Die letzten Fischer von Paros. „Lupimaris - Wölfe des Meeres“. Es sind die Letzten ihrer Zunft auf der Inselgruppe der griechischen Kykladen. Was können wir von ihnen lernen? Ganz schön viel, findet Fotograf Christian Stemper, der ihnen ein beeindruckendes, fotografisches Denkmal gesetzt hat... „Wenn ich kein Meer sehe, lebe ich nicht,“ erzählt Vaggelis Parousis. Der 70jährige Parousis ist seit Jahrzehnten Fischer in Aliki, einem kleinen Ort an der Südküste der griechischen Insel Paros. Seine Aussage umschreibt Triebfeder und Lebensgefühl der kleinstrukturierten Fischerei in der Ägäis: das Meer ist (war?) hier weit mehr als bloßer „Arbeitsbereich“ und effiziente Einnahmequelle. Mit dem Boot Entschleunigung finden. „Wenn ich Sorgen habe, gehe ich mit dem Boot raus, werfe sie über Bord und beginne wieder von vorne,“ erzählt Antonis Prekas aus Paros. Mit seinen 34 Jahren ist er etwas Jünger als die meisten anderen Fischerkollegen. Das Boot und das Meer bedeuten für ihn nicht nur Lebensgrundlage. Über die Wellen zu schippern und zu fischen ist auch ein Akt der Katharsis, irgendwo zwischen Menschfindung und Entschleunigung. Fischerei und Glauben sind nicht ohne Grund besonders auf den griechischen Inseln seit jeher eng miteinander verbunden. Highspeed-Internet und Holzboote. Was bedeutet es heute nach ursprünglicher Art zu Fischen - und zu Leben? In Zeiten von Highspeed-Internet, Prozessoptimierung und Humankapital? Wer sich ein wenig Zeit nimmt und genauer in die Gesichter der alten Fischer blickt, wird rasch erkennen: die traditionelle Fischerei ist eine gute Lebensschule. Sie lehrt einem: große Willenskraft, viel Wissen und ausreichend Geduld. Wer hat heute noch Geduld, wenn die Website sich nicht innerhalb von 3 Sekunden öffnet? Die Gesichter der Fischer und ihre farbenfrohen Holzboote erzählen viele Abenteuer und Lebensgeschichten. Spannende, lustige, traurige Geschichten. Man hört gerne, sie lassen einem träumen - und sie machen ein wenig nachdenklich. „Ich habe von meinem Großvater und von meinem Vater gelernt. Dieses Wissen geht verloren, da keiner nachkommt, um es weiterzugeben“ erzählt der 1940 geborene Fischer Thanasis Tantanis. Immer wenn er an Land kommt, fühlt er eine gewisse Leere: „Mein ganzes Leben ist im Meer“. „Dieses Boot ist meine Liebe,“ betont Petros Delentas aus dem Küstenstädtchen Piso Livadi. Die Fischer geben ihren Booten liebevolle Namen. Oft klingen die Bootsnamen wie von einer Geliebten: Evangelia-Stella, Ilias Maria, Annaki, Meropi, Coral... Sehr oft ist auch ein kleines Augenpaar an den typisch geformten Bug gemalt... Das ursprünglichste Fischerboot. Das auf Paros und im ganzen kykladischen Raum traditionelle Boot entstammt dem Modell „Trechantiri“. Es gilt als ursprünglichstes aller griechischen Bootstypen. Bereits im 17. Jahrhundert wurde es auf der Insel Hydra entwickelt. Die bekannte Insel war für ihre Schiffsbaukunst berühmt. Von dort aus verbreitete sich dieser Bootstyp in der gesamten Ägäis. Die farbenfrohen Holzboote sind heute bekannt unter dem Titel „Kaíki“. Die Größe eines Kaíkis reicht von 5 Meter Länge bis zu 15 Meter langen Schiffen, wobei die Rumpfform immer beibehalten bleibt. „Mein Fischerboot hat mich gerettet. Es war der Rettungsanker mit dem ich mein Leben aufbauen konnte.“ Was der alte Fischer Petros Delentas hier umschreibt, weißt auf einen besonderen Aspekt hin: mit dem Verschwinden der individuellen Fischerei in der Ägäis, geht auch eine „gesunde Form“ der (Fischerei-)Wirtschaft zu Ende. Im Einklang mit der Natur. Die letzten traditionellen Fischer auf der Insel Paros repräsentierten eine kleinstrukturierte Wirtschaftsform, die stets im Einklang mit Natur und Umwelt gestanden ist. Einer im Grunde heute wieder höchst modernen, zukunftsorientierten Auffassung von Ökonomie – Stichwort: Nachhaltigkeit. Das Erbe wieder beleben? Vielleicht wird das reichhaltige Erbe und Wissen der Fischerei auf den griechischen Kykladen gar wieder entdeckt und belebt? Vor kurzem hat sogar der renommierte Nachrichtensender CNN über die "Wölfe des Meeres" berichtet. Es gibt also doch einen Hoffnungsschimmer - wenn auch nur am Horizont des Meeres sichtbar... Der Fotograf & das Buch Seit 2010 fotografiert Christian „Ronnie“ Stemper auf der griechischen Insel Paros die letzten verbliebenen Individualfischer und ihre Boote. Aus diesen besonders eindrucksvollen Aufnahmen ist das Buch „Lupimaris“ entstanden. Die Fotodokumentation widmet sich der Geschichte, den Geschichten und den Gesichtern der griechischen Fischer und ihrer traditionellen, farbenfrohen Holzboote. Auch eine Videodokumentation ist im Entstehen. Der Fotoband „Lupimaris“ finanziert sich mithilfe der Crowdfunding-Plattform www.indiegogo.com. Die Crowdfunding-Kampagne läuft noch bis Anfang Juli 2015. www.lupimaris.com Titelfoto
Yannis Perantinos, geb. 1937, aus Piso Livadi/Paros Text: Helmut Wolf
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