Café Kaputt, Elektro-Spital, Reparatur-Treff... Die „Reparatur-Bewegung“ wächst und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Schweden fördert ab sofort Reparaturen. Ein Gegenmodell zum Wegwerf-Konsum? Analyse... Positive Antworten braucht die Welt! Klimawandel, Brexit, Migration, soziales Ungleichgewicht... Es ist nicht mehr zu übersehen: die Welt befindet sich in Bewegung. Mancherorts in Aufruhr. Das Gebot der Stunde lautet: „Positive Antworten braucht die Welt! Und das von jedem Einzelnen. Nicht Lamentieren, zynische Postings abgeben oder ins sprichwörtliche „Schneckenhaus“ zurückziehen, helfen bei der Bewältigung sozialer und wirtschaftlicher Herausforderungen: es braucht vielmehr hör- und sichtbares Engagement - und das in innovativer, pragmatischer Art und Weise. Reparieren – eine umweltfreundliche Revolution? Dinge zu reparieren, statt sie direkt wegzuwerfen, mag eine banale Handlung sein. Dass dahinter aber weit mehr steckt, wird erst am zweiten Blick deutlich. Wer nämlich Dinge nicht sofort wegschmeißt und sie repariert, wiedersetzt sich geltenden Konsummechanismen, und „schraubt“ am Verständnis, was Verbraucher können, sollen – und „dürfen“. Die gängige Aussage: „Die Reparatur der Waschmaschine oder des Druckers, zahlt sich nicht mehr aus, kaufen sie sich lieber ein neues Gerät“, wird damit in Frage gestellt. In Frage gestellt wird aber auch ein ganzes System. Gerät Reparieren gar zu einer umweltfreundlichen Revolution? Schweden senkt Steuern für Reparaturdienstleistungen. Als Vorreiter der Reparatur-Bewegung gilt Schweden. Ab 2017 wird die Mehrwertsteuer auf Reparaturen von Fahrrädern, Kleidung oder Schuhen von 25 % auf 12 % gesenkt. Wer einen Handwerker ins Haus kommen lässt, um Waschmaschine oder Kühlschrank reparieren zu lassen, zahlt künftig ebenfalls weniger für die Arbeitsstunde. „Das soll Anreiz geben, seine Dinge reparieren zu lassen, anstatt sie wegzuwerfen und neu zu kaufen", sagte Verbraucherminister Per Bolund. Auch den Handel mit Gebrauchtwaren will die schwedische Regierung fördern. „Immer mehr Menschen wollten Secondhand kaufen“, betont Bolund. Zudem überprüfe man, ob Konzepte wie „Carsharing“ und Mitfahrangebote auch auf andere Bereiche ausgedehnt werden können. Reiz des praktischen Selbermachens. „Gemeinsam reparieren heißt nicht „kostenloser Reparatur-Service“, sondern gemeinschaftliche, organisierte Hilfe zur Selbsthilfe,“ heißt es etwa beim „Netzwerk Reparatur Initiativen“. Es zeigt sich: hier geht es um mehr als bloßes Heil machen kaputter Dinge. Gemeinsames Tun und Handeln als Gegenentwurf zur resignativen Haltung des Wegeschauens und passiven Abwartens. Immer mehr Menschen entdecken den Reiz des praktischen Selbermachens. Gerade in Reparatur-Initiativen scheinen viele Menschen jene Sinnstiftung wieder zu finden, die heute in den Tretmühlen der Ökonomie verloren gegangen ist. Möbel, Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, Textilien.... Vielerorts sind in den vergangenen Jahren Reparatur-Initiativen entstanden. Repair Cafés sind in erster Linie als ehrenamtliche Treffen angelegt. Also nicht-kommerzielle Veranstaltungen, bei denen alle Teilnehmer gemeinsam ihre defekten Dinge reparieren können: ob Möbel, Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, Textilien, Fahrräder... Menschen mit wenig Reparatur-Know-how treffen dort auf solche, die reparieren können. Derzeit gibt es alleine in Deutschland rund 500 Repair-Cafés in 180 Städten. Auch in Österreich und der Schweiz boomen lokale Reparatur-Initiativen. Kaffee, Kuchen - und Schraubenzieher. Repair Cafés sind auch Orte des Zusammentreffens und sozialen Austauschs. Über gemeinsame Tätigkeiten entstehen Freundschaften, werden Ideen ausgetauscht und Netzwerke gebildet. Daher sind Kaffee und Kuchen ebenso wichtiger Bestandteil im Reparatur Café, wie Schraubenzieher, Nähmaschine und Lötkolben. Und: es geht auch darum Konsumgüter und Gegenstände auf andere Weise wahrzunehmen - sie neu wertzuschätzen. Im Grunde trägt der Spirit des Repair Cafés auch zu einer gesellschaftlichen Mentalitätsveränderung bei, wo am Ende der nachhaltige Umgang mit Natur und Ressourcen gefördert wird. Der Do-It-Yourself-Trend ist getrieben vom zunehmenden Umweltbewusstsein in der Gesellschaft: statt Hyperkonsum und Wegwerf-Mentalität, werden Nutzungsdauer von Gebrauchsgütern verlängert - und darüber hinaus Energie und Ressourcen eingespart. Recycling und Upcycling ist von der (lästigen) Pflicht zum angesagten Hobby geworden. Das Internet ist voll von Tipps, „Tutorials“ und Anleitungen zum Bauen von Einrichtungsgegenständen: man hat Spaß daran, etwas mit den eigenen Händen zu formen und sich damit aus der passiven Konsumentenfalle herauszubewegen. Und so mancher 3D-Drucker kommt ebenfalls schon zum Einsatz. Reparaturkulturen aufbauen, vom Ballast befreien. „Die Befähigung einer Gesellschaft Reparaturkulturen aufzubauen, bedeutet auch, dass man bereit ist, sich von jenem (Konsum-)Ballast zu befreien, der definitiv nicht reparabel ist“, sagt Umweltökonom Niko Paech. Und trifft damit genau jenes Lebensgefühl, dass immer mehr Menschen miteinander teilen wollen: sich mit selbstgemachten, reparierfähigen Produkten zu umgeben, bedeutet Entstehungsprozesse nachvollziehen und Erscheinungsformen selbst steuern zu können. Die Welt reparieren zu können? Ein tolles Gefühl... Web-Tipps: www.ifixit.com www.repaircafe.org www.anstiftung.de www.instructables.com www.reparaturnetzwerk.at www.reparatur-initiativen.de Fotos: Repair-Café Graz (Titel), marthastewart.com, cbc.ca, topp-kreativ.de, ifixit Text: Helmut Wolf
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