Tablets, Internet und Smartphones im Klassenzimmer? Für Bildungsexperten und „Connected Kids“-Projektleiter Paul Kral das Fundament für mehr Chancengerechtigkeit und individuelle Förderung. Ein Interview! Hr. Kral, nach wie vor besteht eine große Lücke zwischen digitaler Alltagswelt von Schülern und jener im Unterricht. Warum, glauben sie, tun sich Lehrer häufig so schwer Smartphone und Tablet in der Schule zu integrieren? Es stimmt, der digitale Alltag in der Schule ist noch nicht eingetreten. Aber es gibt eine Reihe erfolgsversprechender Initiativen. Die österreichische Bundesregierung hat beispielsweise mit „DigiKomp“ ein Projekt ins Leben gerufen, das aufgefächert, wie die praktische Umsetzung digitaler Kompetenzen im Unterricht vorstellbar, vermittelbar und umsetzbar wird - und zwar auf allen Ebenen: von der der Volksschule bis zur pädagogischen Ausbildung der Lehrer. Ich bin der festen Überzeugung: digitale Bildung in der Schule ist nicht nur ein Nice-To-have, sondern ein Must-to have. Digitalisierung ist kein Luxus, sondern eine große Chance. Wir dokumentieren dies mit dem von T-Mobile initiierten Projekt „Connected Kids“. Dabei versuchen wir eine Brücke zu bilden, zwischen Alltagswelt der Schüler mit Smartphone und Tablet, und der Realität in der Schule - mit Buch und Bleistift. Der Erfolg ist wirklich großartig: wir haben schon über 8.000 Schüler mit der „vernetzten Schulklasse“ in Berührung gebracht. Auch die Lehrer zeigen sich begeistert von den multimedialen Lernmöglichkeiten mit Internet und Tablet. Diese Tools schaffe es, die Lebenswelt in das Klassenzimmer hereinzuholen und die Kompetenz der Schüler stärken. Das ist ein eindeutiger Mehrwert. Warum, glauben sie, tun sich Lehrer häufig so schwer Smartphone und Tablet in der Schule zu integrieren? Es gibt Leuchttürme-Projekte und Leuchtturm-Schulen. Aber: es braucht vor allem Leuchtturm-Impulse an den Hochschulen und Universitäten. Dort ist das Thema Digitalisierung zu wenig angekommen. Ebenso fehlen Aspekte wie multimediales und interaktives Lernen bei der Fortbildung. Die Zeiten haben sich geändert. Internet und neue Medien bieten unendlich viele Möglichkeiten zur Bildung. Jeder Mensch auf der Welt kann heute jederzeit die virtuelle Hochschule im Internet besuchen. Viele Lehrer scheinen vor der Digitalisierung Angst zu haben, weil es ja auch Kontrollverlust im Klassenzimmer bedeutet. Sie haben das Gefühl, sie müssen immer besser sein als der Schüler. Es geht aber darum, die jungen Menschen schon heute auf die Zukunft vorzubereiten. Ihnen zu zeigen, wie Algorithmen funktionieren, wie das Internet im Hintergrund läuft und wie Meinungsbildung im Netz funktioniert. Lebenslanges Lernen wird digital begleitet werden. Dabei geht es vor allem auch um Chancengerechtigkeit. Denn: das Internet ist ein demokratisches Medium, jeder kann es lesen, jeder kann zu allen Themen Stellungnahmen abgeben. Heute kann ich Filme selber produzieren, wofür ich früher ein ganzes Studio und teures Equipment benötigt habe. Jump & Run-Spiele vs. sinnvolle Nutzung von Apps und Co.: wie kann ein verantwortungsvoller, reflektierter Umgang mit Smartphone und Social Media gelingen? Die Schüler kennen sich gut aus beim Bedienen neuer Medien. Was die Heranwachsenden benötigen, sind jedoch Grundlagen für produktives Lernen und Arbeiten: Termine ordnen, Fotos bearbeiten, Geschichten recherchieren und verarbeiten usw. Und es geht um Grundsätze: wie gemeinsames, partnerschaftliches und kollaboratives Arbeiten an Projekten und Dokumenten. Diese Werte und Prinzipien können mit digitalen Devices besser an den Schulen vermittelt. Stichwort Medienkompetenz: welche Tools braucht es, damit Kinder und Jugendliche lernen glaubwürdige Informationen zu erkennen, Quellen zu reflektieren, Betrugsversuche zu entlarven und sorgsam mit ihren eigenen Daten umzugehen? Man sollte diese Entwicklungen in der Schule thematisieren. Beispielsweise: ein Bild in einem internen Netzwerk an Freunde schicken, um zu zeigen, wie schnell das um die Welt wandert. Man kann auch Blogs zu aktuellen Themen schreiben, oder Facebook in abgeschotteten Bereichen „spielen“. Abgeschottete Bereiche würde ich deshalb wählen, weil Daten im offenen Netz Daten nur schwer zu löschen sind. Dies alles sind gute Übungsszenarien, um sicher im Internet zu surfen. Sie stammen selber aus einem analogen Zeitalter, mit Vierteltelefon und Kassettenrekorder. Wo sehen sie den großen Unterschied zwischen der analogen Welt, vor 30, 40 Jahren, und der heutigen, digitalisierten Welt? Ich bin ein Verfechter des „Paarlaufs“: das eine schließt das andere nicht aus. Das eine braucht das andere. Ein Körper, eine Pyramide, eine Kugel lässt sich gut aus Styropor bauen, um es angreifen, „begreifen“ zu können. In weiterer Folge kann ich all dies digital darstellen und bearbeiten. Das heißt: ich ersetze nichts, sondern ich erweitere es. Ich hole mir etwas in das Klassenzimmer, was ich bisher nicht sehen konnte und kann es in vielfacher Art und Weise virtuell darstellen. Wie könnten wir es schaffen, dass Digitalisierung und digitale Bildung zur Verbesserung unserer realen Welt und Zukunft wird? Es gibt keinen Knopf den man umschalten kann, und plötzlich ist alles positiv. Das sind viele Puzzlesteine. Wir hören zumeist auf Leute, auf Populisten, die sehr laut sind und nur Gefahren sehen, wenn die Schule mit digitalen Geräten lernen will. Die Verhältnismäßigkeit ist oftmals verloren gegangen. Daran müssten Pädagogen und Eltern arbeiten. Ich kann nur sagen: wir tragen alle eine gesellschaftliche Verantwortung, und jeder kann ein Stück dazu beitragen, die Welt besser zu machen. Die Digitalisierung ist jedenfalls eine große Chance zur Verbesserung der Welt, auch der Lernwelt. Dazu gehören aber genauso Sozialisierung, Freunde und Familie. Diesen Satz müssen wir uns aber merken: „Wir erhoffen uns von dem Einsatz der digitalen Medien in solchen Lernarrangements nicht einfach einen (eben eher selten eintretenden) höheren Lernerfolg, sie unterstützen „andere Lernziele“ – jenseits der (in den meisten Studien fokussierten) Behaltensleistung, sie befördern etwa Problemlösefertigkeiten, Lerntransfer oder Selbstlernkompetenz und Teamfähigkeiten." (Kerres) Wir brechen in ein neues Zeitalter – in die Wissensgesellschaft - auf, und die Schule muss auf diesen Weg alles mitgeben, was benötigt wird. Das ist wie der Weg auf den Mount Everest: da muss ich auch alles einpacken, was ich brauche zum Überleben... Danke für das Gespräch! Veranstaltungs-Tipp: Connected Kids: „Digitale Schule: Mehr als 0 und 1" Am 12. Juni 2017 findet bereits zum vierten Mal das „Connected Kids“-Event im T-Center in Wien statt. Die von T-Mobile initiierte Veranstaltungs-Reihe widmet sich diesmal dem Themen-Spektrum: Tablets und Smartphones, Internet und Google, multimediales und interaktives Lernen, Coding und Robotik. Die Keynote wird der Schweizer Digitalisierungs-Experte Beat Döbeli halten. Döbeli’s Expertise zur Schule in einer digitalisierten Welt ist im Anschluss Grundlage für eine moderierte Diskussionsrunde mit den beiden Bundesministerinnen Sonja Hammerschmid und Sophie Karmasin, sowie Eltern und Schülerinnen und Schülern. Web-Tipps: http://info.t-mobile.at/connectedkids2017 http://connected.learnandlead.org http://kids.t-mobile.at www.saferinternet.at www.digikomp.at Interview: Helmut Wolf
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