Eine faire Modewelt ist möglich. Trotz Katastrophenmeldungen über ausbeuterische Produktionsbedingungen in Textilfabriken und Umweltbelastungen, setzen immer mehr Marken auf positive Alternativen in der Herstellungskette. Erste Anzeichen eines Wandels. Wie sieht faire Mode aus und wo können Konsumenten diese finden? Müssen Näherinnen in den Produktionsländern wirklich benachteiligt werden, damit wir billige Bekleidung kaufen können? Und warum ist fair produzierte Mode eigentlich immer teurer als konventionelle? Die Online-Plattform „Get Changed!“ widmet sich den hitzig diskutierten Fragen rund um das Thema „Massenmode vs. Fair Fashion“ und bietet gute Orientierung sowie interessante Informationen zu Hintergründen und Trends. Welche Zertifikaten der (mode-)bewusste Konsument beim Modeeinkauf wirklich vertrauen kann und wie sich faire Mode im breiten Ausmaß durchsetzen könnte, erläutert „Get Changed!“-Mitgründer Mark Starmanns (Foto links) im nachfolgenden Interview mit lebenskonzepte.org. Lieber Mark, wie kann man als Konsument sicher gehen, dass ein Kleidungsstück wirklich sozial fair und umweltgerecht hergestellt wurde – Stichwort „Greenwashing“? Das ist tatsächlich gar nicht so einfach. Die Produktionsketten von Bekleidung und die darin entstehenden Probleme sind komplex. Auch weil jeder eine andere Vorstellung davon hat, was wirklich „sozial fair und umweltgerecht“ bedeutet. Ein Produkt oder eine Firma ist ja nicht entweder nachhaltig oder nicht, sondern die Nachhaltigkeit eines Produktes oder einer Firma ist eher als Kontinuum auf den drei Ebenen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Soziales und Wirtschaft – darzustellen. Aber es gibt Hilfsmittel zur Orientierung – insbesondere Nachhaltigkeitsstandards und -Zertifikate, die von unabhängigen Stellen überprüft werden: Beispielsweise der Global Organic Textile Standard (GOTS), das Fair Trade Certified Cotton Label (FLO) oder die Fair Wear Foundation (FWF). Warum müssen ethische Produkte, gerade auch Bekleidung, eigentlich immer teurer sein als konventionelle? Das sind sie ja gar nicht immer. Die Firma „Brainshirt“ verkauft beispielsweise hochwertige Businesshemden für weniger als 100 Euro. Vergleichbare Produkte sind oftmals teurer. Bei Modeprodukten ist es zudem auch oft schwierig, Preise zu vergleichen, weil die Produkte sehr individuell sind. Aber grundsätzlich – unter sonst gleichen Bedingungen – wird ein Produkt natürlich teurer, wenn man die sozialen und ökologischen Kosten internalisiert (miteinbezieht, Anm.), die sonst auf die Gesellschaften in den Produktionsländern ausgelagert werden. Puma hat vor zwei Jahren errechnet, dass der ökologische Fußabdruck der Firma bei rund 145 Millionen Euro im Jahr liegt. Wenn Puma diese Kosten nun miteinbeziehen würde, dann müssten die Puma-Produkte zwangsläufig teurer werden… Es sei denn, die Nachhaltigkeitsstrategie treibt Innovationen an, die helfen, die Kosten zu senken. Oder: man kauft hochwertiger und dafür seltener – das ist ökologischer und kostensparender. Würde man langfristig denken und die gesellschaftlichen Kosten grundsätzlich mit in die Produktion einbeziehen, dann werden ökologisch und sozial produzierte Produkte billiger. Große Modekonzerne wie H&M investieren derzeit massiv in umweltfreundliche, soziale gerechte Produktionsabläufe. Zeichen für einen globalen Wandel zum Besseren oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein? H&M möchte das Angebot an „nachhaltigeren“ Fasern bis 2020 auf 100% erhöhen. Was heißt das? Die Firma möchte im Baumwollbereich vor allem auf Baumwolle der „Better Cotton Initiative“ (BCI) setzen. Diese Initiative hat zum Ziel, die negativen Auswirkungen von Baumwolle (z.B. den hohen Wasserverbrauch und Pestizideinsatz) auf Umwelt und Mensch zu reduzieren. Und zwar nicht nur in der Nische, sondern in der breiten Masse – also bei allen H&Ms und C&As etc. Das finde ich grundsätzlich einen guten ersten Schritt. Die BCI erlaubt aber beispielsweise gentechnisch manipulierte Baumwolle und ist im Bereich der Chemikalien sehr viel weniger strikt als Biobaumwolle – man kann noch weitere Themenbereiche vergleichen. Am Ende ist es jedoch ein zentraler Aspekt wichtig: verbessern sich durch diese Maßnahmen die Umwelt- und Lebensbedingungen der Menschen in den Produktionsländern? Die Better Cotton Initiative ist sicherlich für die Umwelt und die Menschen besser als konventionell angebaute Baumwolle. Ich persönlich würde es zum Wohle der Menschen und der Umwelt grundsätzlich vorziehen, wenn Firmen auf 100% Bio- und Fair Trade-Baumwolle setzen. Ist Modebewusstsein und Nachhaltigkeit nicht per se ein Widerspruch, weil es permanenten Konsum suggeriert? Für arbeitslose Bauern vom Land in China, die in die Städte gehen, um einen zu Job in der Textilindustrie zu finden, ist es sicherlich prima, wenn wir permanent neue Mode kaufen und dann wieder wegschmeißen. Wenn Mode einen permanenten Konsum suggeriert, der mit einem hohen Ressourcenverbrauch einhergeht, dann ist das im ökologischen sicherlich nicht besonders nachhaltig. Aber es gibt ja auch Mode, die lange getragen werden soll. Mittlerweile versuchen Designer ja auch in Kreisläufen oder in anderen Konzepten zu denken, so dass der Ressourcenverbrauch nicht notwendigerweise anwachsen muss. Es herrscht mittlerweile ein undurchsichtiger Dschungel an Zertifikaten für fair und umweltgerecht produzierte Mode. Welche Zertifikate zählen zu den glaubwürdigsten? Wir haben in einer Studie für die „AK Oberösterreich“ neun Textilstandards verglichen. Am glaubwürdigsten waren: die „Fair Wear Foundation“, die sich um Sozialstandards beim Nähen kümmert. Außerdem: der Global Organic Textile Standard (GOTS) und Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN Best), die sich vor allem um Umweltstandards in der Konfektion kümmern und Biofasern voraussetzen. Ebenso der Fair Trade Standard (FLO Certified Cotton), der seinen Fokus bei sozialen Aspekten der Baumwollbauern hat. Wenn man die drei Standards kombiniert, dann hat man „Best in Class“. Recycling- und Reparaturwerkstätten für Jeans, Teil- und Tauschplattformen für Mode, Kleidertauschpartys: man muss nicht mehr unbedingt Mode kaufen, um sich neu einzukleiden. Negativ für die Wirtschaft und Arbeitsplätze, oder doch nicht? So pauschal kann man das nicht sagen. Das Thema ist noch zu jung, um breit erforscht zu sein. Eine Reparaturwerkstatt kann man beim Konsumenten (zum Beispiel in Europa) aufbauen – oder auch in einem Land in Asien, wenn man es zum Beispiel günstiger im großen Stil umsetzen möchte. Einmal würden in Europa Arbeitsplätze geschaffen, im zweiten Konzept in Asien. Wenn alle Europäer weniger ressourcenintensiv konsumieren würden, dann könnte das heißen, dass es weniger Fabrikjobs in der Modeindustrie gäbe. Aber vielleicht konsumieren sie ja höherwertig, was dann vielleicht arbeitsintensiver wäre. Und es muss ja auch nicht negativ sein, einen Job als Näherin zu verlieren, wenn er durch einen besseren ersetzt würde. Das hängt also auch davon ab, wie die Politik den Wandel gestaltet. Wer sollte deiner Meinung nach zuerst seine Einstellung verändern, damit sich „faire Mode“ im Mainstream durchsetzt: der Konsument, für den zumeist der Preis zählt. Oder die Markenindustrie, wo vielerorts Lohndumping bei der Produktion vorherrscht ? Beide gleichzeitig. Die Konsumentinnen müssen die fairen Produkte stärker nachfragen, sonst funktioniert der Wandel nicht. Und die Firmen müssen das faire Angebot ausweiten und besser vermarkten, sonst funktioniert es auch nicht. www.getchanged.net Fotos: www.bleed-clothing.com Interview: Helmut Wolf
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