(Zusammen-)Leben mit Bären? In Slowenien, mit Europas höchster Bären-Population, gelingt das. Wildbiologe Paolo Molinari, 50, ist überzeugt: ein konfliktarmes Leben zwischen Mensch und Wildtier in Europa ist möglich – und ein Gewinn für das Ökosystem. „Wenn der Mensch sich wegen des Bären wieder mit etwas mehr Respekt durch die Welt bewegen würde, wäre das durchaus vorteilhaft“ Toni Theus, Schweizer Tierarzt und Jäger „100 Meter von unserem Haus haben Bären Honig den Bienenstöcken entnommen“, erzählt Paolo Molinari. „Daraufhin habe ich einen Zaun gehabt - und fertig. Problem gelöst“. Klingt einfach. Ist einfach, so Molinari. Der renommierte italienische Wildbiologe lebt mit seiner Familie in der Nähe der norditalienischen Grenzstadt Tarvis. Dort ziehen seit einigen Jahren wieder vermehrt Braunbären aus Slowenien in Richtung Österreich und Trentino-Südtirol. Molinari ist überzeugt: ein friedliches Zusammenleben mit Bären in unseren Breiten ist möglich und auch – dank Verbreitung von Pflanzensamen – ein Gewinn für das Ökosystem. Wildnis vs. Zivilisation. Kann das gut gehen? Es kann. Am Beispiel Slowenien zeigt sich, wie gut das friedliche Zusammenleben zwischen Mensch und Braunbär funktionieren kann. Etwa 1.000 Bären leben in Slowenien. Ein Großteil davon im dinarischen Gebirge, im Südosten des Landes. Die slowenische Bezeichnung für Bär ist „Medved“, was soviel heißt, wie: Der, der den Honig kennt. Bauern, Jäger und Förster arrangieren sich mit dem gemütlich wirkenden Wildtier. Viele slowenische Bürgermeister haben sich auf die Präsenz der Bären in den Wäldern eingestellt: es gibt ausreichend Verhaltens-Tipps, „bärensichere“ Müllcontainer, Herdenschutzkonzepte (Tierkorridore, E-Zäune, Herdenschutzhunde etc.), sowie eine nachhaltig, „nicht-konsumtiver Nutzung“ von Braunbären im Tourismus. Alles in allem, sorgen die Maßnahmen für ein konfliktfreies Zusammenleben mit der lokalen Bevölkerung. Die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung ist für das Überleben der Braunbären existenziell, betont der Experte für Großraubtiere, Paolo Molinari (Foto links). „Positive Erfahrungen mit Bären und Mund-zu-Mundpropaganda ist hier am effektivsten“, spricht Molinari den Aspekt der gesellschaftlichen Aufklärung an. Eine Initiative, die international bereits viel Bewusstseinsbildung geleistet hat, ist das slowenische „LIFE Dinalp Bear Projekt“. Ziel dieses Projekts ist es: ein gemeinsames, länderübergreifendes Braunbär-Management zu erreichen. Dazu gehört vor allem, die stetige Zusammenarbeit zwischen Experten und lokaler Bevölkerung. Molinari ist beim LIFE Dinalp Bear Projekt für das Dreiländereck Italien, Slowenien und Österreich zuständig. „Der Bär muss wieder in unsere Köpfe zurückkehren“, sagt Molinari in Bezug auf ein möglichst friedliches Zusammenleben zwischen Mensch und Braunbär. Bis zu 250 kg schwer, bis zu 50 km schnell. Ein gelenkiges, kletterfreudiges Muskelpaket - der europäische Braunbär: Ein neugieriges, hochintelligentes Raubtier. Ein Allesfresser, mit ausgeprägten Geruchssinn. Anpassungsfähig und mit vielen Fähigkeiten ausgestattet. Bei seinem halbjährlichen Winterschlaf ist höchste Effizienz angesagt, zum Teil bei nur 15 Herzschlägen und einem Atemzug pro Minute - ohne Trinken, ohne Stoffwechsel. Nach wie vor sind manche Eigenschaften des Bären nicht restlos geklärt. Der „Mythos Bär“ lässt viele Geschichten und (Schauer-)Märchen entstehen. Angesiedelt irgendwo zwischen harmloser Teddy-Bär-Verklärung und unberechenbarer Bestie. Man könnte auch sagen: Dort, wo sich Wildnis und menschliche Zivilisation berühren, kommt es auch manchmal zum Konflikt zwischen Mensch und Bär. Ökotourismus zum Thema Bär. Ein zukunftsfähiges Konzept zum Bär-Mensch-Zusammenleben? Wie könnte das funktionieren? Das LIFE Dinalp Bear Projekt setzt auf einen umsichtig angelegten Ökotourismus zum Thema Bär. Dafür wurde das eigens entwickelte Webportal „Discover Dinarics“ eingerichtet. Diese Plattform bietet geführte Ausflüge in Slowenien und Kroatien an, die den „Richtlinien eines verantwortlichen Bärentourismus“ folgen. Der Fokus liegt bei „bärenfreundlichen Praktiken“ im Zusammenleben mit Bären. Auch zeigt das Portal mehr als 70 „bärenfreundliche Produkte“ (Honig, Käse, Kunsthandwerk...) und Dienstleistungen, die bisher ausgezeichnet wurden. Damit wird aufgezeigt, welche Vorteile die Bärenpopulation der lokalen Bevölkerung bringt und wie positiv sich diese auf Lebensqualität und wirtschaftliche Faktoren der Regionen auswirken. „Wir können wieder lernen mit Bären zu leben“, analysiert Marlene Göring in ihrer hervorragend aufbereitenden Reportage „Die Rückkehr der Bären“ in „National Geographic“. In anderen Ländern sei dies gar keine Frage. Heute werden Schäfer zudem entschädigt, wenn sie Vieh verlieren oder ein Bär einen Bienenstock verwüstet. Im Trentino sind das beim Braunbären etwa 100.000 Euro pro Jahr - für immerhin 60 Tiere. „Beim Baumverbiss durch Rehe etwa entstehe viel mehr Schaden“, sagt Göring. Und fügt hinzu: „Diese Schäden kann eine Region schon stemmen“. Ein kurzer Blick in die Historie zeigt: Große Raubtiere wurden erst zum Problem in Europa, als ab dem Mittelalter die Wälder großflächig abgeholzt wurden – und damit die Tiere ihre Nahrungsquelle verloren und begannen Vieh zu reißen. Davor ist der Mensch gut mit den Bären ausgekommen. Und heute, wo Autobahnen, Wohnhäuser und großflächige Landwirtschaft die Umwelt massiv verändert haben? Etwa 600 erwachsene Bären und noch einmal so viele Jungtiere würde der Alpenraum „vertragen“, belegen Studien. Viele Namensgebungen, wie Bärenkogel, Bärental, Bärenhöhle, zeugen von Jahrhunderte langer Präsenz der Bären in den Alpen. Dies könnte wiederbelebt werden. Aber: ob der Bär sich wieder in Europa ansiedeln kann - oder vielmehr „darf“ - liegt am Ende einzig und alleine bei der Spezies Mensch - und vor allem bei einer Frage: Kann der Mensch mit dem Wissen leben, im Zweifel nicht mehr der stärkste im Wald zu sein...? Das richtige Verhalten
BEGEGNUNGEN MIT DEM BÄR BÄREN IN EUROPA ...betrachten Menschen nicht als potentielle Beute WENN MAN EINEN BÄREN TRIFFT ...ist es vor allem wichtig: Ruhe zu bewahren und die Vorgangsweise an die jeweilige Situation anzupassen BÄREN SIND GENERELL SEHR SCHEUE TIERE ...sie empfinden Menschen als Bedrohung und vermeiden ein Zusammentreffen BÄREN GREIFEN NUR AN ...um sich zu verteidigen, wenn sie überrascht (nicht angeleinter Hunde, überraschende Nahbegegnung) oder provoziert werden ZUR VERMEIDUNG ÜBERRASCHENDER BEGEGNUNGEN ...am besten bemerkbar machen: Pfeifen, Singen, Reden - vor allem in dichter Vegetation oder unwegsamem Gelände WER EINEN BÄR SIEHT ...nicht nähern, stören oder gar füttern. Am besten langsam, ohne ruckartige Bewegungen zurückziehen KEINE LEBENSMITTEL ODER ABFÄLLE ...im Wald, in der Nähe von Hütten oder am Waldrand zurück lassen. BÄREN SOLLEN DIE ANWESENHEIT VON MENSCHEN ... keinesfalls mit Futter in Verbindung bringen. Denn dies ist einer der Hauptgründe für Konflikte mit Bären DIE MENSCHEN ...müssen die natürliche Scheu der Bären bewahren! Web-Tipps:
www.dinalbear.eu www.discoverdinarics.org Quellen: National Geographic, „Der Bär – Zwischen Wildnis und Kulturlandschaft“ Titelfoto: Lukasz Fijalkowski / Nacionalni Park Sjeverni Velebit Fotos: LIFE Dinalp Bear Projekt Text: Helmut Wolf
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