigsten Mitteln zu antworten“. Ein Statement mit Schlagkraft, für das sich Umweltaktivist Pierre Rabhi hier ausspricht. Statt den zukünftigen Herausforderungen mit noch mehr Technik, Konsum und Wachstum zu begegnen, bekräftigt Rhabi „das rebellische Prinzip“ der Mäßigung: „Seinen Garten zu bestellen oder sich einer unabhängigen, schöpferischen Tätigkeit zu widmen, wird als politischer Akt, ein Akt des legitimen Widerstands gegen die Abhängigkeit und Unterwerfung des Menschen verstanden werden“. Nicht ohne Grund platziert Pierre Rabhi gleich zu Beginn seines neuesten Buches „Glückliche Genügsamkeit“ diese wesentlichen Grundsätze. Seit 45 Jahren lebt und verbreitet der gebürtige Algerier ein Gesellschaftsmodell, in dem Mensch und Umwelt im Mittelpunkt stehen. Mit seiner Frau und fünf Kindern hat er in Ardèche, einer ehemals kargen Gegend in Frankreich, mit ökologischer Landwirtschaft eine fruchtbare und gesunde Umwelt geschaffen. Entfremdung des Individuums. Die ausbeuterische Entwicklung der Finanzökonomie und unserer Konsumwelt, sind Wasser auf den Mühlen des mittlerweile 76jährigen Umweltschützers: „Unmerklich aber sicher ist die Moderne dabei, die Schlacht um die endgültige Entfremdung des Individuums zu gewinnen, indem sie es abhängig macht von Geräten, die vorgeben, es zu befreien“, schreibt Rabhi anklagend. Er zeigt aber auch, dass es anders geht... Genügsamkeit hat viele Facetten. Der in Algerien geborene Schriftsteller und Bauer sieht in unseren unbedingten Glauben zu allen Informationen und technischen Geräten, die uns angeblich helfen Zeit einzusparen, einen großen Widerspruch: Jene Geräte, die uns doch nötigen oft Tag und Nacht zu arbeiten... „Ah! Die Stille... welch Wunder. Sich von Zeit zu Zeit eine Informations-Diät zu verpassen, wie ein reinigendes Fasten, ist durchaus ein Akt der Genügsamkeit, der äußerst wohltut“. Dem Streben nach Lebensfreude widmet sich der Schriftsteller und Landwirt ebenfalls ausführlich. Und stellt dies im Zusammenhang mit der „Vulgarität der Finanzökonomie“, die uns seit Jahren suggeriert: Materieller Reichtum sei das absolut Glück auf Erden. „Die Lebensfreude als höchster Wert, den wir alle erstreben, können aber selbst Milliarden Dollar nicht aufbieten“. Lebensfreude, so Rabhi, sei eine Art Privileg - zu finden auch „in den einfachsten Hütten“ der Erde. „Colibri“ - für die Erde und den Humanismus. Im Jahr 2007 gründete Pierre Rabhi die Bewegung „Colibri“. Diese setzt sich für ein neues ökologisches Gesellschaftsmodell ein, mit dem Ziel: die Erde und den Humanismus zu vereinen. Mehr als 100 Colibri-Ortsgruppen gibt es mittlerweile alleine in Frankreich. Aber auch die umweltfreundliche Entwicklung afrikanischer Dürreregionen ist ihm ein besonderes Anliegen. Zudem organisiert er Konferenzen und Workshops zu den Themen Wachstumsrücknahme und „Simple Living". Welchen Planeten hinterlassen wir den Kindern? Die internationale „Charta für die Erde und den Humanismus“ beginnt Rabhi mit zwei Fragen: Welchen Planeten hinterlassen wir unseren Kindern? Welche Kinder hinterlassen wir unserem Planeten?“ Sein Befund: Der Mythos vom unendlichen Wachstum bedrohe die Erde und die Menschheit. Was es jetzt brauche ist vor allem ein „humaner Wandel“ – und das Bewusstsein: „Die Erde gehört nicht uns, sondern wir gehören der Erde an“.... Pierre Rabhis „Charta für die Erde und den Humanismus“ (Auszüge): * Die Erde und der Humanismus: inspiriert von einem aktivem Humanismus, wollen wir den Respekt gegenüber jeder Form des Lebens, für das Wohlergehen und ein erfülltes Leben aller Menschen eintreten. * Das Weibliche im Zentrum des Wandels: eines der großen Handicaps für eine positive Entwicklung bleibt die untergeordnete Stellung der Frau in einer übertriebenen, männlichen und gewalttätigen Welt. Die Frauen neigen eher dazu, die Welt zu bewahren als sie zu zerstören. Wir müssen den Frauen Reverenz erweisen und auf das Weibliche in uns hören. * Ökologischer Landbau: der ökologische Landbau, den wir als Lebensethik ins Feld führen, ermöglicht der Bevölkerung die Wiedererlangung ihrer Autonomie und eine sichere, gesunde Ernährung. * Glückliche Genügsamkeit: angesichts eines unbestimmten „Immer-Mehr“, das den Planeten für den Profit einer Minderheit ruiniert, ist die Genügsamkeit eine bewusste, von Vernunft diktierte Wahl. Sie ist eine Kunst und Ethik des Lebens sowie Quelle der Zufriedenheit. Sie ist ein Akt des Widerstands zugunsten der Erde, des Ausgleichs und der Gerechtigkeit. * Die Wirtschaft regional organisieren: geht es um die Sicherstellung der legitimen Grundbedürfnisse der Bevölkerung, drängt es sich geradezu auf, vor Ort zu produzieren und konsumieren. Die Regionen würden so zu autonomen Nährböden, die ihre lokalen Ressourcen verwerten und pflegen. Landwirtschaft im menschlichen Maßstab, Handwerk, Kleinhandel usw., müssten wieder Gewicht bekommen, damit möglichst viele Bürgen zu Wirtschaftsakteuren werden können. * Eine andere Erziehung: wir wünschen aus tiefer Einsicht und von ganzem Herzen eine Erziehung, die sich nicht auf Leistungsdruck, sondern auf Wissensdurst gründet. Die das „Jeder für sich“ abschafft und stattdessen die Kraft der Solidarität und des Miteinander betont. Buchtipp: „Glückliche Genügsamkeit“ von Pierre Rabhi. 155 Seiten, in Leinen gebunden. Aus dem französischen von Dirk Höfer. Erschienen im Verlag: Matthes & Seitz Berlin Text: Helmut Wolf
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Rolf von Felten
6/7/2017 21:26:07
vielen Dank für den wertvollen Tip. Wir bauen ähnliches auf im Tessin.
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