Ist Fußball nur ein Spiel? Oder doch viel mehr? Über die Förderung des Miteinanders und warum es beim Fußball keine sozialen und kulturellen Unterschiede gibt, ein Gespräch mit Markus Kraetschmer, Vorstand der FK Austria Wien AG. Wie würden sie die Faszination Fußball erklären? Ist es wirklich „nur ein Spiel“? Fußball ist in erster Linie eine Weltsportart. Das zeigt die Breitenwirkung über alle Länder und Jahreszeiten hinweg. Das Fußballspiel als Kernelement ist das eine. Die andere Seite ist die weitreichende soziale Komponente. Fußball strahlt in viele Bereiche des Lebens und die Gesellschaft. Wir versuchen Fähigkeiten und Kompetenzen der Spieler unseres Klubs heranreifen zu lassen, sie zu forcieren und weiter zu entwickeln. Beginnend mit den Kleinsten in der „U 7“ spielen hier 200 Kinder und Jugendliche aus 27(!) Nationen zusammen. Jugendliche aus Afghanistan, der Türkei, Bosnien, Israel, Australien usw. entwickeln einen Teamgeist, ohne an Nationalität, Herkunft oder Religion zu denken. Das ist das Faszinierende: dieses Miteinander, der Teamgedanke und das Credo: das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile. Das trifft das Wesen des Fußballs und unsere Kernphilosophie möglicherweise am Besten. Diese Aufgabe des Zusammenführens ist heute wichtiger denn je. Wir definieren in unserem Klub eine Form der sozialen Erziehung und Ausbildung für junge Spieler. Das ist ebenso wichtig, wie die spielerische Ausbildung. Der Umgang mit der anderen Hautfarbe, einer anderen Religion oder politischen Einstellung - und der Gedanke: nur als Team können wir erfolgreich sein und funktionieren. Das ist eine wichtige Lebensschule, die wir allen Spielern vermitteln. Es geht also auch um die Vermittlung von Werten... Wir haben in unserem Verein „fünf Punkte der Ehre“ als Leitbild definiert. Dieser Werte-Canon ist hier überall sichtbar: dabei geht es um Fairness, um Familie, die Pflege unserer über hundertjährigen Spielkultur usw. All dies versuchen wir in verschiedenster Art und Weise täglich zu leben: vom Spieler und Mitarbeiter über die U 7-Kinder bis hin zu den Profis, dem Platzwart und dem Reinigungspersonal. Beim Fußball scheint Globalisierung und Integration zu funktionieren. Ist es auch möglich „benachteiligte Bevölkerungsgruppen“ zu sozialisieren? Davon bin ich überzeugt. Wir sagen: es ist egal, woher du kommst, welche Hautfarbe, Herkunft oder Religion du hast, wenn du dich an gewisse Grundregeln und Werte hältst, bist du in der „Austria-Familie“ herzlich willkommen. Ebenso wichtig dabei ist die Ausbildung, vor allem jener der eigenen Spieler. Mit „Viola Fit“ wurde eine eigene, duale Ausbildungsschiene für die „Karriere danach“ entwickelt. Diese Ausbildungsform funktioniert sehr gut. Das heißt: wir arbeiten daran, dass man nicht nur im „Fußballtunnel“ verhaftet bleibt, sondern entwickeln weitreichende Perspektiven und Kompetenzen für die Zukunft. Stichwort: soziale Verantwortung und Vorbildfunktion. Was gibt man den Spielern hier mit? Unser Nachhaltigkeitskonzept ist uns sehr wichtig. Dies äußert sich in unterschiedlichsten CSR-(Corporate Social Responsibility)Projekten. Generell geht es um die Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft. Seit 2008 kooperieren wir beispielsweise mit dem österreichischen Behindertensportverband. Darüber engagieren wir uns in länderübergreifenden Initiativen. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der „Scort-Foundation“, mit Spitzenklubs wie Werder Bremen, Bayer Leverkusen, FC Basel und den Queens Park Rangers, bewährt sich seit Jahren. Dabei geht es darum Nachwuchstrainer in in Entwicklungsländer zu schicken, die vor Ort Lehrer ausbilden, um das erworbene Know-How an Kinder weiterzugeben. Bei dieser Initiative wurden bereits hunderte Trainer ausgebildet und über 10.000 Kinder erreicht. National sind wir in unterschiedlichsten Projekten aktiv, wir organisieren Trainings für Flüchtlingsgruppen, laden Flüchtlinge zu Spielen ins Stadion ein usw. Wir versuchen die Strahlkraft unserer Marke und des Fußballs zu nutzen, um Aufmerksamkeit für soziale Belange zu schaffen. Damit wollen wir unsere Werte reflektieren - sowohl nach außen, als auch nach innen. Es wird ein „nachhaltiges Stadion“ der Wiener Austria geben. Was ist das Besondere daran? Nachhaltigkeit ist für uns eine wichtige Säule. Wir sind der erste Klub in Österreich der einen Nachhaltigkeitsbericht gemacht hat. In diesem Zusammenhang haben wir – als Betreiber der Anlagen und des Stadions – auch nachhaltige Aspekte bei Bauprojekten miteinbezogen. Wir setzen uns intensiv mit Energieeffizienz und -–management auseinander. Bereits 2008 haben mit dem Bau der neuen Osttribüne eine Zisterne angelegt, wo wir das Regenwasser zur Bewässerung der Plätze sammeln. Das Besondere am neuen Stadionprojekt der „Generali Arena“ ist, dass wir jene 200 Nachhaltigkeitskriterien, welche von der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) definiert wurden, erfüllen wollen. Diese Standards umfassen sowohl ökologische als auch soziökologische und sozioökonomische Kriterien. Es wird ein Leuchtturmprojekt und wir werden das erste nachhaltige Stadion im deutschsprachigen Raum begründen. Unseres Wissens nach gibt es solch ein nachhaltiges Stadion nur in Istanbul. Beispielsweise werden wir dann aus der Photovoltaikanlage 95 % unseres Stromeigenbedarfs produzieren können. Warum ist ihnen persönlich das Thema Nachhaltigkeit so wichtig? Mir ist es ganz wichtig zu betonen: wenn wir uns als traditionsreicher Fußballklub dem Thema Nachhaltigkeit widmen, dann muss dies glaubhaft und konsequent umgesetzt werden. Auf allen Ebenen. Wir können mit unserer Infrastruktur, Organisation und unseren Bekanntheitsgrad mithelfen etwas zu bewegen. Und wenn wir sozial schwachen Gruppen nur ein paar schöne Stunden machen und ihnen Hoffnung geben, dann haben wir unser Ziel schon erreicht. Es ist wichtig der Öffentlichkeit zu zeigen, dass wir nicht nur am Papier schöne Worte formulieren oder aus Gewissensgründen Spenden überweisen, sondern tatsächlich Handeln und aktiv an den Herausforderungen der Gesellschaft mitwirken. Natürlich gibt es auch persönliche Gründe. Es geht um Werte wie Verantwortung und Toleranz, die mir meine Eltern mitgegeben haben. Als Familienvater einer achtjährigen Tochter sehe ich die Entwicklung des Klimas, der Umwelt und die vielen sozialen Spannungen mit großer Sorge. Hier gilt es mit zukunftsorientierten und verantwortungsvollen Taten entgegenzusteuern. „Violett ist mehr als eine Farbe“, lautet unser Leitspruch. So sieht sich unser Traditionsklub auch. Fußball bewegt Medien und Menschen, und wir versuchen hier bewusst Positives in Gang zu bringen. Optimismus und Begeisterung ist das Wesen des Fußballs. Dazu gehört natürlich auch danach das Streben, jedes Spiel mit einem positiven Ergebnis zu beenden. Motto: „1:0 für die Nachhaltigkeit“... Danke für das interessante Gespräch! Web-Tipps: www.fk-austria.at www.football-alliance.org Fotos: Football Club Social Alliance/Scort Foundation, FK Austria Wien Interview: Helmut Wolf
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