Eine Umarmung, die ermunternde Hand auf der Schulter... Berührungen bewirken oft mehr als schöne Worte. Gibt es ein „Kuscheldefizit“? Shiatsu-Praktikerin Alexandra Gelny und Psychologe Johann Beran über Berührungen und wie soziale Kontakte unser Empfinden stärken... Ein sanftes Streicheln der Hand, eine liebevolle Berührung... Berührt zu werden, gehört zum Leben, wie die Luft zum Atmen. Körperkontakt sorgt für Gesundheit, Ruhe und Wohlbefinden. Doch, soziale Nähe und direkter Kontakt - mit Kollegen, Freunden und Familie, sind in den vergangenen Wochen bei vielen Menschen zu kurz gekommen. Soziale Isolation und Home Office als kollektive Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie, haben vielerorts zu Stress und angespannten Situationen geführt. Wie kann das „Vertrauen in die Berührung“ wiederhergestellt werden? Wie das Berührungsdefizit ausgeglichen werden? Eine Methode sind die achtsamen Berührungen des Shiatsu ... Der Mensch braucht Berührung, um gesund zu bleiben. Oxytocin - auch bekannt als „Kuschelhormon“ - ist ein Hormon, das bei Berührung ausgeschüttet wird. Es fördert Wohlbefinden, entspannt und hilft dabei Stress zu reduzieren. Zudem lässt das Hormon Vertrauen in unser Gegenüber entstehen. Regelmäßige Berührungen stärken unser Immunsystem, unser Herz und unseren Kreislauf. Das beginnt schon im Mutterleib. Berührung hat aber nicht nur auf die Gesundheit von Babys und Kindern großen Einfluss, sondern auch auf Erwachsene. Gefühle, wie Liebe, Vertrauen und Ruhe, bilden sich besonders durch Berührungen. Diese Basis wird im Shiatsu aufgegriffen und unter einem „ganzheitlichen Zugang“ zu Gesundheit mit wirkungsvollen Behandlungstechniken verknüpft. „Shiatsu ersetzt weder das Kuscheln noch den Schulterklopfer durch Freunde. Aber es ist eine Form von Berührung, die die eigene Körperwahrnehmung sensibilisiert und verbessert“, sagt Alexandra Gelny, Shiatsu-Praktikerin und Sprecherin des Österreichischen Dachverbands für Shiatsu (ÖDS). Eine ganzheitliche Methode der Körperarbeit, wie eben Shiatsu, basiert unter anderem auf altem „Berührungswissen“ und folgt einer bestimmten, „natürlichen Form“. „Shiatsu-Praktiker sind Experten für achtsame und respektvolle Berührung. In einer Gesellschaft, in der Berührung oft zu kurz kommt, kann Shiatsu deshalb einen wertvollen Beitrag leisten“, ist Gelny überzeugt. „Berührungen sind in mehreren Zusammenhängen wichtig“, bestätigt auch der Wiener Psychologe Johann Beran. Sexuelle Begegnungen und freundschaftliche oder familiäre Umarmungen, geben Sicherheit und sind Ausdruck von Gruppenzugehörigkeit, so Beran. Dies gilt besonders für Primatenarten, zu denen auch der Mensch zählt. Ein längeres (Berührungs-)Defizit hinterlässt starke Spuren in der Psyche. Das haben die verwahrlosten Waisenkinder aus Rumänin vor Jahren gezeigt. „Eine Shiatsu-Behandlung kann aus einer sehr angespannten Situation heraus in die Entspannung begleiten, die Erholungsfähigkeit fördern und das eigene Wohlbefinden steigern“, ergänzt Shiatsu-Praktikerin Gelny. Warum gerade Shiatsu? „Hierbei können messbar mehrere Aspekte erfüllt werden“, betont Psychologe Beran. Einerseits durch die spezielle Wirkung dieser Methode, wo Spannung und Ängste deutlich reduziert werden. Andererseits, da die Berührung durch die Kleidung erfolgt und damit die Sicherheit von notwendigen Hygienemaßnahmen gewährleistet wird. „Wer Stress hat, spürt sich selbst und andere weniger. Das ist eine ganz automatische körperliche Reaktion, die aber viel Kraft kostet. Es ist beeindruckend, wie rasch und wirkungsvoll Shiatsu hier gegensteuern kann“, erklärt Beran, der die Vorteile von Shiatsu für sich und seine Arbeit entdeckt hat. „Im Alltag auf wohlwollende Art berührt zu werden, fördert nicht nur die Verbundenheit von Menschen untereinander, sondern auch jene zu sich selbst“, sagt Gelny. Verordnete Berührungslosigkeit“, vor allem wenn sie andauert, könne sich daher auch negativ auf die Selbstwahrnehmung auswirken. Ähnlich wie ein therapeutisches Gespräch, kann Shiatsu dabei helfen, Druck abzubauen und neue Energie zu tanken. „Durch eine gezielte Behandlung lassen sich zudem Blockaden lösen und Selbstheilungskräfte aktivieren und unterstützen“, so die Sprecherin des ÖDS.
„Nach einer Krise brauchen Menschen verstärkt Berührungen, um wieder zu Ruhe zu finden und um das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu erlangen“, sagt Beran. Was es nunmehr braucht? Viele „berührende Momente“, die zu uns und zu anderen führen. Eine innige Berührung, sagt mehr als tausend Worte... Web-Tipp: www.oeds.at Fotos: Sharon Mccutcheon, Priscilla du Preez, Phix Nguyen / Unsplash Text: Helmut Wolf
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