Weniger Wachstum, mehr Wertebewusstsein. Edwin Faeh, 65, Branchenexperte im Bekleidungssektor und CEO von „Carhartt WIP“, über Digitalisierung, Globalisierung und Langlebigkeit in unserer schnelllebigen Zeit. Ein Interview! „Ich habe das Unternehmen nicht gegründet, um Gewinn zu machen, sondern um ein authentisches Produkt zu entwickeln, das gewinnbringend ist“ Hamilton Carhartt, 1889 Was kann man heute von einem 130 Jahre alten Unternehmen lernen? Eine ganze Menge. In erster Linie: seinem Ursprungsgedanken treu zu bleiben. Das hat nichts mit sturen Festhalten an Tradition zu tun. Eine starke „DNA“ bildet vielmehr jenes unternehmerische Fundament, auf dem sich aufbauen sowie Produkte und Lösungen weiterentwickeln und verbessern lassen. Die Kult-Marke Carhartt ist dafür ein gutes Beispiel. Im Jahr 1889 in den USA als Hersteller qualitätsvoller Arbeitskleidung gegründet, gilt die Marke Carhartt WIP (Work in Progress) in Europa seit vielen Jahren als authentische „Streetwear“. Auch dank kreativen Inputs der Musik- und Sportszene. Am Produkt nichts verändert, dennoch zeitlos-modern. „Wir verfügen über Produkte, die schon 50 Jahre und länger nicht verändert wurden“ sagt Edwin Faeh. Faeh gilt als Branchenprofi in der Bekleidungsindustrie und hat in Europa Mitte der 1990er-Jahre Carhartt WIP gegründet und zu einer zeitlos-modernen Marke geformt. Produkte, wie die legendäre Jacke „Carhartt Chore Coat“, gehen auf das Jahr 1917 zurück – und muten auch heute noch zeitgemäß und stilsicher an. Es scheint die Verknüpfung robuster Funktion und simpler Formgebung zu sein, die dieser ursprünglichen „Workwear“ eine gewisse Zeitlosigkeit verleiht. Es ist aber auch der hohe Qualitätsanspruch und die Verantwortung vor der Historie des Firmengründers Hamilton Carhartt, der man sich verpflichtet fühlt. „Firmengründer Hamilton Carhartt war nachhaltig, ohne diese heute so populäre Definition zu verwenden“, sagt der Carhartt WIP-CEO. „Sowohl bei der Produktion, als auch gegenüber Mitarbeitern und Kunden galt verantwortungsvolles Handeln von jeher als oberste Prämisse des Unternehmens“. Nachhaltigkeit ist Teil der DNA. Ein guter Grundstein, auf dem sich heute noch aufbauen und kreative, wie auch soziale und wirtschaftliche Ideen und Ansprüche verwirklichen lassen. Man könne die Philosophie der zeitlosen Carhartt WIP-Produkte durchaus auch mit einer klassischen Musikband oder einem Schriftsteller vergleichen, so Faeh: jeder weiß, wo der ursprüngliche Stil und die Charaktereigenschaft liegen - und diese schwingen über all die Jahre und neuen Kreationen stets mit und bestimmen den „Spirit“. Globalisierung, Rohstoffknappheit, Klimawandel... Wie in vielen Branchen, ist auch in der Bekleidungsbranche kein Stein am anderen geblieben. Der Online-Handel wird von den großen Playern bewusst vorangetrieben, eine Aktion jagt die andere, es beherrschen Hyperkonsum und Profit ohne Grenzen... Faeh beobachtet diese ressourcenverschwendende Entwicklung mit Skepsis: „Wir geben uns mit kleinen, aber stabilen Umsätzen zufrieden. Ich möchte den Kunden nicht „dominieren“. Ich hege auch keinen klassischen Wachstumsgedanken. Und: wenn es in manchen Zeiten weniger Wachstum gibt, dann ist es halt so. Man muss sich der Entwicklung anpassen.“ Online-Shopping und Digitalisierung, so Faeh, haben durchaus ihre Vorteile. Jedoch wird der Online-Einkauf nie das sinnlich-haptische Erlebnis oder das Gespräch mit Menschen in einem Shop ersetzen können. „Konsum ist für viele Menschen eine Ablenkung“, ist Edwin Faeh überzeugt. „Man holt sich immer ein kleines Glückgefühl.“ Aber da gibt es ein Umdenken, ein neues Bewusstsein: die Menschen essen weniger Fleisch, legen Wert auf biologische Produkte, wollen wissen wie Dinge gemacht werden und woher sie kommen. „Als nächstes kommt der Anti-Konsum“, glaubt der Branchenprofi. Faeh spricht sich in dem Zusammenhang für eine neue Wertekultur aus: „In Schulen und Bildungseinrichtungen braucht es eine Art Lebenskunde und Wertevermittlung: mehr Respekt und Akzeptanz des anderen, aber auch das Miteinander, statt das Gegeneinander - alles Aspekte, die unserer Gesellschaft, Wirtschaft und globalisierten Welt gut tun würden“.
Welchen Rat würde er jungen Menschen geben? Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung in der (Textil-)Wirtschaft und als Firmengründer einer angesehenen Modemarke. „Viele junge Leute wollen heute reich werden, viel Geld verdienen. Ich kann nur sagen: lasst die Großen groß sein. Großes belastet ganz schön.“ Gerade im kleinen, überschaubaren Umfeld lässt es sich meist glücklicher und zufrieden sein. „Warum nicht einen kleinen Sandwich-Laden in der Umgebung eröffnen?“. Im übrigen, so Faeh, sind „die Großen“ auch nicht so glücklich, wie es nach Außen hin oft erscheinen mag. „Man braucht aber auch Geduld, um ein Projekt oder eine Idee zu verwirklichen“, gibt Edwin Faeh zu bedenken. Auch wenn Internet und technische Tools & Apps rasende Entwicklung und kurze Zeitspannen versprechen. Alles braucht seine Zeit. Und Gutes währt lange. 130 Jahre Firmenhistorie sind der beste Beweis dafür... Web-Tipp: www.carhartt-wip.com Fotos: Kollektion F/S 2018 Text & Interview: Helmut Wolf
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