Christian Mikunda gilt als Vordenker der Erlebniswirtschaft und Begründer der „strategischen Dramaturgie“. Er berät Handelskonzerne, Fernsehanstalten, Museen, Städte und Kommunen. Im nachfolgenden Interview spricht Mikunda über den Faktor Schönheit bei der Gestaltung der Welt, über bewussten Konsum und die „Jakobsweg-Industrie“. Herr Mikunda, wie bringt man die Menschen dazu bewusster zu konsumieren? In dem man ihnen klar macht, dass ihr Körper mit der Welt verbunden ist. Das ist eine Erkenntnis, die sich immer mehr durchsetzt. Wir müssen vernünftiger mit der Verlockung beim Konsum umgehen. Shopping ist eine Form des Entertainments geworden. Dazu gehört der richtige Umgang, wie auch der verantwortungsvolle Umgang mit Alkohol, mit schnellen Autos oder Spielen. Zum verantwortungsvollen Umgang des Shoppings gehört auch: nicht mehr Geld ausgeben als man einnimmt. Auf der anderen Seite sollte man auch das Geschenk der Emotion annehmen können, ohne sich ständig dagegen wehren zu müssen. Lässt sich Nachhaltigkeit mit dem Konsumerlebnis verbinden? Das Bedürfnis der Menschen Entlastung und Genügsamkeit zu „erleben“, ist in der Zwischenzeit Bestandteil der dramaturgischen Optimierung geworden. Es gibt inzwischen eine regelrechte „Jakobsweg-Industrie“. Und wenn sich in den Bergen, wo die Menschen in der Natur im Grunde alleine sein wollen, eine Seilschaft nach der anderen trifft, so zeigt sich hier der Widerspruch in unseren Erwartungen. In der Evolution gab und gibt es immer auch die Gegenbewegung. Ein gutes Beispiel dafür ist die Slow Food-Bewegung: diese ist von einer absoluten Nische ins Zentrum der breiten Öffentlichkeit gerückt. Was ich damit sagen möchte: die Dramatisierung und Ästhetisierung der Gegenbewegungen ist heute genauso professionell aufgezogen, wie die des Mainstreams. Inszenierte Orte des Konsums tun uns aber nicht nur pseudomäßig gut, sondern sie verfügen tatsächlich auch über eine wichtige psychohygienische Funktion. Verkaufsorte, die den Menschen psychisch gut tun…? Im Vorjahr habe ich in Graz das erste psychotherapeutische Dramaturgie-Seminar mit 50 Therapeuten abgehalten. Wir haben einen Rundgang durch Graz gemacht und gezeigt, wie man gestaltete Verkaufsorte als Bestandteil einer Kurzzeittherapie einsetzen kann. Unter anderem, was die Hochgefühlskraft in einem Menschen bewirken kann. Die Ergebnisse waren unglaublich. Erlebnisse an Orten, auch an Verkaufsorten, sind eben echte Erfahrungen, die sie zeitlich und räumlich in ihr Leben einschreiben können. Warum kaufen wir was wir kaufen? Warum wir bestimmte Produkte kaufen, kann ich nicht so genau sagen. Schon eher lässt sich festzustellen, warum wir bestimmte Produkte an bestimmten Orten kaufen. Wir Menschen laufen alle mit biochemischen Botenstoffen – Neurotransmitter – herum. Entsprechend suchen wir jene Orte auf, die uns guttun. Ein Beispiel: der sakral gestaltete Verkaufsort ist für uns deswegen so anziehend, weil er zu einer emotionalen Aufwertung führt. Im Rahmen meiner Tätigkeit versuche ich zu helfen, dass es den Menschen an speziellen Orten emotional gut geht: in Shops und Shopping-Malls, in Museen, beim Urban Design in den Städten oder auch bei der Gestaltung des öffentlichen Raums. Zu meiner Arbeit gehört aber auch die Dramatisierung und Emotionalisierung von ernsten Räumen, wie Krankenhäuser, Verabschiedungsräumen und Arbeitsämtern. Wir haben vor einiger Zeit angefangen die Arbeitsämter in Österreich im Hinblick auf deren dramaturgisch-psychologischer Ebene anzusehen. Ziel dabei ist es, dass es den Menschen auf den Arbeitsämtern besser geht. Es geht also bei der Gestaltung von Orten um weit mehr als verkaufsfördernde Maßnahmen…? Neben der Macht, dem Kapital und den Werten gibt es noch ein weiteres Band, das die Welt zusammenhält: die Welt der Ästhetik. Der Faktor Schönheit bei der Gestaltung der Welt ist bis jetzt zutiefst vernachlässigt worden. Wir sollten die Welt und unsere Lebensräume nicht nur nachhaltig sondern vor allem auch schön hinterlassen… www.mikunda.com Helmut Wolf
0 Comments
Leave a Reply. |
|