„Kompostierbare" Bekleidung? Produkte, die nie zu Müll werden? Keine Vision, sondern Realität bei der Schweizer Marke „Freitag“. Innovations-Manager Pascal Dulex im Interview über Denken und Handeln in Kreisläufen... Mit der „kompostierbaren“ Bekleidungslinie „F-abric“ hat das Schweizer Unternehmen Freitag im Vorjahr zwei deutliche Signale gesetzt. Einerseits: nachhaltige Kleidung kann in Europa produziert werden - alle Produktionsschritte sind rund 2.500 km von Zürich entfernt. Andererseits: Textilien eignen sich auch dazu, um die Beziehung zwischen Wirtschaft und Umwelt in ein neues Gleichgewicht zu bringen. Klammert man die Knöpfe aus, so kann die aus Flachs und Hanf gefertigte Bekleidungs-Kollektion vollständig auf dem Hauskompost verrotten. Das zeigt: Umweltverständnis, „Erdverbundenheit“ und wirtschaftliches Denken in einem...Kreislauf. Am Weg zur Kreislaufwirtschaft. Im nachfolgenden Gespräch skizziert Pascal Dulex, „Head of Innovation“ bei Freitag, Herangehensweise und Schritte am Weg zur Kreislaufwirtschaft im Unternehmen. Lieber Pascal, wie ist die Idee bei Euch zur Kreislaufwirtschaft entstanden? Der Grundgedanke der beiden Unternehmensgründer, Markus und Daniel Freitag, war es, den Abfall als Einfall zu begreifen. Das heißt: es wurde ein Verständnis dafür entwickelt, dass ein sehr robustes Material, dass Güter über viele Jahre in LKW’s schützt, auch über ihre Lebensdauer hinaus einen Nutzen haben kann. Aber das ist im Grunde noch nicht der Beginn einer Kreislaufwirtschaft, sondern das generelle Verständnis für Materialien und deren weitreichender Nutzen: Abfall als Ressource, die oftmals zur falschen Zeit am falschen Ort ist, und am Ende - weggeschmissen wird. Oder jemand nimmt das scheinbar alte, verbrauchte Material und verwendet es weiter. In unserem Fall eben LKW-Planen, die dann für Taschen verwendet werden... Wo beginnt Kreislaufwirtschaft genau? Wenn du an das nächste Leben von einem Ding, einem Produkt, denkst, dann denkst du schon weiter, dann beginnt sich etwas zu bewegen. Dann ist das zwar noch kein Kreislauf, aber immerhin schon eine lebensverlängernde Maßnahme. Als wir mit der Bekleidungslinie beginnen wollten, ist uns rasch klar geworden: den Stoff den wir suchen, gibt es (noch) nicht. Unser Fokus war: die Faser sollte in Europa wachsen und nachhaltig hergestellt werden. Wir haben dann ein neues Material entwickelt und uns mit dem Gedanken auseinandergesetzt: was passiert mit den Produkten, wenn sie nicht mehr ihren Zweck als Bekleidungsstück erfüllen können? Aus diesem Gedanken und Verantwortungsbewusstsein heraus, sind wir dann zu dem Schluss gekommen: unsere Bekleidung sollte idealerweise kompostierbar sein. Denn: das ist der Kreislauf der Natur und im Grunde das überzeugendste Konzept der Welt. Alles in der Natur blüht, verblüht, verwelkt und wird wieder zu etwas Neuem. Dieser natürliche Kreislauf war unser Vorbild. Wie habt ihr dabei die Produktionsschritte der Bekleidungslinie angelegt? Bei uns war die große Herausforderung das Nähgarn. Bekleidung aus Leinen, Hanf und Buchenholz zu vernähen, ist eine Sache. Weltweit wird dazu zumeist technisches Garn verwendet. Unser Anspruch war es, das ganze (Bekleidungs-)Stück wieder der Erde zurück zu geben. Dazu hat es viele Versuche – Trial & Errors - gebraucht, um ein natürliches Garn zu entwickeln. Was wäre passiert, wenn der Versuch eine kompostierbare Kleidung herzustellen nicht geklappt hätte? Gab es einen Plan B? Die Entwicklung der Stoffe und Bekleidung hat mehr als vier Jahre gedauert. Wir haben immer daran geglaubt, dass es funktionieren wird, aber natürlich wussten wir nicht, wie es ausgeht. Bei uns war das immer ein Schritt nach dem anderen. Oftmals mussten wir zum Anfang zurückkehren. Klar, war das bei einem eigenfinanzierten Unternehmen wie Freitag nicht immer einfach. Letzten Endes hat sich das Projekt stark von der Ursprungsidee gewandelt: die Ausgangsmaterialien, die Styles... Wir haben eigentlich eine Produktionskette mit guten Partnern aufgebaut. Das Thema Lokalisierung ist auch Teil des Projekts. Wie äußert sich das? Wir wollten das Selbstverständnis der Bekleidungsbranche aufbrechen, dass ein Bekleidungsstück oft zwei, drei Mal um den gesamten Globus geschickt wird, bevor man es kaufen kann. Auch das Baumwollbauern in Asien oft am Existenzminimum leben und dabei eine sehr ressourcenintensive Pflanze züchten, wollten wir nicht unterstützen. All das galt es zu hinterfragen und zu zeigen, dass auch in Europa Rohstoffe wachsen, die sich sehr gut zur Herstellung von Bekleidung eignen. Die Bekleidung ist nicht gerade billig. Wie erklärt man das dem Konsumenten? Das ist eine Analogie zu unseren Taschen. Auch diese können wir nicht verkaufen, ohne der Geschichte dahinter. Natürlich sind die Rohstoffe aus Belgien, Frankreich oder Österreich teurer als in Asien, natürlich ist es kostenintensiver, wenn wir die Produkte in Italien weben, an der deutsch-polnischen Grenze nähen lassen, alles in Zürich entwickeln und die Menschen im entsprechenden Niveau entlohnen. Aber: das müssen wir den Konsumenten immer wieder erklären Es geht hier nicht nur um ein schlichtes Kleidungsstück, sondern um mehr: ein Produkt, das Sinn macht und dich überdies gut aussehen lässt? Was gibt es schöneres... Web-Tipp: www.freitag.ch Fotos: Freitag / Nadine Ottawa Interview: Helmut Wolf
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