Hohe Berge, tiefe Täler. Der Alpenraum bietet ideale topografische Voraussetzungen für die Nutzung sauberer Energie. Für eine Energiewende brauche es eine gemeinsame Strategie aller Alpenländer. Darüber waren sich die Experten des „Energieforums Alpenraum 2016“ in Bozen einig. „Energieversorgung hat immer auch mit Demokratie zu tun“, unterstreicht Richard Theiner, Energielandesrat von Südtirol, einen grundlegenden Aspekt im Zusammenhang mit dem Ausbau erneuerbarer Energien. Denn, ob Wasserkraftwerk, Windpark oder Photovoltaik-Anlage: stets hat die Errichtung auch Einfluss auf den unmittelbaren Lebensraum von Mensch und Umwelt. Die zentrale Frage, die sich Energielandesrat Theiner daher stellt, lautet: Wie kann es gelingen, die Bevölkerung bei der Energiewende miteinzubeziehen, sprich „mitzunehmen“? „Wir brauchen ein neues, systemisches Denken - und Handeln“. Für Franz Fischler, Initiator des „Energieforums Alpenraum 2016“ und Präsident des Europäischen Forums Alpbach, sollte die zukünftige Ausrichtung der Energiemärkte vom intensiven Dialog geprägt sein: „Was wir brauchen ist ein neues, systemisches Denken - und Handeln. Es gilt einen Schulterschluss zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft herzustellen.“ Die Zukunft liegt bei den erneuerbaren Energien, darüber sind sich alle Experten einig. Bei den entsprechenden Maßnahmen und ersten Schritten zur Umsetzung, gehen die Meinungen jedoch auseinander. Klar ist: bei der Umsetzung der Klimaziele bis 2030 wird der Alpenraum „als Energiespeicher“ eine maßgebliche Rolle spielen. Den Alpenraum als Leitregion für Energieeffizienz und erneuerbare Energie zu etablieren, sei in jedem Fall ein lohnenswertes Ziel, unterstreicht Ulrich Santa, Managing Direktor von der Agentur Energie Südtirol „Casa Clima“. Südtirol produziert bereits heute doppelt soviel Strom, wie es selbst verbraucht. Es gibt eine Vielzahl an Energiebetrieben und auch die Ziele Südtirols sind ambitioniert: bis 2050 sollen mindestens 90 % der Energieversorgung durch „Erneuerbare“ gewonnen werden. „Dank des großes Know-Hows wurde die Energiewende im Alpenraum schon lange vollzogen“, weist Wolfgang Pospischil, Managing Director bei Pöyry Management Consulting Austria, bereits auf die heutige Vorreiterrolle des Alpenraums hin. Fokus auf E-Mobilität & thermische Sanierung von Gebäuden... Den einzelnen Herausforderungen sollte man mit einem „Multi-Levelansatz“ begegnen, wird unisono gefordert: Wirtschaftswachstum, thermische Sanierung von Gebäuden: „Ausgangspunkt sind immer Gebäude, weil hier die meisten Dienstleistungen zusammenkommen“, so Klima- und Energiewissenschaftler Stefan P. Schleicher. Innovation und Forschung, eine kohlenstoffarme Industrie, die Dekarbonisierung sowie der Fokus auf die umweltfreundliche (E-)Mobilität und das Potenzial der Digitalisierung sind tragende Säulen bei der Neuausrichtung des Energiemarktes. Nachhaltige Energieversorgung im Alpenraum. Wolfgang Anzengruber, Vorstandsvorsitzender der Verbund AG, appelliert deshalb: „Wir brauchen Flexibilität in der Energieerzeugung, Flexiblität im Verbrauch und: wir brauchen Speicherträger - dezentrale Speicher, kleine Speicher, um die Versorgungssicherheit aufrecht zu halten.“ Für den Alpenraum, zentral in Europa gelegener Wirtschaftsstandort, sei eine nachhaltige Energieversorgung von großer Bedeutung. Energiewende in Balance mit Mensch & Umwelt. Der Alpenraum ist für Markus Reiterer, Generalsekretär der Alpenkonvention, nicht nur die „Batterie Europas“, sondern vor allem Lebens-, Kultur- und Wirtschaftsraum: „Wir müssen die richtige Balance finden, um die Energiewende auf eine Art und Weise einzuleiten, die kompatibel ist mit Umwelt und Gesellschaft“. Dazu sollte gelte es Beteiligungsprozesse zu forcieren und gemeinsam mit der Bevölkerung zu planen. Energiesektor als „Job-Motor. Als Herausforderungen gelten vor allem die sinkenden Energiepreise, unterstreicht Wolfram Sparber, Vorstandsvorsitzender der Alperia AG. Dafür gelte es in Zukunft Lösungen zu finden. Nicht zuletzt gilt der erneuerbare Energiesektor als „Job-Motor“: geschätzte 800.000 neue Arbeitsplätze soll der Umstieg auf erneuerbare Energien in der EU schaffen, prognostiziert Lukas Wernert von der Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission. Investieren in junge Ideen und „Bürgerenergie“. Für den langjährigen Energieexperten Peter Püspök, Präsident der PK Windpark Managment GmbH, sei das Geheimnis des Erfolgs in junge Ideen zu investieren. Vor allem Start-ups seien enorm wichtig für den „Gamechange“. Das Kernziel müsse lauten: Energieeffizienz und „Dekarbonisierung“. Erneuerbare Energieerzeugung passiere in Zukunft zunehmend gemeinsam mit privaten Haushalten („Bürgerenergie“) sowie mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Unternehmen und Gesellschaft auf Wandel vorbereiten. Für die Transformation des Energiesektors sei ein fundiertes Verständnis notwendig, ist sich auch Klima- und Energiewissenschaftler Stefan P. Schleicher sicher: „Politik, Unternehmen und Haushalte sind noch nicht ausreichend auf den Wandel vorbereitet“. Und es erfordert eine Marathon-Strategie. „Das lange Ziel bestimmt die Qualität des nächsten Schrittes“. Das Energiesystem werde sich aber auch ohne Pariser Abkommen radikal verändern, zeigt sich Schleicher überzeugt. Wofür brauchen wir eigentlich Energie? „Mobilität beginnt dort, wo wir keine Mobilität brauchen“, zeigt sich Klima- und Energieexperte Schleicher von einem neuen Denken und Handeln in Zukunft überzeugt. Die allentscheidende Frage wird dann am Ende sein: Wofür brauchen wir eigentlich Energie? Web-Tipp: www.alpbach.org/energieforum-alpenraum Fotos: VERBUND, Luiza Puiu Text: Helmut Wolf
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