Viel Geld. Viel Druck. Burn-Out. Neustart. Der Lebenslauf von Thomas Schmierer, 50, zeigt vor allem eines auf: Es muss oft erst etwas passieren, damit positive Veränderung eintritt. Ein mut-machendes Porträt... „Jeden kann es treffen krank zu werden“, sagt Thomas Schmierer mit ruhiger Stimme. Seine Ärzte hatten ihm damals schon lange geraten vom Gas runter zu steigen, mehr zu schlafen, auf sich zu achten. Aber darauf hat er nicht gehört. Auch nicht auf die deutlichen Zeichen seines Körpers. „Ich wollte die (Bank-)Filiale auf das doppelte ausbauen. Habe eine Riesenstraßenfest mit 1.000 Leuten organisiert. War ständig unterwegs, um neue Geschäfte anzubahnen.“ Zu kurz gekommen sind dabei: sein Privatleben, seine damalige Beziehung (die schließlich in die Brüche gegangen ist). Und man Ende: hat sein Körper nicht mehr mitgespielt... „Meine Seele hat mich zurückgezogen“, sagt der im oberösterreichischen Braunau geborene heute mit ein paar Jahren Abstand. Geholfen habe ihm dabei aber auch seine Mutter, die hunderte Pizzaschachteln aus der Wohnung geräumt hat, als er nicht mehr rausgekommen ist. Als er nicht mehr fähig war aufzustehen. „Ich konnte einfach nicht mehr“, sagt Schmierer. Am Ende stand: Burn-Out, manische Depression - Verlust des gesamten Vermögens... „Immer mehr Geld verdienen zu müssen, darauf sind wir heute alle gebrieft“, sagt Schmierer. Er habe bei der Bank gut verdient, war sehr wohlhabend. Nach dem „Zusammenbruch“ sei es ein schwieriger Prozess gewesen zu lernen, mit viel weniger Geld zu leben. Aber: seine Sichtweise auf Werte und Status habe sich danach diametral verändert. „Ich habe diese Gier auf immer mehr verloren“, sagt der ehemalige Banker. Sein Lebensprinzip lautet heute: „Es muss sich ausgehen“ – für Miete, Lebensmittel, kleine Reisen, hie und da für einen Drink mit seiner Lebenspartnerin. „Das Problem sei, so Schmierer, dass die Menschen mit aller Gewalt einen gewissen Lebensstandard erhalten wollen: Neues Auto, neues Handy, ein großer Fernseher... Dabei gehen viel über ihre Schmerzgrenzen hinaus – mit weitreichenden Folgen. Das Beste was mir passieren konnte, war die Krankheit. Das hat mein Leben total umgekrempelt – und meine Sichtweise erweitert“, lacht er heute. Und zeigt, oder vielmehr zählt auf, wieviel Lebenskraft sinnstiftende Tätigkeiten geben können: Er malt, hat zwei Bücher mit Gedichten geschrieben, spielt Theater, betreut eine Website, macht Hundesitting, betreibt Gartenpflege – und hat eine Info-Plattform für Menschen mit seelischen Problemen gegründet. Zur Zeit schreibt er an einen amüsanten Schneckenbuch... „Ich habe mir ein Auffang-Netzwerk aufgebaut“, umschreibt Schmierer dieses Auffangnetz. Seine vielseitigen Tätigkeiten fangen ihn dabei immer wieder auf, ebenso wie eine Reihe von „Professionisten“ und Freunde. „Du bist erst wer, wenn du viel Materielles angesammelt hast“, so werde es heute vielen Menschen suggeriert, sagt der in Wien lebende „Tausendsassa“. Aber: das sei ein Trugschluss. „Es sind die kleinen Dinge, die wirklich zufrieden machen“, sagt Schmierer. Und zeigt auf sein gepflegt aussehendes Sakko, das bereits 15 Jahre alt ist. Nachhaltigkeit im Kleinen, das sei für ihn das wichtigste: Keine Plastiksackerln/-tüten, mehr Öffis nutzen, bewusst leben, Freunden helfen... All diese Puzzlesteine machen einen Menschen, ja das mache die Welt aus. Unseren Kindern die Welt in einem guten Zustand hinterlassen, das sei der Sinn des Lebens.
Viele Menschen fühlen sich heute in ihrem Hamsterrad gefangen. Manche am Limit, manche über dem Limit. Was würden er diesen raten? „Die Reißleine ziehen! Regelmäßige Waldspaziergänge, Auszeiten, Urlaub nehmen. Notfalls zum Psychotherapeuten zu gehen, im Internet entsprechende Institutionen suchen. Und ganz wichtig - sich zu sagen: „Jeder ist ersetzbar“. Man sei nur ein kleines Rädchen im System, sagt Schmierer. „Ich hatte früher das Gefühl, meine Bankfiliale wird ohne mich nicht überleben“. Wenn man diesen Druck rausnimmt, ist schon vieles gewonnen. Wichtig sei auch ein positiver Lebensstil, der zum Seelenheil und zur Zufriedenheit beiträgt. „Wenn du Menschen begegnest, dann fragen sie dich oft: „Wie heißt du und was machst du?“, sagt Schmierer. Arbeit und Besitz werden hier als Maßstäbe angelegt. „Ich finde aber, es sollte heißen: Wie heißt du und „wer“ bist du - als Person, als Mensch? Wie siehst du die Welt und was trägst du dazu bei, damit diese Welt besser wird?!“. Mit seinem heutigen Leben möchte er jedenfalls aufzeigen, wie man aus einer Krise positive Energie schöpfen kann. Veränderung ist so einfach, sagt Schmierer. Man muss den Schritt einfach nur gehen... Web-Tipps: www.thomas-schmierer-etgenesis.at http://www.alpha-genesis-project.info www.band.at Interview & Text: Helmut Wolf
4 Comments
3/14/2019 22:26:43
Vielen Dank für das tolle Gespräch und den Artikel...
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3/18/2019 21:59:53
Lebenskuenstler koennen anpassen auch wenn es enger wird. Lebenskuenstler arbeiten mit Kreativitaet, Gelassenheit und Zufriedenheit. Ich recherchiere und schreibe darueber. Ihr Artikel passt 100% - werde ihn aufnehmen - danke! Zusammenfassung: https://www.springer.com/de/book/9783658099145.
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Schön geschrieben. Heutzutage gibt es kaum noch jemanden, der nicht einen Bekannten oder Verwandten hat, der an Burnout leidet. Die wenigsten lernen für sich selbst etwas daraus. Sich immer wieder klarzumachen, dass man ersetzbar ist will keiner hören bis es oft zu spät ist. Es ist wichtig sich ein privates Umfeld zu schaffen in dem man auch nach dem Job leben möchte. Prioritäten neu setzen und für sich selber mehr rauszuholen vom Leben.
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Honorata
4/29/2019 11:50:25
Ich erkenne so viel von mir wieder. Depressive Menschen leiden nicht nur an der Krankheit selbst, sondern haben auch schreckliche Schuldgefühle wegen derselben. Am Schlimmsten ist aber die Stigmatisierung der Gesellschaft, die behauptet man ist nicht stressresistent genug. Ich sage bullshit: was wir umgekehrt für den Menschen gemacht damit er nicht erst in diese Lange kommt? Stichwort: Prrsonalkürzung bei gleichzeitiger Gewinnoptimierung, 12-Stunden-Tag, überlaufenen Kassenärzte die keine Zeit für den Patienten haben...etc.
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