Dort Leben, wo Geld (fast) keine Rolle spielt? Eine Utopie? Für Benjamin Lesage und seine Frau Yazmin ist dieses Lebensmodell seit einigen Jahren Realität. In ihrem Projekt „Eotopia“ haben sie umgesetzt, was viele nicht glauben können... Zeit für ein neues Lebensmodell. „Die Hälfte der produzieren Waren wird weggeworfen“, sagt die gebürtige Mexikanerin Yazmin Lesage. „Irgendwann haben wir uns gesagt: Da läuft etwas schief“. Gemeinsam mit ihrem französischen Mann Benjamin Lesage war der Entschluss vor rund 3 Jahren eindeutig und klar definiert. Dieser lautete: „Es ist Zeit, um ein neues Lebensmodell zu entwerfen“. Ein Lebenskonzept, dass sich durch weniger Besitz, weniger Kosten, mehr Zeit, mehr Freiheit und mehr Nähe zur Natur auszeichnet. Also: Ein utopisches Lebensprojekt? Oder doch eine Vision, die sich schon konkret realisieren lassen würde? „Eotopia“. „Wir wollten unsere Energie nicht mehr dadurch verschwenden, ständig das „System“ zu kritisieren“, sagt Benjamin Lesage. Als Ziel galt es, eine dauerhafte Alternative zu entwickeln. Einen Ort und ein Umfeld zu schaffen, wo Menschen die Möglichkeit haben ein anderes Leben zu entdecken. Abseits von Hyperkonsum und verschwenderischen, ausbeuterischen Überfluss. Ein gesundes, naturnahes Leben sollte es sein, woGeld (fast) keine Rolle mehr spielt. Wogemeinsam Dinge entwickelt werden, gemeinsam gewohnt und gelebt wird. Der Name dieses Ortes sollte auch gleichzeitig Synonym für das Projekt sein: „Eotopia“... Die Utopie einer besseren Welt. Wo könnte dieses ökologische und ökonomische Experiment stattfinden? Rund zweieineinhalb Stunden von der französischen Stadt Lyon entfernt, hat Benjamin Lesage vor rund zwei Jahren einen passenden Ort gefunden. Ein etwa 3 Hektar großes Grundstück, mit einem alten Bauernhaus und genügend Ackerfläche zum Bewirtschaften von Obst und Gemüse. Ein Ort, wo die umweltfreundliche Permakultur und ein gemeinschaftliches Miteinander praktiziert wird. „Die Idee ist natürlich auch Wohnräume zu schaffen, die so umweltfreundlich wie möglich sind“, sagt Benjamin Lesage. Diese Häuser sollten in erster Linie aus gebrauchten Paletten, aus Lehm oder anderen Naturmaterialien gefertigt sein. Ein gutes Beispiel für ein nachhaltiges Zusammenleben. „Es gibt in Frankreich auch andere Ökodörfer. Der Unterschied hier ist: Die Eotopia-Bewohner essen Vegan und pflegen die Ökonomie des Teilens und Schenkens. Jeder kann das Geben, was er möchte. Jeder gibt das, was er kann. Ein gemeinschaftlich organisiertes Dorf, das ein gutes Beispiel für ein nachhaltiges Zusammenleben abgeben möchte. Ein experimentelles Projekt auf einem Gelände, dass nicht abgeschottet ist vom Rest der Welt, sondern offen für Interessierte und Freunde. Das kommt besonders deutlich zum Tragen bei Besuchern, die dieses Konzept begleiten. Immer wieder kommen Menschen aus der umliegenden Umgebung, bringen Sachen mit oder helfen beim Aufbau oder der Gartenarbeit. Ein Konzept, das begeistert und ansteckt. Alles ohne Geld. Nach seinem Studium begann Benjamin Lesage sein Leben radikal zu verändern. Er hatte 2010 begonnen ohne Geld zu leben. Er reiste per Anhalter durch Europa und Südamerika, versucht weggeworfene Lebensmittel zu essen. Alles ohne Geld. Sein Leitfaden: Auf Konsum - weitestgehend - zu verzichten. Er wollte ein Leben führen, abseits vom zerstörerischen Turbokapitalismus und überbordenden Konsum. In Mexico lernte er schließlich seine Frau Yazmin kennen. Auch sie spürte, dass Zeit für Veränderung in der Luft lag. Yazmin führte ein bodenständiges Leben, war in einem gut bezahlten Job tätig. Richtig glücklich war sie aber nicht. Kurzerhand entschloss sie sich den Job an den Nagel zu hängen – und Benjamin auf seiner Reise zu begleiten. Als sie schwanger wurde, war dies abermals eine große Veränderung – und ein Zeichen der Zeit. Als das Töchterchen vor 3 Jahren geboren wurde, rückte vieles in den Hintergrund. Es ging nicht mehr um die eigene, persönliche Utopie, sondern um die Zukunft und Verantwortung eines Kindes. „Es war mein großer Wunsch, dass meine Tochter in Frankreich in einem alternativen Umfeld aufwächst. Gleichzeitig aber auch (sozial) abgesichert ist“, sagt Yazmin. Wie passt dies zusammen: Eine Krankenversicherung und ein Lebensmodell, das größtenteils auf Geld verzichtet? „Wir wollen uns nicht ganz aus dem System herausnehmen, sondern unseren Beitrag zur Gesellschaft leisten“, sagt Yazmin. 350,- pro Monat benötigt die Familie etwa im Monat. Dieses Geld stammt aus der Familienbeihilfe und Sozialhilfe. Yazmin arbeitet selbstständig. Sie transkribiert Texte und gibt Musikunterricht, um ein wenig Taschengeld zu verdienen.
Ein alternatives Leben - ohne staatliche Hilfe nicht möglich? „Ich habe das Gefühl mit diesem Lebensprojekt mehr für die Gesellschaft zu tun als irgendeinen Job zu verrichten“, glaubt Benjamin. Er wäre am Liebsten ganz unabhängig von staatlicher Hilfe, aber das sei derzeit noch nicht möglich. „Jeder Mensch trägt ein Talent in sich“, sagt der Eotopia-Gründer. „Projekte, wie dieses ins Leben zu rufen, das ist halt mein Talent.“ Er möchte jedenfalls die Gesellschaft positiv verändern. Eine Gesellschaft, die auch in Zukunft seiner Familie und allen anderen Menschen Möglichkeiten und Chancen bieten kann. Eine Utopie? Ja, aber eine für die es sich lohnt jeden Tag aufs Neue Kraft aufzuwenden... Web-Tipp: www.eotopia.org Fotos: Hugo Passarello Luna (Titel), Le Parisien, Eotopia Quelle: Arte Text: Helmut Wolf
1 Comment
Oliver Roth
8/3/2019 08:01:10
Hallo Benjamin,
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