Modebewusstsein und Nachhaltigkeit - ein Widerspruch? Nein, erläutert Edwin Faeh, CEO der Streetwear-Marke Carhartt WIP und profunder Kenner der globalen Bekleidungsbranche. Ein Interview über verantwortungsvolles Wirtschaften und Kontinuität in der schnelllebigen Modebranche. Worauf sollte man als bewusster (Mode-)Konsument achten? Das „billig“ nicht nachhaltig und verantwortungsbewusst produziert werden kann, sollte jedem Konsumenten einleuchten. Wer etwas nachprüfen will, erfährt im Internet genügend Informationen zu jeder Marke und Firma. Dabei erfährt man auch einiges über den Produktionsstandort, sowie eingesetzte, nachhaltige Materialien. Meiner Meinung nach sollte jeder Modekonsument auch ein Gefühl dafür entwickeln, um billige Ramschware von qualitätsvoller Ware zu unterscheiden. Grundsätzlich kann man davon ausgehen: Marken, die schöne Ware produzieren entwickeln ein Eigeninteresse, um sauber und nachhaltig zu produzieren. Was bedeutet für dich „verantwortungsvolles Wirtschaften“ – in der Bekleidungsbranche und darüber hinaus? Für mich als Unternehmer bedeutet das Verantwortung zu übernehmen: gegenüber Mitarbeitern, Fabrikanten, Kunden - und nicht zuletzt gegenüber der Umwelt. Darüber hinaus führt das zu einer neuen Abteilung in jedem Betrieb, welche heute „CSR“ (Corporate Social Responsibility) heißt. In unserem Betrieb wird diese Abteilung laufend ausgebaut und gewinnt immer mehr an Bedeutung. Für mich persönlich heißt „verantwortungsvolles Wirtschaften“ nicht nur gewinnorientiert zu arbeiten. Ist Modebewusstsein und Nachhaltigkeit nicht ein Widerspruch, weil es permanenten, ressourcenintensiven Konsum suggeriert? Nein, denn der Mensch hat das Grundbedürfnis sich zu kleiden. Er braucht vor allem im Winter warme Kleider wie Jacken, Schuhe usw. Heute muss jede Marke/Firma in der Lage sein, Mode zu produzieren und trotzdem nachhaltig zu Arbeiten. Beispielsweise mit Baumwolle aus ökologischem Anbau: Fasern aus Holz, Tencel, oder auch aus recycelbaren Materialien. Ob teures Markenprodukt oder billige Mode vom Diskonter: bei beiden kann man sich nicht sicher sein im Bezug auf faire Sozialstandards und umweltgerechte Herstellungsprozesse... Es braucht hier noch mehr Vorschriften und Regeln vom Gesetzgeber, damit sich alle Marken/Fabrikanten an internationale Standards halten. Ich denke, dass heute jede verantwortungsvolle Marke nur noch mit jenen Fabriken zusammenarbeitet, die ein international anerkanntes Zertifikat aufweisen kann. Dieses garantiert, das auf allen Ebenen verantwortungsvoll gewirtschaftet und nachhaltig produziert wird. Nachhaltigkeit und Ethik haben auch im Modebereich an Bedeutung gewonnen. Wieder nur ein Marketing-Hype oder doch ein Paradigmenwechsel? Wir beginnen alles zu überdenken. Das reicht vom Ladenbau über die Logistik, zu den Produktionsstandorten bis hin zum Einsatz der Materialien etc. Ich stelle hier im Umfeld von Carhartt Work In Progress (WIP) eindeutig einen Wechsel fest... Second-Hand-Mode, Vintage-Chic, Online-Tauschplattformen – was hältst du von der zunehmenden Nachfrage nach gebrauchter Mode? Ich finde das super und enorm wichtig, um von unserer Wegwerfgesellschaft los zu lassen. Hier hilft auch wieder das Internet: alles, was wir nicht mehr brauchen, kann damit wieder an neue Besitzer weitergegeben werden. „Carhartt Work in Progress“ zeigt, dass es auch in der schnelllebigen Modebranche möglich ist, mit Kontinuität und Authentizität erfolgreich zu sein. Wie schafft man das? Carhartt Work In Progress (WIP) ist ja kein Modelabel, sondern eine klassische Workwear-Marke. Das heißt: jedes Jahr bleiben unsere Basic Styles in der Kollektion, ergänzt um modische Farben und Styles. Ebenso wichtig sind: ein moderner, klarer Marketingauftritt sowie eigene Shops, die als „Markenbotschafter“ fungieren. Wie ist die Idee entstanden, aus einer funktionellen Arbeitsbekleidung eine junge Streetwear- und Lifestyle-Marke - in erster Linie für Männer - zu kreieren? Die Idee entstand durch die Hip Hop-Szene in New York. Dort hat man schon Mitte der 80-er Jahre Arbeitsbekleidung getragen. Und zwar: weil sie nicht teuer ist, es alle Styles auch in großen Größen gibt und die Marke Carhartt außer Jeans und Western auch Kapuzensweater, Westen, Jacken, Overalls und auch Caps und Beanies anbietet. Die wenigen Carhartt-Produkte für Frauen sind auch eher maskulin. Gefällt dir das persönlich? Frauenprodukte von Carhartt WIP waren in der Vergangenheit ausschließlich Männerstyles, welche auf Frauenmaße hergestellt wurden. Mir persönlich gefällt das sehr gut. Leider waren wir mit dieser Idee vielleicht zu früh dran, um auch kommerziell Erfolg zu haben. Unsere Damenkollektionen sind aber seit zwei Saisonen mit femininen Schnitten ergänzt worden. Wie würdest du den Spirit von Carhartt WIP umschreiben? Der Geist von Carhartt WIP ist trotz seiner 25 Jahre - jung und unkompliziert. Dein liebstes Kleidungsstück? Mein liebstes Kleidungsstück ist der Carhartt „Chore Coat“: die originale Arbeiterjacke mit vier Taschen. Er wird auch Blazer der Arbeiter genannt... Web-Tipp: www.carhartt-wip.com Fotos: Kollektion F/S 2016 Interview: Helmut Wolf
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