Lebensmittel aus billiger Massenproduktion oder Bio-Ware? Oder gibt es doch noch mehr Möglichkeiten nachhaltig und gesund zu Essen? Ein Gespräch mit Food-Bloggerin Eva Fischer über zukünftige Ernährungssicherheit und warum Fleisch essen nicht ungesund ist... Es gibt tausende Ratschläge zu gesunder Ernährung. Was bedeutet für dich „gesundes Essen“? Sich ausgewogen, frisch und vielfältig zu ernähren: viel Gemüse, qualitativ hochwertige Produkte aus nachhaltiger Produktion - und Fleisch in Maßen. Vor allem sollte man lernen, auf seinen Körper zu hören und zu spüren, was einem gut tut. Du isst selbst vegan. Könnte der Trend zum veganen Essen auch als unser schlechtes Gewissen auf den schlechten Zustand der Erde zurückzuführen sein? Ich esse oft und gern vegan, bin aber keine Veganerin und auch keine Vegetarierin. Ich würde mich als sogenannten „Flexitarier“ bezeichnen, also jemanden, der weniger tierische Produkte konsumiert. Zu pauschalisieren, dass der Trend zum veganen Essen darauf zurückzuführen ist, dass wir ein schlechtes Gewissen wegen des schlechten Zustands der Erde haben, wäre, glaube ich, zu einfach. Auch wenn das sicherlich eines der Motive vieler Veganer ist. Wenn ich vegan esse, dann in erster Linie, weil ich mich bewusst ernähre und mir häufiger Fleischkonsum zuwider ist. Also im Sinne von vielfältiger und gesünder, oder weil ich einfach merke, dass ich zum Beispiel pflanzliche Milch besser vertrage als tierische. Haben wir nur die Wahl zwischen billiger Massenproduktion oder Bio-Ware? Oder gibt es noch andere Möglichkeiten, z. B. „Urban Farming“, weniger Lebensmittel-Verschwendung etc.? Sicherlich gibt es nicht nur diese zwei groben Unterscheidungen - Massenproduktion oder Bio-Ware. Ich finde es schon vorbildlich, sich überhaupt mit dem Thema auseinanderzusetzen und nachzudenken, wo eigentlich meine konsumierten Lebensmittel herkommen. Und das sollte nicht nur Zuhause auf dem Teller sein, sondern genauso im Wirtshaus oder auf Reisen. Möglichkeiten wie „Urban Farming“, „Shared Meals“, also darauf zu achten Lebensmittel mehr zu verwerten, nicht zu verschwenden, sind vorhanden und sehr erstrebenswert - aber leider nicht immer oder überall praktikabel. Leute wollen zwar nachhaltiger leben, aber es sollten einfachere Voraussetzungen und Möglichkeiten dafür geschaffen werden. Ein Lösungsansatz sind hier beispielsweise die Lieferanten von Gemüse- und Rezept-/Zutaten-Boxen, die Bio-Lebensmittel anbieten und auch schon genau portioniert an die Haustüre bringen. Der Kunde spart (sich) also nicht nur den Einkaufsweg, also auch CO2, sondern auch wesentlich Zeit. Nur: das allein ist zu wenig. Nicht „jemand anderes“ muss sich Gedanken über mein Essen machen, sondern ich selbst. Dafür braucht es Wissensvermittlung, die am besten schon zu Hause oder im Kindergarten beginnt. Schnell oder frisch – heißt es heute bei vielen stressgeplagten Menschen. Was würdest du empfehlen? Ich würde zum einen die Gemüse- und Zutaten-Boxen, z.B. von Kochabo oder Adamah, empfehlen, da durch die Lieferung vor die Haustüre viel Planungs- und Einkaufszeit gespart wird. Zudem sind die Lebensmittel wertvoll und ausgewogen und der Verschwendung wird vorgebeugt. Weil man die Lebensmittel selbst zubereitet, wird der Bezug zum Selbstversorgen, Kochen und Essen mit der Familie, Partner und/oder Freunden geschaffen oder wiederbelebt. Zum andern geht auch schnell und frisch, wenn ich selbst Gemüse im Wok zubereite oder statt der Leberkäsesemmel Obst oder Rohkost verzehre. Oder wenn ich statt einer Pizza- und Dönerbude eines der mittlerweile vielen alternativen Lokale aufsuche, wo frisch und gesund zubereitetes Essen angeboten wird. Im Jahr 2050 muss die Erde zwei Milliarden Menschen mehr ernähren als heute. Wo sollte angesetzt werden, um Ernährungssicherheit zu gewährleisten? Was für eine Frage! Meine Antwort rein hypothetisch, da ich weder über die Kompetenz, das notwendige Wissen oder die Mittel noch über politische Macht für die Änderung der Weltordnung verfüge. Gerade kürzlich habe ich die Diskussion verfolgt, ob Ernährungssicherheit bedeutet, dass wir eine Monokultur anstreben oder doch zurück zum Ursprung gehen sollten, also dass mehr oder weniger jeder sein eigener Versorger wird und sein Gemüse selbst anbaut. Eine Monokultur sehe ich auf keinem Fall, da dies nicht nur als Ernährung zu einseitig wäre, sondern weil die ganze Welt den Kreislauf der Vielfalt, sprich die Biodiversität, zum Überleben braucht. Sich selbst zu versorgen würde für die Mehrheit wahrscheinlich den Untergang bedeuten. In unserer hoch industrialisierten Welt, in der viele Menschen sich nur noch von Fertigprodukten ernähren und Kinder nicht mehr wissen, woher die Milch tatsächlich kommt oder wie Gemüse im Rohzustand aussieht. Da wären Bildungsoffensiven für Pflanzenanbau und Selbstversorgung erforderlich, Vermittlung von Grundwissen, um ein breites Bewusstsein zu schaffen. Weit schwieriger in Drittewelt- und so genannte Schwellen-Ländern, wo die Bevölkerung wächst. Sie leiden unter Globalisierung, Klimawandel und teuren Lebensmittelimporten. Hunger könnte durch einfache Maßnahmen und Solidarität verhindert werden, denn es sind genügend Ressourcen für die ganze Welt vorhanden, wären da nicht vor allem Ausbeutung und Profitgier im Spiel. Für den Profit der westlichen Länder und eigener Machthaber müssen die ärmsten Länder nach wie vor mit sogenanntem „Land Grabbing“, sprich Umweltzerstörung, Ausbeutung und mit Existenzbedrohung leben. Ganz klar umreißt es Globalisierungskritiker und Soziologe Jean Ziegler: „Hunger ist ein organisiertes Verbrechen, er ist das Werk von Menschen und kann durch Menschen besiegt werden.“ Ein Verweis auf die Rohstoffspekulation, welche die Preise auf Grundnahrungsmittel in abstruse Höhen treibt. Ein Ansatz ist definitiv eine faire und nachhaltige Produktion von Lebensmitteln und Know-how-Transfer. Das ist in erster Linie Aufgabe der Politik, setzt Demokratie, den Willen dazu und Konsens unter den Machthabern voraus. Ehrliche Armutsbekämpfung wäre für mich Ansatz und Lösung. Die Realität stimmt mich nicht sehr optimistisch, denn die bestehende Situation des Ungleichgewichts ist der Nährboden für sozialen Unfrieden, Terrorismus und Krieg. Liegt der Schlüssel bei der Umstellung unserer Ernährungsgewohnheiten? Also: weniger Fleisch und Milchprodukte, dafür mehr Getreide, Nüsse, Obst und Gemüse? Ja und Nein. Eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten würde sicherlich etwas an der längst brenzligen Klimasituation ändern, nicht aber an der Ausbeutung der Agrarbauern in der Dritten Welt. Aber ein Schritt in die zukünftige Ernährungssicherheit ist schon besser als keiner, und dazu gehört auf jeden Fall die Reduktion tierischer Lebensmittel, wie Fleisch und Milchprodukte. Natürlich würde das bedeuten, dass wir mehr Getreide, Nüsse, Obst und Gemüse zu uns nehmen müssten. Bei einer ausgewogenen Ernährung würde das auch kein Problem darstellen. Das Thema ist hier halt wieder: fairer und nachhaltiger Anbau und die Unterstützung vor allem armer Länder mit Know-how und finanziellen Mitteln. Und natürlich ist die Politik gefordert, die diese Voraussetzungen schafft. US-Gesundheitswissenschaftler Loren Cordain meint, wenn wir überwiegend das essen, was schon unsere Ahnen aßen, können wir Zivilisationsübel wie Herzleiden, Bluthochdruck, Diabetes oder Krebs vermeiden. Deine Meinung zur „Steinzeitnahrung“? Diese Ernährungsweise ist ein Extrem, kein gangbarer Weg für alle und nach meiner Meinung in einer Zeit wie heute einfach nicht notwendig – ja absurd, im Hinblick auf ein Mehr an Viehzucht oder Monokultur für die Versorgung. In der Steinzeit lebte ja nur ein geringer Bruchteil der heutigen Menschheit, also wenige Hunderttausend. Aber grundsätzlich zur Steinzeit- oder Paleo-Nahrung: Getreide, das sehr ballaststoffreich ist, tut unserem Körper (richtig verzehrt, mit mehr Vollkorn und Urgetreidesorten oder glutenfreiem Getreide) gut und muss nicht weggelassen werden. Sich eine Weile nach der Steinzeitnahrung zu ernähren, könnte höchstens bedeuten, sich mit den Lebensmitteln mehr auseinanderzusetzen, was uns allen nicht schaden würde. Das Gleiche trifft aber auch auf vegane Ernährung zu. Überspitzt gefragt: kann man auch Fleisch essen, ohne seine Gesundheit zu gefährden? Sicherlich! Fleisch zu essen bedeutet ja nicht sich ungesund zu ernähren. Man sollte es eben in Maßen essen - und vor allem Fleisch aus nachhaltiger Produktion konsumieren. Dein Lieblings-Gericht? Alles mit roten Rüben. Ich bin ein großer Fan dieser schönen Knolle. Danke für das interessante Gespräch. Web-Tipp & Rezepte: www.foodtastic.at Illustrationen: Eva Fischer Interview: Helmut Wolf
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Gunther Farnleitner
8/26/2015 14:59:21
Liebe Eva, ich finde es toll, die vielen Anregungen und Deine Ausführungen zu lesen ;-).
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