Kann Olivenöl die Welt ein wenig besser machen? Eine Kooperative von über 20 Kleinbauern am Peloponnes zeigt, wie erfolgreich faires Wirtschaften funktionieren kann. Ein Gespräch mit Giorgos Chondros (2. v. links), Gründer der Genossenschaft „Messinis Gea“, über nachhaltige Perspektiven und ein Olivenöl, das Menschen verbindet… Lieber Giorgos, mit Olivenöl assoziiert man eher die gute, gesunde Küche, als Aspekte der Sozialökonomie. Was macht euer Olivenöl so besonders? Wir wollten 2013 mit einem Produkt anfangen, dass es in Mitteleuropa so nicht gibt. Unser Grundansatz lautet: wir exportieren dorthin, wo die lokale Landwirtschaft nicht konkurriert wird. Zudem ist griechisches Olivenöl ein Paradebeispiel dafür, dass der Mehrwert eines Produkts nicht beim Produzenten, sondern zum überwiegenden Teil dem Großhandel zugutekommt. Mit dem Direkthandel unseres sozialen Olivenöls bringen wir mehrere Facetten gleichzeitig ans Tageslicht. Anfang der 2010er-Jahre war Griechenland von einer großen Staatsschuldenkrise betroffen. Inwieweit hat diese Krise bei der Gründung eurer Olivenöl-Kooperative mitgespielt? Eine kleine Anekdote. Ich war 2013 als Referent bei einer Veranstaltung in Lech am Arlberg eingeladen. In einem Laden habe ich im Regal eine 200 ml-Flasche griechisches Olivenöl gesehen - Kaufpreis 18 Euro. Ein horrend hoher Preis. Zur damaligen Zeit lag der Großhandelspreis für 1 Liter Olivenöl bei unter 3 Euro. Da habe ich mir gedacht: das kann doch nicht sein, dass so ein wertvolles Produkt aus Griechenland so billig vom Produzenten verkauft wird, und am Ende beim Konsumenten so teuer ankommt. So ist die Idee entstanden, einen wirtschaftlich solidarischen Weg einzuschlagen – am besten mit unserem Olivenöl. ![]() Welchen Zugang hast du persönlich zur sozialen Marktwirtschaft? Aufgrund der großen Finanzkrise in Griechenland, die vor allem eine gesellschaftliche Krise war, hat sich eine sehr starke Solidaritätsbewegung entwickelt. Ich war in dieser Bewegung stark eingebunden und gut vernetzt. Wir hatten in dieser Zeit die Organisation „Solidarität für Alle“ gegründet. Dabei wurden Suppenküchen und andere Hilfsaktionen für bedürftige Menschen in Griechenland organisiert. Innerhalb dieses Netzwerks haben sich dann zwei Grundaspekte herauskristallisiert. Erstens: wie können wir diese Solidaritätsbewegung nachhaltiger gestalten? Und zweitens: wie schaffen wir es, dass alle Menschen und Institutionen von dieser Bewegung profitieren können? Aus dieser Grundidee heraus hat sich dann die bäuerliche Sozialkooperative „Messinis Gea“ entwickelt. Eine Erzeugergemeinschaft mit mittlerweile 21 Kleinbauern aus der Region Messenien am südwestlichen Peloponnes – und deren Olivenöl „Mazi“. Was für Ziele habt ihr euch gesetzt? Ziel war und ist es, dass die die Olivenöl-Produzenten fair entlohnt werden. Sprich, dass sie davon leben können. In der Vergangenheit konnten die meisten Olivenöl-Bauern nicht einmal ihre Produktionskosten abdecken. Wir haben ein Konzept ausgearbeitet, bei dem der Produzent einen fairen Preis erhält. Durch die Ausschaltung des Zwischenhandels, kommt dieses sehr wertvolle Olivenöl, eines der qualitätsvollsten der Welt, nun zu einem fairen Preis beim Konsumenten an. Damit wird „doppelte Solidarität“ geübt: Also nicht nur gegenüber dem Olivenbauern, sondern auch gegenüber dem Konsumenten. Eine Win-Win-Situation. Klingt nach einem Gegenmodell zum knallharten Marktwirtschaftsprinzip? Natürlich hat das Ganze auch eine politische Komponente. Wir wollen aufzeigen, dass der faire, solidarische Weg des Handels ein erfolgreicher ist - und von dem alle Seiten profitieren. Damit das Ganze auf einem stabilen Fundament steht und gut funktioniert, haben wir eine Produzentengenossenschaft gegründet. Dabei werden grundlegende Entscheidungen getroffen, die ganze Logistik organisiert usw. Auch in Deutschland haben wir eine Genossenschaft gegründet. In Österreich fungiert ein Verein, der auch den Anspruch hat, sich in einer Genossenschaft umzuwandeln. Unser großes, politisches Ziel ist eine europäische Genossenschaft nach sozialökonomischen Kriterien zu etablieren. Interessant ist auch euer sogenannter „Soli-Euro“. Was hat es damit auf sich? Pro verkauften Liter Olivenöl geht ein „Soli-Euro“ an diverse Solidaritätsinitiativen in Griechenland. Nach mittlerweile neun Jahre unseres Bestehens, wurden bereits über 150.000 Euro an unterschiedlichste Solidaritätsprojekte in Griechenland gespendet: an Solidaritätskliniken, Solidaritätsapotheken, an Projekte in der Flüchtlingshilfe und vieles mehr. Wer entscheidet, wohin euer sogenannter „Soli-Euro“ verteilt wird? Wir diskutieren und beschließen gemeinsam, wohin der Soli-Euro verteilt werden soll. Zum einen, werden damit unsere „Verkaufskampagnen“, sprich Verkaufsveranstaltungen finanziert. Dort bringen wir das Olivenöl an die Menschen. Zum anderen wird der Soli-Euro an solidarische, soziale Projekte in Griechenland gespendet. Unsere Aufgabe ist es, dass dieses Geld die richtigen Menschen und Institutionen erreicht – und das alles völlig transparent. Auf unserer Webseite gibt es eine genaue Auflistung, wieviel Geld an welche Organisation gegangen ist. Und meistens wird dann auch kommuniziert, was mit dem Geld letztlich passiert... ![]() Ist Griechenland ein guter Nährboden für solidarisches, faires Wirtschaften? Wir haben in Griechenland jedenfalls aufgrund der Krisenjahre genügend Erfahrung in Sachen sozialer Vernetzung gesammelt. Unsere Oliven-Bauern in Messenien waren am Anfang noch misstrauisch und skeptisch, bedingt durch die oft ausbeuterischen Methoden des Großhandels in der Vergangenheit. Jetzt aber sehen sie, dass durch den Direkthandel faire Erträge erwirtschaftet werden und ihr Produkt kommt gut und nachhaltig beim Konsumenten an. Im Zuge unserer sogenannten (Verkaufs-)Kampagnen reisen die Bauern auch manchmal nach Österreich und Deutschland mit. So lernen die Olivenbauern jene Menschen kennen, die ihr Olivenöl konsumieren. Dabei werden Geschichten erzählt, es findet ein Austausch statt und es entstehen sogar Freundschaften. Da Olivenöl ja ein reines Naturprodukt ist, schmeckt es jedes Jahr anders, da gibt es genügend darüber zu erzählen. Diese geschmackliche Vielfalt des Olivenöls bildet eine wunderbare Basis zur Verständigung und Kommunikation. Wie ist deine persönliche Verbindung zur Kultur des Olivenöls? Ich komme ursprünglich aus einer griechischen Bergregion. Zu Beginn hatte ich nicht viel Ahnung von der Olivenöl-Produktion. Aber mein Vater, und viele Freunde aus der Generation meines Vaters, sind jedes Jahr im Herbst/Winter zur Olivenernte auf dem Peloponnes gefahren. Dort wurden sie für ihre Arbeit mit Oliven bezahlt. Damit haben wir unseren Jahresbedarf an Oliven abgedeckt. Dabei sind langjährige Freundschaften mit den Olivenbauern entstanden, die mich schon mein ganzes Leben lang begleiten. Nach über zehn Jahren des Bestehens eurer Olivenöl-Kooperative – was ist dein bisheriges Fazit? Als wir mit der Kooperative begonnen haben, haben wir gesagt: wenn wir jemals über 10.000 Liter Olivenöl-Produktion pro Jahr kommen, sind wir super-zufrieden. Mittlerweile sind wir bei 30.000 Liter Olivenöl im Jahr! Es sind neue Arbeitsplätze entstanden. Wir haben eine eigene Abfüllanlage angeschafft, die ausschließlich aus eigenen Mitteln finanziert wurde. Diese Anlage garantiert uns Unabhängigkeit und hat den Bauern gezeigt: der Weg des Direkthandels funktioniert, das ist die Zukunft. Derzeit verfügt unsere Erzeugergemeinschaft 21 Mitglieder aus Messenien. 19 Biobauern sind bereits bio-zertifiziert, die zwei weiteren Bauern werden bei der nächsten Olivenernte bio-zertifiziert sein. ![]() Ein Leuchtturmprojekt in Sachen Ökologie und Solidarität. Welches Entwicklungspotenzial siehst du hier noch in Zukunft? Eine Reihe junger Erwachsener aus der Region, deren Eltern Olivenhaine am südwestlichen Peloponnes besitzen, haben sich dazu entschlossen, ebenfalls Landwirtschaft zu betreiben. Ohne unserer sozialen Kooperative hätten sie diesen Schritt wahrscheinlich nie gewagt. Das zeigt: hier wurde ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell entwickelt, das gerade jungen Leuten und ihren Familien eine Perspektive gibt. Gerade in ländlichen Regionen, die von Überalterung und Abwanderung betroffen sind, wird mit diesem Modell eine echte Alternative geboten. Es geht aber nicht nur um Jobs und Infrastruktur, sondern auch um grundlegende Aspekte, wie Klimagerechtigkeit, ökologische Landwirtschaft und Ernährungssicherheit. Griechenland war ja bis zum EU-Beitritt in Sachen Ernährung fast autark. Heute importieren wir beispielsweise 80% des roten Fleisches aus der EU. Das heißt, wir gewinnen Schritt für Schritt wieder an Ernährungssouveränität. Stichwort Klimawandel, der sich auch sehr stark auf die Olivenproduktion auswirkt… Ja, sehr richtig. Unsere Bauern müssen sich dem Klimawandel bestmöglich anpassen. Dazu braucht es eine Entwicklung zu mehr klimaresistenten Olivenkulturen. Dem Klimawandel wirksam zu begegnen, gelingt aber nur in der Gemeinschaft, im Kollektiv. Jeder muss seinen Beitrag dazu leisten: Die Produzenten bei der Herstellung, die Konsumenten bei ihren Kaufentscheidungen, die Entscheidungsträger und auch die Politik. Der Klimawandel trifft und betrifft uns alle, deshalb ist der Austausch so wichtig - über alle Grenzen hinweg. Was würdest du ändern, wenn du es könntest? Wenn ich etwas ändern könnte, dann würde ich die Besitzverhältnisse ändern. Kein, oder weniger, Besitz, erleichtert ungemein. Was ist dein Lebenskonzept?? Ich lebe sehr offen und sehr gut mit vielen Freunden in unterschiedlichen Ländern in Europa. Dieses soziale Miteinander würde ich mir für viele andere Lebensbereiche wünschen… Danke für das interessante Gespräch! ![]() Die Olivenöl-Kooperative „Messinis Gea“ …verfügt derzeit über 21 Mitglieder! Alle an der Produktion des Olivenöls „Mazi“ Beteiligten sind Kleinbauern aus der der Region Messenien („Messinia“) auf der griechischen Halbinsel Peloponnes. Gearbeitet wird nach den Regeln der „Solidarwirtschaft“. Das heißt: Alle Entscheidungen werden gemeinsam und demokratisch getroffen. Dank eigener Abfüllanlage liegen Produktion, Etikettierung und Direktvertrieb in der Hand der Erzeugergemeinschaft. Dies ermöglicht Unabhängigkeit von internationalen Großhändlern und eine faire Preisgestaltung. Für jeden verkauften Liter Olivenöl geht ein „Soli-Euro“ an solidarische, soziale Projekte in Griechenland. Web-Tipp www.mazioli.at ![]() Direktverkauf - das Olivenöl „Mazi“ In Deutschland und Österreich tritt die Kooperative - neben dem Online-Vertrieb - in Form sogenannter (Verkaufs-)„Kampagnen“ an die Öffentlichkeit. Demnächst beispielsweise am 11. April 2025 in Linz, im Cardijnhaus, Kapuzinerstraße 49, 4020 Linz. Von 15-20 Uhr gibt es nicht nur die Möglichkeit der Olivenöl-Verkostung, sondern findet auch eine Diskussion und ein Kennenlernen der Oliven-Bauern der Kooperative statt. Wer „eines der besten Olivenöle der Welt“, die berühmten Kalamata-Oliven, eine Bitterorangen-Marmelade oder den wohlschmeckenden Thymianhonig erwerben möchte, sollte sich diese Veranstaltung nicht entgehen lassen. Kali Orexi! 😊 Web-Tipp https://mazioli.at/linz/ Fotos: Manfred Krenn, Messinis Gea Interview: Helmut Wolf
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