Kein Tag ohne Muße? Muße gilt in unserer Leistungsgesellschaft als Zeitvergeudung. Das genaue Gegenteil versucht nun ein Forschungsprojekt der Universität Freiburg zu dokumentieren. Ein Gegenentwurf zum (Arbeits-)Modell des „Immer-mehr-und-immer-schneller“... „Mit Muße bezeichnet man die Zeit, die eine Person nach eigenem Wunsch nutzen kann...“, Zitat: Wikipedia Frage: Ist der „höchst motivierte Arbeitnehmer“, der sein ganzes Leben nach den Bedürfnissen des Unternehmens ausrichtet, ein Konzept der Zukunft? Die bedingungslose Verausgabung im Berufsleben hat jedenfalls einen hohen Preis: eine wachsende Anzahl von Menschen klagt darüber, den wachsenden Leistungsdruck nicht mehr gewachsen zu sein. Mit weitreichenden Folgen - für Gesundheit und Gesellschaft. Alleine in Österreich leider lt. Ärztekammer rund 500.000 Menschen an Burnout. Über eine Million sind bereits gefährdet... Mit Muße zu neuer Lebensqualität? Das Streben nach unbegrenztem Wirtschaftswachstum erfordert vom Einzelnen den bedingungslosen Einsatz. Und über allen schwebt: die Kosten-Nutzen-Rechnung. Muße dagegen wird mit Faul-sein, mit Nichtstun gleichgesetzt - und gilt als „Störfaktor“ im Produktivitätsdenken. Dass Muße möglicherweise ein entschleunigendes, sinnstiftendes Lebenskonzept für die Zukunft sein kann, ermittelt das interdisziplinäre Forschungsprojekt: „Muße. Konzepte, Räume, Figuren“ der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Zeit für uns selbst zu nehmen - haben wir das verlernt?, fragt sich Politologin und Philosophin Lore Hühn von der Universität Freiburg. Seit rund zwei Jahren arbeitet Hühn gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern an den vielschichtigen Facetten der Muße. Ziel der Forschungsarbeit ist: zeitgemäße Elemente der Muße zu analysieren und diese in die moderne Lebensweise zu integrieren. „Sind Gehetzt-sein und Burn-Out nicht jene Formen der Kapitalverwertung - des „Funktionierens" vor denen schon vor langer Zeit gewarnt wurde?“. Bereits in der Antike schrieb Aristoteles: „Wir arbeiten, um Muße zu haben…“. Genau das Gegenteil von heute. Die Ökonomisierung durchdringt heute alle Lebensbereiche. Hinzu kommt die Beschleunigung der Arbeitswelt, verstärkt durch die rasante Entwicklung der elektronischen Medien. Wirkt die Muße heute weltfremd? Dem widerspricht die deutsche Wissenschaftlerin Lore Hühn. Gerade weil unser (Wirtschafts-)System an allen Ecken und Enden knirscht, sei es wichtiger den je vorherrschende Leitbilder zu hinterfragen. Das Konzept der Muße antwortet im Grunde auf das ursprüngliche Fortschrittsversprechen, welches lautete: Fortschritt und Wachstum bedeutet mehr freie Zeit und Lebensqualität für viele. Jedoch: genau das Gegenteil ist eingetreten... Elementare Bedürfnisse des Menschen. Arbeit galt viele Jahre als Fetisch des Kapitalismus und Sozialismus und durfte nicht hinterfragt werden. Auf der Strecke blieben jedoch elementare Bedürfnisse des Menschen, die mit dem Wunsch nach einem sinnvollen, selbstbestimmten Leben zu tun haben. In Indien bedeutet Muße Geselligkeit. Das Bedeutungsspektrum von Muße ist weitreichend: von Ruhe über Studium und Schule bis hin zu Verzögerung und Langsamkeit. In der indischen Kultur ist Muße beispielsweise etwas durchaus Geselliges und wird mit Gemeinsam-Musik-machen oder Tanzen assoziiert. Muße in der Freizeit, beim Lesen... Muße kann sich im Grunde überall einstellen: im persönlichen Gespräch, in der digitalen Kommunikation, beim Lesen, in der Freizeit, beim Sport, beim Musikhören und selbst dann, wenn man (vermeintlich) gar nichts tut. Arbeit nicht Gegenteil von Muße. Muße sollte als besondere Form der Lebensqualität wahr genommen werden, so der Tenor der bisherigen Forschungsergebnisse der Universität Freiburg. Eine Lebensqualität, die sich nicht ausschließlich auf geleistete Arbeit bezieht. Arbeit muss aber nicht unbedingt das Gegenteil von Muße sein: es könne auch eine Form der Arbeit sein, die Muße erst ermöglicht... Muße – Konzept der Zukunft? „Es geht darum, die Tradition der Muße aufzugreifen, neu zu entwickeln und daraus ein modernes Verständnis menschlichen Lebens zu erarbeiten“, betont der deutsche Philosoph Günther Figal. Eine (Rück-)Besinnung auf ein besonderes „Lebensform des Gelingens“. Die Muße als neues Zukunftskonzept - weit mehr als eine Forschungsarbeit oder bloße Überlegung... Web-Tipp: www.musse-magazin.de Quellen: Ö1, Forschungsprojekt der Universität Freiburg Titelfoto: Graciela, 88 - The Cigar Lady - Havana, Cuba Text: Helmut Wolf
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