Weniger ist mehr. Immer mehr Menschen wenden sich vom materialistischen Denken ab. Reduktion und die gemeinsame Nutzung von Gütern boomt dagegen. Die schwedische Fotografin Sannah Kvist hat junge Erwachsene mit ihrem spartanischen Hab und Gut dokumentiert. „Ein Jahr ohne Zeug“ - keine Kleidung, keine Möbel, keine Elektronik... Im Vorjahr initiierten Christiane Schwausch und Ben Toussaint das Projekt „Ein Jahr ohne Zeug“. Ein ganzes Jahr (2014) sollten sie so wenig wie möglich konsumieren. Dafür mehr Tauschen, Selbermachen und kreative Lösungen finden. Was als lokale Initiative der beiden Berliner und ihrer Agentur „good:matters“ angelegt war, wurde dank Facebook & Co. zu einer breiten Anti-Konsum-Bewegung. Mehr Zeit und Lebensqualität „gewonnen“. Die Regeln des „Ein Jahr ohne Zeug“-Projekts: alle „Mitspieler“ durften 365 Tage lang kein „Zeug“, also keine Gebrauchsgüter, wie Kleidung, Möbel oder Elektronik kaufen. Viele Menschen beteiligten sich bei der „zeugbefreiten“ Aktion. Die klare Erkenntnis: weniger Konsum schafft mehr Zeit für Kreativität, für Freizeitaktivitäten, für Lebensqualität und für Zwischenmenschliches. Und das Bewusstsein: nicht alle Dinge immer gleich wegzuwerfen, sondern es lohnt sich oftmals, kaputte Teile zu ersetzen oder zu reparieren. Fotoprojekt „All i own“. „Ich kämpfe täglich mit meinem Konsumverhalten, weil ich ein Verlangen nach Dingen spüre, die ich nicht brauche,“ sagt die schwedische Fotografin Sannah Kvist. Als sie ihr Foto-Projekt „All i own“ vor einigen Jahren ins Laufen brachte, wollte sie vor allem zeigen, dass hier eine junge Generation heranwächst, der es finanziell schlechter geht als ihren Eltern und deren Konsumverhalten sich nicht mehr über klassische Statussymbole wie teure Autos oder Besitztümer definieren möchte. Vielmehr gehe es um sozialen Austausch und „Arbeit, die Spaß macht“. Geld ist nicht alles, so das Credo. Befristete Mietverträge, befristete Jobs, unklare Zukunftsaussichten – die Möglichkeiten für langfristige Planungen, Vorsorge und Investitionen, sind für viele (junge) Menschen nicht leicht. Keine der Personen, die Fotografin Sannah Kvist auf ihren Bildern festgehalten hat, hatte eine eigene Wohnung oder einen festen Mietvertrag in Stockholm. Sie wohnten alle auf Untermiete und waren es gewohnt, mit ihren Kisten ständig umherzuziehen. Hinzu kommt die prekäre Arbeitssituation („Generation Praktikum“) und unklare Zukunftsaussichten. Die Lebensplanung beschränkt sich zusehendes auf kurze Zeiträume, Wohnraum wird immer beweglicher und reduziert sich oftmals auf einen „Ausstellungsraum voll Besitz". Besitztum kein Garant für Zufriedenheit und Glück. Betrachtet man die Hintergründe der Konsumvermeidung, so stecken nicht immer nur ökologische oder politische Gründe dahinter. Vielmehr überwiegt die Überzeugung: materieller Reichtum, Besitztümer und Hyperkonsum, sind keine Garantie für Glück und Zufriedenheit im Leben. Im Gegenteil. Die Anhäufung von Besitz wird von immer mehr Menschen als schwerfällig und belastend angesehen. Dagegen wird die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern beim Teilen, Tauschen und gegenseitig Helfen von immer mehr Menschen als sinn- und glücksstiftend betrachtet. „Verzichtkultur ist im Entstehen“. Karsten John, Marktforscher bei der Gesellschaft für Konsumforschung (Gfk), begründet den Trend zum Konsumverzicht damit, dass sich in den vergangenen Jahren eines klar gezeigt hat: bloßes Streben nach Gewinn wirkt sich zunehmend negativ auf das soziale Gefüge und die Umwelt aus. „Die Menschen hinterfragen, was sie kaufen, woher die Produkte stammen und wie sie erzeugt werden“. Auch Oliver Stengel, Mitarbeiter am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, ist überzeugt davon, dass hier eine anwachsende Verzichtkultur im Entstehen ist. Dazu zählt auch, dass immer mehr Menschen vegetarisch oder vegan leben oder bewusst auf Auto oder Flugreisen verzichten. Vieles ist meist schon da oder liegt ungenutzt in Schubladen oder auf Dachböden. Und sollte man etwas gar nicht finden, so gibt es mittlerweile viele Vereine und Online-Tauschplattformen, die gebrauchte und gut erhaltene Konsumgüter anbieten. Die „Leichtigkeit des Nichtbesitzens“ wird mit einem leichteren Leben assoziiert. Weniger Konsum und weniger Eigentum, bedeuten Kostenersparnis - und auch weniger arbeiten zu müssen. „Gewinn“ ergibt sich auf anderem Wege: man findet wieder mehr Zeit für Freunde und Familie, gewinnt mehr Wohn- und Stauraum und erfreut sich an mehr Flexibilität und Mobilität. Wachsendes Bedürfnis nach immateriellen Werten. Auch wenn das Projekt „Ein Jahr ohne Zeug“ ausgelaufen ist: viele der Teilnehmer haben entweder weitergemacht oder versuchen nur mehr Kaputtes zu ersetzen oder nachhaltige Produkte zu kaufen. Alles in allem zeigt sich: das wachsende Bedürfnis der Gesellschaft nach Zusammengehörigkeit, Sinnhaftigkeit und immateriellen Werten steigt. Und das kann nur gut sein – für Mensch und Umwelt. TEILEN, TAUSCHEN, SOCIALIZING... www.shpock.com (Flohmarkt-App) www.fragnebenan.com (Nachbarschafts-Netzwerk) www.kleiderkreisel.at (Kleidung) www.frents.com (Autos bis Werkzeug) www.leihdirwas.de (Verleihen & Spenden) www.airbnb.at (Reisen) www.couchsurfing.org (Reisen) www.foodsharing.de (Lebensmittel) www.tauschgnom.de (Tausch-Plattform) www.floow2.com (Geschäftsausstattungen & Dienstleistungen) www.diensttausch.com (Waren & Dienstleistungen tauschen) www.impacthub.net (Büro-/Co-Working-Space) www.lendstar.io (Finanzen) www.tauschdeinauto.com (Autotauschbörse) www.sharedparking.de (Parkplätze teilen) www.carsharing247.com (Privates Carsharing) www.blablacar.de (Mitfahren & Plaudern)
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