Ein Leben. Mit Behinderung. Behutsam und mit visuellem Feingefühl hat Fotograf Leon Borensztein über 30 Jahre seine behinderte Tochter „Sharon“ im gleichnamigen Fotoessayband festgehalten. Ein Manifest der Menschlichkeit und Liebe. Jenen eine Stimme geben, die sonst ungehört bleiben. „Meine gesamte Karriere über hat mich das Bedürfnis angetrieben, denjenigen eine Stimme zu geben, die sonst ungehört und ungesehen bleiben“, erzählt US-Fotograf Leon Borensztein. Als alleinerziehender Vater hat er ein außergewöhnliches Projekt ins Leben gerufen, dass 30 Jahre andauern sollte: das Leben seiner behinderten Tochter Sharon fotografisch zu dokumentieren. „Gleich nach der Geburt hatte ich das Gefühl, dass mit ihr etwas nicht stimmte“, erzählt Leon Borensztein über seine Tochter Sharon. „Und langsam merkten meine Frau und ich, dass sie mit Behinderungen geboren worden war.“ Sie galt im rechtlichen Sinne als blind. Ihre Fein- und Grobmotorik war nicht entwickelt und sie hatte einen schwachen Muskeltonus. Dazu kamen Autismus-Symptome, Epilepsie und eine verzögerte Sprachentwicklung. „Habe sie fotografiert - und nicht mehr aufgehört“. „Schon vor ihrer Geburt fing ich an, meine Tochter zu fotografieren - und habe nie damit aufgehört.“ Über drei Jahrzehnte begleitet der außergewöhnliche Fotoessay das Leben eines Kindes, dass schöne und schwierige Momente erlebt, Momente des Entdeckens und der Verzweiflung spürt. Es empfindet Angst, Freude, Sehnsucht - Erwachsenwerden. Immer zeigt sich eine positive Perspektive, die in den kleinen Begebenheiten des Alltags zu Tage treten. Die ersten Schritte, ein Ausflug in der Natur, Zuhause mit der Katze... Begleitet werden die wunderschönen Schwarz-Weißaufnahmen von Tagebucheinträgen, die die Herausforderungen, grenzwertigen Situationen, aber auch die Momente des Glücks und der täglichen Grenzüberschreitung eines Vaters und sein Leben in Kalifornien mit einem behinderten Kind zeigen: die ersten Schritte, ein Ausflug in der Natur, beim Schwimmunterricht, Zuhause mit der Katze, Arztbesuche, verträumte Stunden am Strand... Ungeschönt, aber immer zärtlich und mit dem Blick des liebenden Vaters, drückt Borensztein den Auslöser der Kamera. Alles ist anders, alles wird anders. Was passiert mit Vater und Mutter, wenn die Diagnose des Kindes eine Behinderung aufweist? Was bedeutet das für die Familie, für jeden Einzelnen? Was verändert sich? Was gewinnt man? Während Leon Borensztein versucht das Beste aus der Situation zu machen, zieht sich seine Frau mehr und mehr zurück. Sie trinkt, nimmt Drogen. Als Sharon 12 Jahre alt ist, trennt sich das Paar. Bald darauf wird ihm das alleinige Sorgerecht übertragen. Von nun an lebt Sharon bei ihrem Vater. Höhen und Tiefen, immer für sie da... Leon Borensztein widmet nun sein ganzes Leben seiner Tochter. 30 Jahre lang. Er stellt die Karriere zurück, erlebt Höhen und Tiefen. Ist rund um die Uhr für sie da. Auch als die epileptischen Anfälle so häufig werden, dass sie kaum noch das Haus verlassen können. Auch als die Tochter als Autistin immer aggressiver ihm gegenüber wird. Auch in seinen dunkelsten Stunden, wenn ihn die Wut packt, nicht auf Sharon, sondern auf das Leben, das so unfair sein kann. „Ich muss diesen Schritt setzen...“ Als Sharon 30 Jahre alt ist beschließt Borensztein seine Tochter Sharon in eine betreute Einrichtung zu bringen. Auch wenn es ihn persönlich schmerzt, schreibt er an Freunde und Familie: „Ich habe drei Jahrzehnte meiner Tochter gewidmet, bin vollkommen erschöpft, mental und körperlich. Ich liebe sie, aber ich muss diesen Schritt setzen...“. Ja, gibt er offen zu, er freue sich auf den Luxus einmal wieder auszuschlafen, die Ruhe am Morgen, Momente nur für sich zu genießen... „Crowdfunding" für Buchprojekt. Anschließend zieht Leon Borensztein nach San Francisco und unterrichtet dort am „San Francisco Art Institute“. Er startet eine Crowdfunding-Kampagne für sein Buchprojekt. Die einjährige Arbeit daran ist schwierig für ihn: „Während ich Sharon's Bilder betrachte, kann ich meine Augen nicht von ihr lassen: wie schön sie ist und wie sehr ich sie vermisse. Sie erfüllt mein Herz mit Wärme. Aber dann schaue ich auf meine Tagebuch-Texte und mein Lächeln verwandelt sich in Kummer, erinnert mich an all die Dinge, die wir durchgemacht haben...“ „Du bist das schönste und wertvollste Geschenk...“. Dennoch: nach fast 30 Jahren Zusammenlebens mit seiner behinderten Tochter, und trotz, dass die nun fast 31jährige Sharon als Autistin noch mehr gesundheitliche Probleme bekommen hat, fast blind ist, bringen die einleitenden Worte des Fotobuches den Sinn solch eines Lebens auf den Punkt: „Sharon, du bist das schönste und wertvollste Geschenk das sich ein Vater nur wünschen kann“. Buch-Tipp: „Sharon“ Von Leon Borensztein 144 Seiten, Festeinband Erschienen bei: Kehrer Verlag Text: Helmut Wolf
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