Eine Hälfte wird gebaut? Die andere selber gestaltet? Architekt Alejandro Aravena verbessert mit seiner ungewöhnlichen Wohnbau-Idee das Leben sozial schwacher Menschen in Südamerika. Ein Konzept mit Potenzial... „Klar sah das Haus komisch aus.Ein Dach und darunter nur die linke Hälfte ausgebaut zu sehen“, erzählt Evelyn Licuime aus Chile. Als ihr der Staat das halbe Haus in der Siedlung „Villa Verde“ in Constitución, einer Stadt im Süden Chiles, angeboten hat, war sie zunächst skeptisch. Aber sie brauchte Platz für ihre drei Kinder und Eltern und daher nahm sie das Angebot an. Baumaterial, vor allem Holz, hatten sie noch von der vorherigen (Not-)Unterkunft. So konnte die Familie sofort mit dem Ausbau der zweiten Haushälfte beginnen. Gesamtkosten: 5.000 Dollar. Heute, sagt Evelyn Licuime, ist sie überzeugt von dieser sozialen Wohnbau-Idee. „Ein halbes gutes Haus“. So nennt der chilenische Architekt Alejandro Aravena sein außergewöhnliches Baukonzept: Ein Zimmer, eine Küche, ein Badezimmer und ein Dach über dem Kopf. Der Rest soll von den Bewohnern des Hauses selbst erledigt werden. Gerade die anwachsenden Armutsgegenden in den Städten Lateinamerikas, in Afrika und Asien, stellen heute große Herausforderung für den sozialen Wohnbau dar, sagt Aravena. Und die Gelder dafür sind knapp. „Wenn wir anfangen, sind unsere Projekte so weit wie möglich von der Architektur entfernt", sagt Aravena. Und hat darauf eine Antwort gefunden: „Die Lösung ist, den Armen halben Häuser zu bauen“, ist Aravena überzeugt. Mit seiner Bau-Idee sorgt er entsprechend für internationales Aufsehen – und Erfolg. Architekt und „sozialer Dienstleister“. Von Beginn an seiner Tätigkeit, hat sich der 50jährige Alejandro Aravena (Foto links) nicht nur als als Architekt, sondern auch als „sozialer Dienstleister“ gesehen. Seine ersten Gedanken bei einem Projekt, kreisen stets um die Bewohner eines Gebäudes. Deren Bedürfnisse verknüpft er mit den Anforderungen der Umwelt - was er schließlich „sozialer Wohnungsbau" nennt. Aravenas größtes Projekt war der Wiederaufbau der chilenischen Stadt Constitución. Die pazifische Küstenstadt wurde 2010 von einem Tsunami hart getroffen. 3.000 Familien wurden obdachlos. Constitución glich einer Geiststadt. Aravena traf sich mit den Bewohnern, um das Aufbau- und Wohnprojekt zu besprechen. Er stellte fest, was ihre größten Sorgen waren: Wie konnten sie den offenen Zugang zum Fluss behalten? Wie verhindert man Überschwemmungen durch Regen? Wie könnten öffentliche Plätze besser gemacht werden? Alejandro Aravena erstellte einen Masterplan - und schritt zur Umsetzung. Entlang der Küste der Stadt Constitución gibt es jetzt ein Parkgebiet mit Wälder, die das Regenwasser aufsaugen und Tsunamiwellen verlangsamen. Es gibt mehr offene Räume und ein Programm für Stadtentwicklung. Mit dem eingesparten Geld, kann sich die Stadt nun ein Kulturzentrum sowie eine Bibliothek leisten. Und: Über 500 Menschen haben bereits eine neue Heimat in der Siedlung „Villa Verde“ gefunden. Die Häuser sind „Hufeißenförmig“ entlang der Straße angeordnet, „damit sich 20 bis 25 Familien gut organisieren können“, sagt Aravena. Fertiggestellt ist ein halbes Haus in neun Monaten. Weitgehend aus Holz, wie es in Chile üblich ist. Nach dem Einzug zahlt eine chilenische Familie vorerst 300 Dollar und erhält ein „Stipendium“ im Wert von 7.300 Dollar (6.500 Euro). Alles in allem belaufen sich die Kosten am Ende auf 23.000 Dollar. Architektur als „Instrument gegen Armut“. „Wir haben Qualität neu definiert als etwas, das im Laufe der Zeit an Wert gewinnt", sagt Architekt Alejandro Aravena in einem Interview. Nach fünf Jahren können die Bewohner ihr nunmehr „ganzes Haus“ verkaufen. Einige haben dies getan und bis zu 65.000 Dollar dafür bekommen, freut sich Aravena.„Im sozialen Wohnungsbau geht es nicht nur darum, ein Dach über dem Kopf zu haben, sondern auch ein Instrument gegen Armut zu definieren", meint er. Der Chilene scheint mit seinem Wohnkonzept eine Antwort auf die sozialen und humanitäre Bedürfnissen der Menschen gefunden zu haben, davon zeugen mittlerweile tausende „halbe Häuser“ in Latein- und Südamerika... Web-Tipp: www.alejandroaravena.com Fotos: ArchDaily, Dezeen, Elemental Quellen: Die Zeit, DW Text: Helmut Wolf
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