Wir kennen fairen Kaffee, faire Bananen oder faire Kleidung. Aber kann auch ein Mobiltelefon fair hergestellt werden? Die niederländische „Waag Society“ , an deren Spitze der Industriedesigner Bas van Abel steht, hat das „Fairphone“ auf den Markt gebracht. Das Mobiltelefon – ein wahrer Schatz von Erdmetallen. Ein paar Details gefällig: 9 Gramm Kupfer, 4 Gramm Kobalt, 250 Milligramm Silber und 24 Milligramm Gold. Hinzu kommen 9 Milligramm Palladium zur Produktion von Computerchips und eine Reihe von Seltenerdenmetallen. Bei etwa sieben Milliarden Mobiltelefonen, die derzeit weltweit in Verwendung sind, macht das rund 1.750 Tonnen Silber, 168 Tonnen Gold und 63 Tonnen Palladium.* Eine ganz schöne Menge. Aber genug der Zahlenspiele. Auch wer kein allzu großes Interesse an Physik oder technischen Details hat, wird rasch bemerken: der Siegeszug der Smartphones hat zu einem enormen Bedarf an seltenen Erzen geführt. Und ohne Zinn, Tantal, Kobalt oder Wolfram können keine mikroelektronischen Bausteine gefertigt werden. Anders als beispielsweise bei den Autos, gibt es für Mobiltelefone noch immer kein funktionierendes Recycling-System. Die meisten Althandys verstauben in den Schubladen dieser Welt – und mit ihnen viele wertvolle Edelmetalle. Dass die Idee des Projekts Fairphone gerade bei der Recherche von „Blutmineralien“ entstand, kommt nicht von ungefähr. Bas van Abel, Industriedesigner aus Holland und nunmehriger Chef von Fairphone, hat vor einigen Jahren für die gemeinnützige Stiftung „Waag Society“ über Minenarbeiter im afrikanischen Kongo recherchiert. Dabei ist van Abel auf unmenschliche Bedingungen gestoßen: Jugendliche und Kinder, die in Höhlen nach Mineralien lehmige Wände abkratzen und am Ende noch von lokalen „Warlords“ ausgebeutet werden. „Blutmineralien“, die in vielen Smartphones dieser Welt verbaut sind… Für den niederländischen Industriedesigner Bas van Abel war jedenfalls klar: bei der „schmutzigen“ Rohstoffgewinnung und oft fragwürdigen Smartphone-Produktion muss sich etwas ändern. Sein Ziel lautete: Smartphones auf den Markt bringen, die unter nachhaltigen ökologischen und sozialen Bedingungen produziert werden. Mit einem kleinen Team engagierter Mitarbeiter wurde Anfang 2010 schließlich das Projekt „Fairphone“ ins Leben gerufen. Als Finanzierungsmethode setzt Fairphone auf Crowdsourcing, also auf die Kraft der Masse. Sollten 5.000 Menschen Vorbestellungen abgeben, so das Ziel Anfang 2013, wären die Fertigungskosten finanziert. Das Ziel wurde übertroffen. Bas van Abel, Gründer und Geschäftsführer von Fairphone: „Mehr als 5.000 Menschen zahlten 325 Euro für ein Mobiltelefon, das sie nicht in eigenen Händen gehalten haben. Das zeigt uns: hier geht es um mehr als nur um ein Mobiltelefon”. Mehr als ein Produkt? „Die Menschen investieren in den Wandel. Es zeigt uns allen, dass wir gemeinsam komplexe Lieferketten öffnen und die Art und Weise, wie Produkte hergestellt werden, ändern können,” ist Fairphone-Chef van Abel überzeugt. Die Philosophie lautet: „Transparenz auf allen Ebenen“ mitsamt einer genauen Stückliste, einer Kostenaufschlüsselung und die Namen der Direktlieferanten. Zudem können auf der Website alle Entwicklungsschritte mitverfolgt werden. Optisch unterscheidet sich das Fairphone nicht von anderen Smartphones. Es ist ein stilvolles, schlichtes Hochleistungs-Android-Mobiltelefon, mit einem rootfähigen Betriebssystem. Die Unterschiede im Vergleich zu iphone & Co. liegen bei der Lebensdauer und Reparaturmöglichkeit: so ist das Fairphone mit zwei SIM-Karten-Steckplätzen ausgestattet, es ist leicht zu reparieren und wird mit einem austauschbaren Akku geliefert. Überdies gibt es ein Handy-Rückkaufprogramm und Ersatzteile für alle wichtigen Komponenten. Drei Euro pro Gerät gehen an ein E-Schrott-Recycling-Programm. Ende 2013 sind die ersten 25.000 Fairphones auf den Markt gebracht worden. Das Mobiltelefon enthält Mineralien aus konfliktfreien, zertifizierten Minen. Zusammengesetzt wird das Smartphone in einem Werk, wo ein eigens eingerichteter Fonds die Verteilung existenzsichernder Löhne unter den Arbeitern sicherstellt. Und auch wenn für Prozessoren, Speicherchips oder Leiterbahnen (noch) nicht hundertprozentige Fairness garantiert werden kann, so ist der Weg sicher der richtige. „Schritt für Schritt schaffen wir ein faireres Smartphone, eines bei dessen Entwurf und Herstellung der Mensch und die Umwelt an erster Stelle stehen“, betont Fairphone-CEO Bas van Abel. Vielleicht auch ein wichtiger Schritt in Richtung eines Systemwandels… www.fairphone.com Helmut Wolf *Die Daten und Zahlen stammen von Horst Wildemann, Professor an der TU München und Leiter des Forschungsinstituts für Unternehmensführung, Logistik und Produktion.
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