Leben. Ohne teure Miete? Ohne „berufliches Hamsterrad“? Alina und Flo haben sich diesen Traum erfüllt. Das junge Paar aus Deutschland zieht mit ihren beiden Töchtern in eine Jurte. Motto: Raus aus dem Konsum, rein in das (freie) Leben... „Klar ist es gemütlich in einer Stadtwohnung zu leben“, sagt Alina. Schließlich brauche man sich nicht um Dinge wie Heizen, Wasser, Strom etc. zu kümmern. Auf der anderen Seite: „In einer Wohnung zu leben bedeutet heute viel arbeiten - und viel Geld ausgeben. „Dieser Aufwand und die hohen Kosten waren es uns einfach nicht mehr Wert“. Ihr Entschluss: Sie lösen alle ihre Ersparnisse auf und kaufen sich um 5.000 Euro eine Jurte (Jurte: im Ursprung ein traditionelles Zelt der Nomaden in West- und Zentralasien). Ihr Plan: flexibel bleiben, sparsam wirtschaften, Zeit füreinander haben... Mit wenig Geld ein freies Leben führen? Geht das - auch als Familie? „Ja, es funktioniert“, sagt Flo. Und er fügt lachend hinzu: „Plötzlich werde Dinge möglich, die man sich vorher selber nicht vorstellen konnte.“ Viele Fragen standen Anfangs im Raum: Wie ist das mit Bad und Toilette? Ist es im Winter warm genug in der Jurte? Wie funktioniert Kochen, Essen, Schlafen... in einem Raum? Etwa 50 m2 Wohnfläche misst die Jurte. Ihre Ziele definieren die beiden klar und pragmatisch: 650 Euro wollen sie monatlich ausgeben - inklusive Krankenversicherung. Das Geld soll durch kleinere Jobs hereinkommen. Alina möchte sich vorerst auf die heranwachsenden Töchter konzentrieren. Brennholz zum Heizen wird im Wald gesammelt. Gemüse im angrenzenden Umfeld angebaut. „Klar ist es anstrengend Holz für den Winter im Wald zu sammeln“, sagt Flo. Aber: Viel anstrengender sei es monatlich jene hohe Summe aufbringen zu müssen, um seine Wohnung zu finanzieren, betont der ehemalige Pharmazie-Student. „Da gehe ich lieber in den Wald und verbringe mehr Zeit mit meiner Familie“. Für sein neues Leben hat er sein Pharmazie-Studium abgebrochen. Bereut hat er den Schritt in dieses unkonventionelle Leben nicht. Vielmehr wurde dieser Schritt ganz bewusst gesetzt – nach dem Prinzip: „Weniger ist mehr“. „In die Jurte zu ziehen war für uns gewissermaßen Startpunkt“, sagt der zweifache Vater Flo. „Start in ein neues Leben“. Vieles haben sie dabei hinter sich gelassen. „Wir sind auf einem Weg unterwegs, der viel mit loslassen zu tun hat“, umschreibt er dieses Lebenskonzept. Erste Station mit der Jurte war im Herbst 2015 ein Bio-Hof im Wuppertal. Danach zog die Familie mit dem „großen Zelt“ auf einem Campingplatz bei Hamburg. Der Winter war der erste „Härtetest“: Die Eisschicht außen an der Jurte, Wasserdampf innen der nach unten tröpfelt... Schnell waren Lösungen gefunden. Jeder Tag bringe neue Erfahrungen, neue Erkenntnisse, so die beiden... Zwischenmenschlichen Herausforderungen muss man auf so kleinen Raum schneller lösen. „In der Wohnung kann sich der eine in das Schlafzimmer oder Bad zurückziehen. In der Jurte geht das nicht“, sagt Alina. Das (Plumps-)Klo steht natürlich nicht mitten im Raum, sondern ist abgetrennt. Drei Mal die Woche wird das Klo entleert. Für Küche und Dusche gibt es einen Wasseranschluss. Der Plan, den Winter in Italien in einem „Selbstversorger-Camp“ verbringen zu wollen, hatte nicht so funktioniert, wie sich die beiden das vorgestellt haben. Zurück in Deutschland zogen sie mit die Jurte wieder in die Hofgemeinschaft Wuppertal. Zusammen zu einer Community mit 20 Erwachsenen und vielen Kindern. Um Geld zu verdienen werden Jurtenbau-Kurse angeboten. 3.000,- werden in Materialien usw. investiert. Auf die Anzeige im Internet melden sich 15 Teilnehmer aus ganz Deutschland an: 260,- Euro für 4 Tage – inklusive Workshops, Zeltplatz und Verpflegung. Die Einnahmen vom Kurs decken jedoch nur die Grundkosten ab. Ein neuer Plan wird geschmiedet: die beim Workshop gebaute Jurte soll verkauft werden – was am Ende auch gelingt. Mit den Einnahmen der verkauften Workshop-Jurte (von 6.900 Euro), können die beiden wieder über ein halbes Jahr über die Runden kommen... Sind sie nach drei Jahren am Ziel angekommen? „Ich bin auf jeden Fall angekommen in der Jurte als Lebensraum“, sagt Alina. Endgültig am Ziel angekommen, sei sie aber noch lange nicht. „In den nächsten 10 Jahren werden sich die Bedürfnisse von uns und den Kinder noch oft ändern. Wenn wir da offen bleiben und uns nach den Gegebenheiten orientieren, wird sich immer ein neuer Weg finden“, sagt Flo. Wer neue Wege gehen will, muss alte Pfade verlassen. Alina und Flo sind mit Sicherheit schon wieder ein Stückchen weiter... Anmerkung: Drei Jahre lang hat ein Fernseh-Team des WDR das Paar bei der Umsetzung ihres Lebensprojekts begleitet. Quelle & Fotos: WDR Text: Helmut Wolf
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