Konsum neu denken und leben. Unternehmen mit „allen realen“ Umweltkosten besteuern. Peter Windischhofer, Co-Gründer des Online-Marktplatzes „Refurbed“, zeigt sich im nachfolgenden Interview überzeugt, dass Europa Vorreiter und Vorbild beim nachhaltigen Wirtschaften und Klimaschutz werden kann und muss… Herr Windischhofer, das bisherige Mantra lautet: Wirtschaftliches Wachstum, um (fasst) jeden Preis. Die weltweite Klimakrise und vielen sozialen Konflikte zeigen, dass stetiges Wachstum zu einem globalen Ungleichgewicht geführt hat. Welche Mechanismen und Regeln bräuchte es Ihrer Meinung nach, um ein nachhaltiges Wirtschaftssystem etablieren zu können? Ein Teil der Antwort liegt bereits in der Formulierung: „Wirtschaftliches Wachstum um jeden Preis“ wäre aus meiner Sicht nicht das Problem gewesen, wenn es so tatsächlich stattgefunden hätte. Aber genau nach diesem Prinzip haben wir eben in den letzten 50 Jahren nicht gewirtschaftet: Wäre der Preis das oberste Entscheidungs-Prinzip in unserer Wirtschaft gewesen, hätten Unternehmen in die Gesamtrechnung auch Ressourcenverbrauch, Entsorgungskosten, CO2- Ausstoß und andere Umweltaspekte „einpreisen“ müssen. Denn all das hat einen Preis, auch wenn er nicht auf einem Zettel mit Umsatzsteuer daherkommt. Genau das ist aber in den letzten Jahrzehnten nicht passiert. Was braucht es also, um ein nachhaltiges Wirtschaftssystem aufzubauen? Zuerst die Erkenntnis (und auch das Erleben), dass unsere Art des bisherigen Konsums uns selbst „teuer zu stehen“ kommt. Dann kann jeder und jede Einzelne anfangen sich die Frage zu stellen: Wenn das der Preis ist – brauche/will ich das wirklich? Und dann braucht es natürlich auch Veränderungen auf politischer und struktureller Ebene. Es müssen Anreize für Unternehmen geschaffen werden Nachhaltigkeit in der Unternehmenskultur zu verankern - und nicht einfach als „Greenwashing“ auf die Marketing-Agenda zu setzen. Auch Rechtssicherheit für Großinvestitionen in Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Aspekt. Oder eine Rechtslage, die Reparatur als Recht der Konsumenten verankert. Wir sind daher auch Teil eines Experten-Konsortiums zum Thema „Kreislaufwirtschaft der europäischen Union“. Diese Initiative wird vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EESC) in Brüssel unterstützt und trägt zur „European Circular Economy Stakeholder Platform“ (ECESP) bei. Zuviel Konsum = zu viel Ressourcenverbrauch. Wie glauben Sie, lassen sich bisherige, ressourcenverschwendende Gewohnheiten in der Gesellschaft ändern? Für den oder die Einzelne ist es wichtig, dass es einfacher und kostengünstiger wird, nachhaltig zu leben. „Einfacher“ im Sinne von Verfügbarkeit und Sicherheit, „günstiger“ im Sinne der Kostenersparnis. Das ist sicher auch einer der Hauptgründe, warum wir mit unserem Online-Marktplatz und der Idee des „Refurbishments“* seit 2017 so stark wachsen: Viele Menschen wollen nachhaltig kaufen, denken aber noch immer, dass dies „teurer“ bedeutet. Bei uns erleben sie, dass sie z.B. neuwertige Elektronik nachhaltig kaufen können, mit 1 Jahr Garantie und einer Kostenersparnis bis zu 40 Prozent. Dieses Erleben führt dazu, dass wir unter unseren Kunden viele „Wiederholungstäter“ haben. Viele EU-Ländern sind heute sehr wohlhabend. Jener Wohlstand, der auch durch fossile Energieträger und einen verschwenderischen Lebensstil gewonnen wurde. Wie müssen sich die wohlhabenden, europäischen Länder und die EU zukünftig positionieren – gerade auch im Hinblick auf die Vorbildwirkung für Schwellenländer in Afrika oder Asien? Europa steht eigentlich vor einer großen Chance: Während wir bei vielen rasant wachsenden Wirtschaftsmärkten, wie bei der Künstlichen Intelligenz oder der Chip-Produktion, meist hinter den USA und China „hinterherhinken“, ist die Klimatechnologie ein Markt, in dem Europa nicht nur aktuell führend ist, sondern auch das Potenzial hat, dies auch langfristig zu bleiben. Daher muss Europa Vorreiter beim Klimaschutz werden, damit sich dies nicht nur positiv auf das Klima auswirkt, sondern auch auf Europas Wirtschaft. Dies wäre auch für die Schwellenländer ein wichtiges Signal in Richtung: Wirtschaftliche Stärke durch Innovation und Nachhaltigkeit.… Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, extreme Umweltereignisse... "Braucht" es Krisen und extreme Situationen damit Menschen ihr Verhalten überdenken? Ich weiß nicht, ob man sagen kann, wir „brauchen“ Krisen. Fakt ist: Wir haben sie - und sie werden wohl eher mehr als weniger werden. Und: wir werden diese Krisen immer haben. Die Frage ist aber: Was sind wir bereit aus ihnen zu lernen? Wenn wir uns auf das Neue einlassen und auch neue Fragestellungen zulassen, die daraus entstehen, kann letztendlich das Ergebnis einer Krise positiv, befriedigend und sinnvoll sein. Das funktioniert aber nur, wenn man durch die Krise durchgeht und nicht daran vorbei. Das betrifft Einzelpersonen genauso, wie Unternehmen und Staaten. Ein nachhaltiger Lebensstil wird zumeist mit Einschränkung und weniger Komfort assoziiert. Welche positiven Anreize könnten bei den Menschen wirken? Aus Unternehmersicht würde ich sagen: Leichtere Verfügbarkeit, die Sicherheit, hochwertige Produkte zu kaufen, Rückgaberecht, Garantien – und dabei Preisersparnis bei allen nachhaltig produzierten oder erneuerten Produkten. All das, was wir aus der „Fast Consumption“ kennen, muss sich mittelfristig auch bei nachhaltigen Produkten am Markt etablieren. Wichtig ist aber auch, dass die Politik steuerliche Anreize schafft, also zum Beispiel die Umsatzsteuer auf nachhaltige Produkte senkt, oder Dienstleistungen und Produkte, die wir als „Klimasünder“ kennen, teurer macht. So muss beispielsweise Fliegen einfach mehr kosten als Zugfahren. Reparieren, Teilen/Sharen, im Kreislauf wirtschaften... Wie sieht ihrer Meinung nach ein ideales soziales und umweltgerechtes Wirtschaften und Handeln in Zukunft aus? Genauso: Reduce – also weglassen, was nicht nötig ist. Reuse – reparieren, refurbishen, verschenken, weiterverkaufen… Recycle – was wirklich nicht mehr verwendet werden kann, so entsorgen, dass es möglichst wenig Impact erzeugt. Ach ja – und beim Kauf schon den Recycling-Aspekt mitbedenken. Der Wandel fängt bei jedem Einzelnen an. Welche Veränderung war für Sie in den vergangenen 5 Jahren die schwierigste bei der Umsetzung? Ich habe mein Reiseverhalten sehr stark geändert. Früher bin ich beruflich und privat viel geflogen. Mittlerweile versuche ich, das so stark wie möglich einzuschränken. Jetzt fliege ich nur mehr, wenn es keine Alternative gibt und kompensiere das entstandene CO² zumindest. Meistens nehme ich jedoch den Zug oder reise gar nicht und plane meine Meetings online. Urlaub mache ich meistens mit dem E-Auto im europäischen Ausland. Was würden Sie - ganz generell - sofort ändern, wenn Sie es könnten? Ich würde Ressourcenverbrauch und den CO2-Ausstoss global massiv besteuern, um endlich die realen Kosten richtig zu verteilen. Was ist ihr persönliches Lebenskonzept? Überlege dir, wo du wirksam sein kannst und dann steh‘ auf und tu es. Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch! Web-Tipp: www.refurbed.com Info *Refurbishing bezeichnet die qualitätsgesicherte Überholung und Instandsetzung von Produkten zum Zweck der Wiederverwendung und -vermarktung. Unter anderem für Smartphones, Tablets, Monitore, Software, Drucker, Kopiergeräte, Toner- und Tintenkartuschen usw. Aber auch bei Komponenten aus Kraftfahrzeugen, Produktionsmaschinen und ganzen Produktionsstraßen trägt Refurbishing zur Vermeidung von Abfällen und Schonung von Primärressourcen bei. Fotos: Unsplash, Pexels, Refurbed Interview: Helmut Wolf
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