Zufriedenheit durch Anstrengung? Freiheit durch „Mut zur Planlosigkeit“? Davon ist Hans Thurner, 54, überzeugt. Beispielsweise in Grönland oder nach 2.000 km Fußmarsch über die Alpen von Wien nach Nizza. Ein Interview! Wo findet sich der „besondere Moment“? „Ich hatte keinen Plan. Und auch keine Ahnung, wo ich hingehen soll“, erzählt der gebürtige Niederösterreicher Hans Thurner. Bei seinem letzten Besuch im östlichen Grönland war er als Reiseleiter tätig. Er hatte noch ein paar Tage verlängert, um Fotos von dieser besonderen Landschaft und der lokalen Inuit-Bevölkerung zu machen. Aber: wo? Und: wann findet sich dieser „besondere Moment“? Sein Plan: keinen Plan zu haben. Er streift ziellos durch den Ort Tasiilaq – und sieht in der Ferne eine Gruppe von Menschen stehen... Ein Erlebnis, dass er nie mehr vergessen wird... Eine Gruppe von Inuits stand am gefrorenen Eismeer. Mitten in der weiten, von Schnee und (Pack-)Eis durchzogenen Landschaft. Ein alter Mann hatte ein Loch ins Eis geschlagen, um nach Nahrung zu fischen. Stundenlang stand der alte Inuit mit seiner Angel da. Hans Thurner gesellte sich dazu. „Kurze Zeit später ist das Licht wunderschön geworden“, sagt Thurner. „Ich habe den alten Mann gefragt, ob ich ihn fotografieren darf. Er hatte nichts dagegen. Und so entwickelte sich eine besondere Verbindung.“ Lange Zeit verbrachte Thurner mit dem alten Eisfischer. Momente der Einsamkeit, der Vertrautheit und der Stille. Ein Erlebnis - und eine Begegnung, die er nie mehr vergessen wird... Die wahren Erlebnisse lassen sich nicht planen. Und auch die Suche nach dem schnellen Erlebnis, nach dem Glück, führen zumeist zur Unzufriedenheit. Davon ist der langjährige Berg- und Skiführer Hans Thurner zutiefst überzeugt. Seit Jahren ist er als Reisender und Fotograf in unterschiedlichsten (Gebirgs-)Regionen der Welt unterwegs: Nepal, Alaska, Patagonien, Grönland... Zumeist sind es „unwirtliche Gegenden“, denen sich Thurner oftmals mit Rucksack und Zelt aussetzt. Und, wo Wind und Wetter Tagesablauf und Richtung bestimmen. Stets waren seine schönsten Erlebnisse mit zwei generellen Aspekten verbunden: durch Anstrengung und durch den Mut sich auf Unvorhergesehenes, auf „Planlosigkeit“ einzulassen. Eigentlich das totale Gegenteil unserer kontrollierten und „durchgetakteten“ Welt... Wenn es draußen kalt wird, wenn es auf’s Zelt regnet oder man zu Fuß kilometerweit nach einer Einkaufsmöglichkeit sucht... Was ist der Reiz an diesem offensichtlich unbequemen, anstrengenden Outdoor-Leben? „Die Natur zeigt einem, dass man nicht viel braucht, um zufrieden zu sein“, sagt der erfahrene Bergführer. Wenn nach einem Gewitter die Sonne hervortritt und die Landschaft erstrahlen lässt, eine besondere Lichtstimmung entsteht oder man am Weg Menschen trifft und sich daraus ein tolles Gespräch entwickelt – „das sind unvergleichliche, intensive Erlebnisse, die einem bei einer bequemen Autofahrt nie passieren würden“, lächelt Thurner. Draußen, zu Fuß unterwegs zu sein, ist oft anstrengend, aber umso befriedigender. „Klar, hätte ich auch mit dem Auto über die Alpen fahren können“, erzählt Thurner über seinen 2.000 km, 4 Monate langen Fußmarsch über die Alpen von Wien bis nach Nizza. Aber, fügt er hinzu: „Diesen Erfahrungsschatz, den du dabei sammelst, begleitet dich dein Leben lang“. Schon von Klein auf sei er viel zu Fuß, in den Bergen unterwegs gewesen. „Der Mensch ist ein Fußgänger. Und das Tempo des Gehens passt einfach zum menschlichen Bewusstsein“, sagt der Weltreisende. Zu Fuß gehen sei für ihn zudem die beste Möglichkeit Landschaft und Umwelt aufzunehmen - und um Leute zu begegnen.
Wie finanziert er sich sein Leben, seine Outdoor-Erlebnisse? Thurner umschreibt es so: „Ich gebe einfach für viele Dinge nichts aus. Kaufe mir nur das, was ich wirklich brauche“, so der Berg- und Skiführer. Er besitze keinen Fernseher, keine teure Wohnungseinrichtung. „Es muss nur trocken, warm und leise sein“, sagt er. Zuviel materieller Besitz sei ihm unheimlich. Das alles zu finanzieren, zu erhalten, zu pflegen und darauf aufzupassen, sei sehr aufwendig und würde ihm viel von der Freiheit nehmen, die ihm so wichtig ist. „Ich kann innerhalb von 1, 2 Tagen übersiedeln, mit allem was ich habe“, sagt er. Und das macht er auch alle paar Jahre... Gibt es eine besondere Erkenntnis, die ihm das Wandern, das zu Fuß gehen, gelehrt hat? „Beim Wandern hast du nur das dabei, was du wirklich brauchst. Das ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Erkenntnisse“, so der erfahrene Bergführer. Egal, ob im Alltagsleben oder in Grönland: die schönsten Dinge, die intensivsten Momente, lassen sich niemals planen. „Oft merkst du es gar nicht, dass du gerade ein Erlebnis hast. Das wird dir erst nachher bewusst“. Geschenkt wird einem aber nichts. „Wenn du zu Fuß gehst oder dich anstrengst, dann kommt das Erlebnis oft von ganz alleine“. Am besten: ausprobieren... Web-Tipp: www.hans-thurner.at Fotos: Hans Thurner Text & Interview: Helmut Wolf
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