Schneller, flexibler, weiter, mehr… Burn out. Das Schnellere, das Neuere, das Umfangreichere gilt in unserer (Wirtschafts-)Welt als das Bessere. Wohin das führen und für was das alles überhaupt gut sein soll, steht nicht zur Debatte. Der Turbokapitalismus vergisst aber einen wesentlichen Faktor: den Menschen, der nicht so schnell mitlaufen kann. Trotz Internet mit Lichtgeschwindigkeit und Zeit-ist-Geld-Logik: der Mensch muss zum Beispiel noch regelmäßig schlafen. Er braucht immer noch Orte, nicht nur (virtuelle) Räume, an denen er sich niederlässt. Menschen strukturieren die Zeit auch weiterhin, wie das immer schon der Fall war: durch Anfänge, durch Abschlüsse und Übergänge. ![]() „Menschen sind nicht endlos aktiv. Sie brauchen Orte, besonders aber Zeiten zum Ausruhen“, betont der renommierte deutsche Zeitforscher Karlheinz Geißler. Und macht das an einen symbolischen Vergleich deutlich: „Menschen haben Grünanlagen notwendig, die Wirtschaft hingegen Geldanlagen“. Im nachfolgenden Interview für lebenskonzepte.org erläutert der Wirtschaftspädagoge und Gründer des Instituts „timesandmore“ Karlheinz Geißler (Foto), warum Zeit haben nichts mit Glück zu tun hat und eine Work-Life-Balance nur dann gelingen kann, wenn sie nicht von der Arbeit sondern vom Leben aus gesehen wird. Herr Geißler, „Man verliert die meiste Zeit damit, dass man Zeit gewinnen will,“ meinte einmal der US-Autor John Steinbeck. Warum finden wir Menschen nicht das richtige Maß mit dem Umgang der Zeit? Weil wir in einer Gesellschaft leben deren Ökonomie Maßlosigkeit belohnt und prämiert. Die Verrechnung von Zeit und Geld provoziert Maßlosigkeit. Geld kennt kein „genug“ und die Zeit, zum Beispiel die Beschleunigung, dann auch nicht. Überall dort, wo Zeit in Geld verrechnet wird, herrscht Maßlosigkeit. ![]() Obwohl alles immer schneller und effektiver erledigt wird, haben die Menschen in der westlichen Welt immer weniger Zeit. Stress, Hektik und Zeitdruck machen krank. Befindet sich unsere Wissensgesellschaft mitsamt ihren technischen Tools und Errungenschaften am falschen Weg? Das ist ein Irrtum, Die Menschen haben nicht immer weniger Zeit. Ganz im Gegenteil, sie leben so lange wie nie zuvor. Die Menschen haben zuviel zu tun, nicht zuwenig Zeit. Das aber kann man ändern. Die Glücksformeln dafür heißen: Verzicht, Askese, Bescheidenheit, Genugseinlassen… Unser Leben, so wird uns gelehrt, muss „zielorientiert“ ablaufen: das Ziel ist die Zukunft, mit Wohlstand und materieller Sicherheit. Der Zukunft schenken wir mehr Beachtung als dem Hier und Jetzt. Würden wir klügere Entscheidungen treffen, wenn wir den Moment bewusster leben und genießen? Das Leben hat kein Ziel und keinen Sinn. Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst. Das gleiche gilt für das Ziel des Lebens: wir können nur im Moment leben. Die Zukunft dagegen findet nur im Kopf statt. In der Zukunft ist aber noch niemand satt geworden, in der Gegenwart hingegen schon. Um es mit dem Philosophen Heidegger zu umschreiben: ‚Zeit ist die Abfolge des Jetzt’. ![]() Zeit gilt als Luxus – und Glücksgarant. Es gibt jedoch viele Menschen, die über täglich 24 Stunden Zeit verfügen und sehr unglücklich sind. Wann macht Zeit glücklich? Zeit hat nichts mit Glück zu tun. Glücklich macht nicht die Zeit, sondern das, was man in der Zeit tut, lässt oder was einem in der Zeit widerfährt. Im übrigen: jeder Mensch hat 24 Stunden pro Tag Zeit. Jeder Tag ist gleich lang, für jeden Menschen. Aber er ist unterschiedlich breit – für jeden und jede. Auf die Breite des Tages kommt es an. Die Breite ist Leben! Die 24 Stunden sind ein abstraktes, totes Uhrzeitsignal… Könnte eine auf Stabilisierung und Qualitätssteigerung ausgerichtete Wirtschaft für eine Gesundung des Gesamtsystems sorgen? Die kapitalistische Konkurrenz-Ökonomie funktioniert nur unter der Prämisse der Verrechnung von Zeit in Geld und des Beschleunigungsimperativs. Veränderungen und Verbesserungen erwarte ich mir nur dadurch, dass das Zeit-ist-Geld-Prinzip domestiziert wird und nicht auf die nicht-ökonomischen Lebenswelten ausufert, wie das derzeit geschieht. Es geht um die Errichtung von Brandmauern: gegen eine Wirtschaft, die Zeit nur mehr in Geldwerten einschätzt. ![]() Weniger Arbeitszeit bedeutet mehr Zeit zu haben für Familie, Freunde und eine höhere Lebensqualität. Gerade junge Arbeitnehmer legen heute mehr Wert auf Work-Life-Balance. Ein Zeichen für einen Wertewandel? Nur dann, wenn Work-Life Balance nicht von der Arbeit aus gesehen und gestaltet wird, sondern vom Life aus. Das aber ist selten, sehr selten der Fall… Der „richtige“ Umgang mit der Zeit scheint eine wahre Lebenskunst zu sein. Haben Sie Tipps oder eine Methode, wie der richtige Umgang mit der Zeit gelingen könnte? Dazu empfehle ich die Hinweise im Kapitel „Was tun? Zehn Angebote zum Zeitleben“ in meinem Buch Enthetzt Euch (Verlag Hirzel)... Was bedeutet Zeit für sie persönlich? Lebenselixier Wofür nehmen sie sich besonders viel Zeit? Beim Beobachten der Zeiten, wie sie vergehen und wie in gleichem Umfang neue Zeit nachkommt. www.timesandmore.com Helmut Wolf Alle Fotos: Ostrich Pillow (“Strausskissen”) ist der Name der spacig-flauschigen “Chill out”-Schlafmütze. Das Design der ungewöhnlichen Schlafmütze wurde so angelegt, dass es einen kleinen privaten und ruhigen Mikro-Kosmos erzeugt. Das unkonventionelle Schlafkissen eignet sich ideal für das Powernapping und Schläfchen zwischendurch: egal, ob im Büro, im Auto (siehe Foto), am Flughafen oder Zuhause. Die Idee des Produkts stammt aus der jungen, spanischen Kreativschmiede “Studio Banana”. www.ostrichpillow.com
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