Das Fairphone - Symbol einer nachhaltigen Wirtschaft? Tessa Wernink, Mitgründerin des ethischen Smartphone-Herstellers „Fairphone“, im Interview über Konfliktmineralien, faire Elektronik und den notwendigen Wandel in der Welt. Eine neue Beziehung zwischen Menschen und ihren Produkten schaffen. So lautet im Wesentlichen die Kernphilosophie des niederländischen Sozialunternehmens „Fairphone“. Mit dem „Fairphone 2“ (auf Android-Basis) gelang nun ein wichtiger Schritt in Richtung einer gerechteren Elektronik: dabei wurde in einen neuen Design-Ansatz investiert und ein von Grund auf modulares Telefon konzipiert. Langlebigkeit und Reparaturfreundlichkeit sind zwei wesentliche Elemente des Fairphones. Darüber hinaus wurde auch die Möglichkeit geschaffen gleichgesinnte (Unter-)Lieferanten auszuwählen und eine Beziehung mit diesen aufzubauen. Mit der Verwendung von Fairtrade-Gold ist das Sozialunternehmen der erste Smartphone-Hersteller weltweit mit Fairtrade-Lizenz. Vor kurzem hat das Fairphone für seine Leistungen in sozialen und ökologischen Fragen den UN-Award „Momentum for Change“ erhalten. Im nachfolgenden Gespräch erläutert Fairphone-Co-Gründerin Tessa Wernink, warum das Fundament für ein faires Produkt eine friedliche Welt ist und das Fairphone als Symbol des Wandels gilt. Liebe Tessa, wie sollte Wirtschaft in Zukunft aussehen? Beim Blick in die Zukunft ist es wichtig sich der generellen Aufgabe von Wirtschaft zu widmen. Was bedeutet Wirtschaft? Geht es um Selbstzweck und bloße Profitmaximierung oder um Vermehrung von Wohlstand, Ausgewogenheit und Zufriedenheit innerhalb der Gesellschaft? Und: welche Folgen hat unser Wirtschaftssystem auf unser Leben und die Umwelt? Als wir mit dem Projekt Fairphone 2010 begannen, wollten wir zu allererst auf Konfliktmineralien in der Elektronikindustrie aufmerksam machen. Schließlich werden mit Erträgen aus „blutigen“ Mineralien, die in den Handys verarbeitet werden, Kriege und Konflikte mitfinanziert. Unser Grundgedanke lautete deshalb: wenn wir ein fair produziertes Smartphone herstellen können, dann schaffen wir auch eine positive soziale Entwicklung: von der menschenwürdigen Beschaffung der Rohstoffe im Bergbau, über die Produktion bis hin zu Vertrieb und Lebenszyklus. Mensch und Umwelt sollen gleichermaßen davon profitieren. In diesem Sinne liegt die Grundidee des Fairphones auf einer Wirtschaftsform, die auf Verantwortung und Fairness gegenüber der Umwelt basiert. Wie lautet die Vision Eures Projekts? Wir wollen die Herangehensweise verändern, wie Produkte heute erzeugt werden. Unsere Vision ist es eine (Elektronik-)Industrie zu begründen, die ohne Ausbeutung von Menschen und Ressourcen auskommt. Man könnte auch sagen: wir streben eine Wirtschaft an, die Produkte auf „natürlichem Wege“ erzeugen kann. Das Fairphone fungiert hier sozusagen als Objekt und Symbol dieser Mission. Als wir erstmals in den Kongo reisten, wo viele Konfliktmineralien für die globale Handyproduktion gewonnen werden, sind uns viele veränderungswürdige Dinge aufgefallen. Ein wesentlicher Gedankenansatz war: es braucht mehr allgemeines Bewusstsein für faire Elektronikprodukte. Im Gegensatz zur „fairen Banane“ durchläuft das Smartphone jedoch einem hochkomplizierten Ablauf. Niemand durchblickt diesen langwierigen, komplizierten Prozess: die Menschen sehen nicht wer das Handy macht, woher die Bestandteile kommen, wie und von wem sie hergestellt werden. In diesem undurchsichtigen, intransparenten Umfeld passieren viele Ungereimtheiten. Gerade auch in einem Land wie dem Kongo, wo vielerorts Warlords, kriegerische Konflikte und Korruption regieren. Ich würde es so umschreiben: das Fundament für ein faires Produkt ist eine friedliche Welt. Das Fairphone kann hier als technisches Symbol und Statement für Frieden und Fairness in der Welt fungieren. Könnte die „feminine Perspektive“ in Wirtschaft und Technik für mehr Fairness und soziale Ausgewogenheit sorgen? Wenn soziale Aspekte als „feminine Herangehensweise“ gedeutet werden, dann gewinnen diese definitiv mehr an Terrain. Sowohl in der Wirtschaft als auch in gesellschaftlichen Angelegenheiten. Was ich beobachte, ist, dass der weltweite Boom sozialer Unternehmen - „Social Enterprices“ - sehr stark von Frauen und deren Denken geprägt ist. Wenn es darum geht neben unternehmerischen Aspekten auch sozialen Mehrwert zu schaffen, dann zeigt sich hier die weibliche Herangehensweise. Dies spiegelt sich auch in der zunehmend engeren Verknüpfung zwischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen. Wie beurteilst du die Entwicklung zur „Open Source-Kultur“ und dem Trend zum Teilen, Tauschen und Reparieren? Gerade die heranwachsende „Generation Smartphone“ wächst mit einer neuen Form der Teil- und Tauschkultur heran. Das Teilen und Tauschen von Ideen, Inhalten und Dienstleistungen gehört in den sozialen Medien einfach dazu. Parallel dazu ist auch das Bewusstsein für Umwelt und Klimawandel gestiegen. Das sehe ich bei meinen Kindern, die immer mehr hinterfragen. Dies zeigt sich aber auch beim ethischen Konsum und der erhöhten Nachfrage nach Bio- und Fairtrade-Produkten. Auch bei technische Dingen wächst das Bewusstsein. Warum kann ein Smartphone nicht cool und gleichzeitig fair und leicht reparierbar sein? Was ist das Ziel mit dem Fairphone? Wir wollen zeigen, dass Nachhaltigkeit und Fairness ein erfolgreiches Wirtschaftsmodell ist. Hier geht es nicht nur um Idealismus und Moral. Nachhaltigkeit in der Elektronikbranche ist der ideale Nährboden für positive Entwicklung und Innovation. In diesem fairen Wirtschaftskonzept spielt vor allem der Konsument eine entscheidende Rolle: der Konsument als Partner, mit dem gemeinsam das bestmögliche Produkt entwickelt wird. Wir wollen nicht jedes halbe Jahr ein neues Smartphone auf den Markt bringen, sondern einfache und unkomplizierte Software-Updates, Erweiterungen und Reparaturen ermöglichen. Es geht um einen besseren Alltag. Im Grunde ist das so wie bei einer Waschmaschine: ich möchte nicht jedes Jahr eine neue Waschmaschine kaufen, sondern eine die in den nächsten 10 Jahren gut funktioniert. Möchtest du mit dem Projekt Fairphone die Welt retten? Wir wollen die Welt und das Wirtschaftssystem verändern. Es gibt viele Produkte, die das Zeug zum Wandel haben. Technologie jedoch hat eine derart große Präsenz und Kraft in der Gesellschaft, um den Wandel voran zu treiben. Es ist definitiv Zeit zum Umdenken, und wir haben heute schon damit begonnen. Was ist dein Lebenskonzept? Lernen, Zuhören und der Glaube an den Wandel. Danke für das interessante Gespräch. Web-Tipp: www.fairphone.com Interview: Helmut Wolf
1 Comment
Antje Klocker
11/23/2021 22:08:04
Gratulation!
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