Patagonien. Synonym für Grenzenlosigkeit und ein Leben im Jetzt. Für „Weltenwanderer“ Gregor Sieböck, 41, ist dieser Teil Südamerikas ein Lebensgefühl der Einfachheit und Freiheit. Interview! „Wenn du in Eile bist, geh langsam“ Lebensweisheit aus Japan „Es gibt keine klaren Grenzen. Das war nach drei Stunden Diskussion klar“, lacht Gregor Sieböck. Es ist ein einnehmendes, lautes Lachen. Voller Lebensfreude und Energie. Der als „Weltenwanderer“ bekannte Oberösterreicher, erzählt eine seiner vielen Anekdoten aus dem „Herzensland“ Patagonien. Und dabei entstehen beim Zuhörer gleich stimmungsvolle Bilder im Kopf: Er war in den chilenischen Küstenurwäldern unterwegs. Drei Wochen Dauerregen. Am Ende eines einsamen Fjordes traft er schließlich auf den Bauern Huaso Gonzalez. Der lud ihn in seine Estancia. Es wurde eine Woche Aufenthalt. Und irgendwann stellte Sieböck die Frage: wo genau fängt Patagonien an, und wo hört es auf? Der Bauer konnte es nicht genau sagen... Nicht nur ein Land, sondern ein Lebensgefühl. Die Frage nach der Grenze Patagoniens, ließ den chilenischen Bauern nicht los. Er schaltete sein Funkgerät an und nahm Kontakt auf mit verschiedensten Menschen in Argentinien und Chile. Es entspann sich eine Diskussion. Zeitweise schaltete sich sogar ein Pilot via Funk im Flugzeug ein. Nach drei Stunden Diskussion war klar: es gibt keine eindeutigen Abgrenzungen für Patagonien. Und wenn es keine genau, festgelegte Abgrenzung gibt, so die Erkenntnis von Gregor Sieböck, „dann ist Patagonien nicht nur ein Land, sondern eine Art Lebensgefühl. Ein Lebensgefühl der Freiheit, der so wie der stetige Wind dieser Region, keine Grenzen kennt... Die Welt zu Fuß erleben. Und damit ein Zeichen für die Einfachheit und „Essenz“ des Lebens zu setzen. Dieses Lebenskonzept gilt seit vielen Jahren als Triebfeder des (Welten-)Wanderers und Geschichtenerzählers Gergor Sieböck. Drei Jahre war er zu Fuß unterwegs: Von Österreich über Südamerika, die USA nach Japan und Neuseeland. 15.000 Kilometer Wegstrecke. Angetrieben von der Vision eines umweltbewussten Lebens im Einklang mit der Natur. Die einsamen Weiten und die Wildnis Patagonies haben es ihm dabei besonders angetan. Seither ist er immer wieder zurückgekehrt. Patagonien ist zu seiner „Seelenheimat“ geworden. Warum? Patagonien. Eines der letzten, großen Wildnisgebiete der Erde. Gleich zwei international bekannte Nationalparks findet man hier: der „Nationalpark Torres del Paine“ in Chile und der Nationalpark „Los Glaciares“ auf argentinischer Seite. Im Westen der chilenischen Südspitze Patagoniens liegt die größte zusammenhängende Eismasse außerhalb der beiden Pole und Grönlands. Zu Patagonien gehören auch die südlichen Ausläufer der Anden, sowie die vorgelagerte Inselregion Feuerland. Schier unendliche Landschaften aus frei fließenden Flüssen, weitläufigen Seen, Bergen, beeindruckenden Gletschern und (Ur-)Wäldern. Eine intakte Naturvielfalt, die es gilt zu schützen. Was in Patagonien auch passiert, wie Sieböck betont. Wissenschaftler, Anwälte und Kirche setzen sich für Umweltschutz ein. „80 % der jungen Menschen unter 30 sind gegen den Bau von Staudämmen. Sogar die Gauchos in Chile sind zum Gouverneur geritten, um sich gegen Mega-Staudammprojekte einsetzen“, erzählt der Weltenwanderer. „Sie haben alle Zeit“, betont Sieböck. Wenn er über die Gauchos oder Huasos, wie die Viehhirten in Argentinien und Chile genannt werden, spricht, klingt auch eine gewisse Faszination mit. „Wenn du einen Viehhirten triffst, dann stoppt er seine Arbeit. Er serviert dem Gast Mate-Tee. Und zwar so lange, bis der Gast Danke sagt“, lacht der Patagonia-Liebhaber: „Europäer haben die Angewohnheit sofort Danke zu sagen. Vielleicht aus einem anderen Zeitverständnis.“ Er dagegen dagegen habe oft stundenlang mit Viehhirten Mate-Tee getrunken. Ohne dass Zeit eine Rolle gespielt hätte. „Um Patagonien zu verstehen, gilt es auch die Unendlichkeit zu verstehen“, klingt sein Nachsatz philosophisch. „Ich lebe im Jetzt“. Lässt sich das Lebensgefühl Patagoniens auf den mitteleuropäischen Alltag übertragen? „Ja natürlich“, antwortet Gregor Sieböck ohne zu zögern. Und da gibt es für ihn einige Elemente, die sich im modernen Alltag als Gewinn und Bereicherung erweisen können. Zum einen: das Leben im Jetzt. „Ich lebe im Jetzt. Der wichtigste Mensch bist du. Alles andere ist ein Illusion“, blickt Sieböck dem Interviewer tief in die Augen. „Lifestyle á la Patagonia“, das sei für ihn auch, sich bewusst Zeit zu nehmen – und runter vom Gas zu gehen: „In der Langsamkeit fängst du an zu hören. Nicht in der Geschwindigkeit“. Die Digitalisierung sei für ihn da kein Widerspruch. „Soziale Medien sind genial, um mit Menschen verbunden zu bleiben. Ich habe im Zug vorher meditiert - und dann fünf Minuten meine Facebook-News gecheckt...“. Der reduzierte Lebensstil Patagoniens spiegelt sich für Sieböck auf unterschiedlichen Ebenen - beispielsweise beim Wohnen. „Ich lebe die Essenz“, sagt der gebürtige Oberösterreicher. Das Essenz, das ist für ihn das Wesentliche. In seinem Heimatbundes-land wohnt er nunmehr auf 26 m2. „Alles 100 % ökologisch und selbst finanziert!“, wie er betont. Diese Dankbarkeit, dass alles im Leben ein Geschenk, nichts selbst-verständlich, ist, hat ihn dieses grenzenlose Land immer wieder aufs Neue gezeigt. „Der Schlüssel zur Fülle ist die Dankbarkeit“, ist er überzeugt. Genau so wichtig sei es, sich seinen Ängsten zu stellen. „Wer dem Virus Angst verfällt, wird manipulierbar“. Er habe deshalb auch den Tod in sein Leben integriert: „Ich habe akzeptiert, dass ich sterben werde. Aus dieser Erkenntnis heraus zeigt sich das tägliche Leben als Riesenschatz.“ Dankbarkeit, Weniger ist mehr, zu Fuß unterwegs sein, um auf den Umweltschutz aufmerksam zu machen... Liegen dieser Lebensphilosophie persönliche Gründe zu Fuße? „Dieses Lebenskonzept hat sich entwickelt“, sagt Sieböck. Beeinflusst hat ihm dabei sicher sein Großvater. Dieser wurde im 2. Weltkrieg in eine Armee eingezogen, mit der er sich nicht identifizieren konnte und der sich am Ende der Stille, der bewussten Ernährung – und dem Gehen zugewendet hat. Aber auch seine Mutter, die als Krankenschwester viele Menschen Sterben gesehen hat, und die oft mit der Aussage konfrontiert war: was würde ich noch tun, wenn ich noch einmal leben könnte? „So bin ich Reisender und Entdecker geworden. Einer, der im Hier und Jetzt lebt“. Alles mit allem verbunden. „Was habe ich daraus gelernt?“, hat sich Gregor Sieböck gefragt, als er mit Auszeichnung ein Wirtschaftsstudium in Wien, Oxford und Havanna abgeschlossen hat. Er konnte es nicht beantworten. Klar war für ihn nur, dass das Mantra nach Profitmaximierung und ständigen Wirtschaftswachstum nicht zielführend sein kann. Dennoch ist er über diese Erkenntnis dankbar, weil sie ihm gezeigt hat, wie es nicht funktioniert. „Ich habe die Vision nichts generell abzulehnen“, sagt er. „Alles ist mit allem verbunden. Und wenn ich dagegen ankämpfe, kämpfe ich im Grunde gegen mich. Das kostet Energie, die ich lieber für andere Dinge aufwende“.
Gibt es etwas, was ihm besonders am Herzen liegt? Da gibt es einiges, schmunzelt Gregor Sieböck. Und es sprudelt nur so ihm heraus: Habe Mut zur Veränderung. Entscheide nach dem Herzen. Wenn du etwas nimmst, musst du es wieder zurückgeben. Jeder, der sich selbst liebt, kann die Erde nicht zerstören. Sei immer bereit neue Wahrheit anzunehmen... Man könnte seinen Ermutigungen noch stundenlang zuhören. Was er auch in vielen Vorträgen, Büchern, Seminaren und Dokumentarfilmen immer wieder unter Beweis stellt. Eine wichtige Quelle seiner ansteckenden Begeisterung liegt in Patagonien. Dort, im Süden Argentiniens und Chiles, zieht es ihn schon bald wieder hin. Und spätestens, wenn er wieder an einem stillen See steht oder durch unberührte Landschaften wandert, wird in ihm das Lebensgefühl der Freiheit aufs Neue erwachen. Und dabei er kann sich auch der interessanten Frage seines (Wander-)Freundes Martin Weber widmen: „Spürst du es oder hast du es gelesen?“ Eine Antwort hat er jedenfalls schon für sich gefunden: „Ich bin frei“. Web-Tipp: www.globalchange.at Fotos: Gregor Sieböck Text & Interview: Helmut Wolf
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