Vom Flüchtling (und Schulabbrecher) zum internationalen Unternehmer. Ali Mahlodji, 36, im Iran geboren, in Österreich aufgewachsen, hat vieles erlebt, viele Hürden überwunden - und immer seine positive Lebenseinstellung behalten. Ein Porträt! Bauarbeiter, Apothekenhelfer, Kassierer, Kundenberater, Lehrer, Putzmann, Taxifahrer, Verkäufer, Projektmanager, Systemadministrator, Management Consultant, Straßenverkehrs-zähler, Botenfahrer, Maurer, Fastfood-Koch, Zeitungsausträger, Start-up-Gründer usw. Die Liste der Job-Tätigkeiten ist lange. Über vierzig verschiedene Jobs „probierte“ Ali Mahlodji im Laufe seines bisherigen Lebens aus. Bereut hat er keine einzige Erfahrung. Egal, wie mühsam oder aus Sicht der Gesellschaft „niedrig“ die Arbeit angesiedelt war. Denn, so seine Erkenntnis: Die Perspektive einen Job langweilig zu finden, gibt es für ihn nicht. Ebenso wenig die Einstellung, sich während der Arbeit schon auf die Freizeit zu freuen und die Arbeitszeit nicht zu „genießen“... „Wenn wir auf die Welt kommen“, haben wir absolut keine Ahnung, was wir dürfen und was nicht – und was „normal“ ist und was nicht“, schreibt Ali Mahlodji in seinem lesenswerten Buch „Und was machst du so?“. Erst durch die Interaktion mit anderen Menschen, so Mahlodji, begreifen wir nach und nach, wie die Welt ist und wie sie in den Augen der Gesellschaft sein sollte. Und „Interaktionen“, Vorbehalte und Erwartungshaltungen gab es viele, die er meistern musste: im Iran geboren, in einem österreichischen Flüchtlingsheim aufgewachsen, nach Trennung der Eltern Sprachlosigkeit bzw. Stottern, Abitur/Matura geschmissen - Vorname Ali, Nachname unaussprechlich, Flüchtling, Ausländer... „Als ich zehn Jahre alt war, waren wir als Familie bereits dreizehn Mal umgezogen. Aber erst bei der letzten Wohnung in dieser langen Reihe befand sich die Toilette nicht auf dem Hausflur“, umschreibt Mahlodji die vielen „Herausforderungen“, die geflüchteten Menschen als Alltag erscheinen. „Kommt man als Flüchtling in ein Land, kann es schon sein, dass die ersten Wohnungen wie „Löcher“ wirken – was sie auch sind. Und doch sind diese „Löcher“ immer noch besser als nichts...“. Es ist alles im Leben eine Frage der Perspektive. Zwei Möbelstücke - Symbole der Selbstständigkeit. Kurz bevor der kleine Ali in die Schule kam, schenkten ihm seine Eltern zu seinem sechsten Geburtstag einen wunderschönen, kleinen Schreibtisch mit einem Holzhocker. Beides hatte die Familie dank der Caritas aus zweiter Hand erhalten. Bereits im Alter von sechs Jahren war ihm dieser Ort, dieser Bereich aus Schreibtisch und Hocker wichtig: „Ich liebte diese zwei Möbelstücke wie verrückt. Nun hatte ich zum ersten Mal meinen eigenen Platz, um zu schalten und zu walten.“ Dass das Bedürfnis nach Selbständigkeit der rote Faden seines Lebens sein sollte, spürten seine Eltern schon damals... Baum statt „Baaam“ - „Schöner“ Deutsch sprechen. „Da ich zum Glück ganz regulär in die Schule gehen durfte, lernte ich die deutsche Sprache sehr schnell - und sprach bald „schöner“ Deutsch als alle österreichischen Kinder“, so Mahlodji. Schöner Deutsch sprechen, das war im Arbeiterbezirk Simmering - einem wahren Hotspot des Wiener Dialekts - schon etwas Besonderes. Als er zehn Jahre alt war, verkündete seine Lehrerin ganz stolz vor der Klasse, dass er das einzige Kind sei, der das Wort „Baum“ richtig schön und hochdeutsch aussprechen könne. Denn in Simmering wurde das Wort Baum damals üblicherweise flapsig als „Baaam“ ausgesprochen. Rausgehen und ausprobieren. Seine Eltern gaben ihm den Rat: „Wenn du wissen willst, was da draußen in der Welt wirklich vor sich geht und welche Möglichkeiten dir offenstehen, dann geht das nur, wenn du dich in Bewegung setzt, da rausgehst und es für dich selbst ausprobierst.“ Und so kam es, dass Ali Mahlodji recht früh begonnen hat, in seiner Freizeit „raus zu gehen“, um zu arbeiten: In den Sommerferien arbeitete er auf Baustellen, in den Winterferien bei einer Fastfoodkette. An den schulfreien Samstagen jobbte er im Supermarkt - am Sonntag in einem Kino. Was willst du einmal machen? „Zwar hatte mich niemand gefragt, wer meine Eltern sein sollen oder wo ich aufwachsen möchte, aber plötzlich wollte jeder (Lehrer) von mir als 14jährigen wissen: „Wo siehst du dich in 15 Jahren?“, blickt Mahlodji mit einer gewissen Ironie zurück. Er „löcherte“ seine Lehrer: ob sie denn eine Liste aller Jobmöglichkeiten auf der Welt hätten, damit er daraus auswählen könne? Natürlich erntete er mit seiner Bitte nicht viel mehr als ein müdes Lächeln. Da kam er auf die Idee mit den Freundschaftsbüchern. In der Schule besaßen schließlich fast alle Kinder Freundschaftsbücher, auch Poesiealbum genannt. „Ich konnte nur gewinnen“. Nachdem er die HTL („Höhere Technische Lehranstalt“) geschmissen hatte, machte er sich seine Situation als junger Erwachsener bewusst: „Ich habe zwei gesunde Hände, spreche gut Deutsch, habe keine Kinder und keine Schulden bei der Bank. Ich stand komplett mit dem Rücken zur Wand, hatte aber nichts zu verlieren – und genau deshalb konnte ich nur gewinnen.“ Nach dem er sich vom Schulstress „entledigt“ hatte fiel ihm sogleich wieder die Idee der Liste bzw. des Freundschaftsbuches der Jobmöglichkeiten ein. Der Stein begann ins Rollen... Die Idee des „Handbuchs der Lebensgeschichten“ war geboren: Alle berufstätigen Menschen weltweit sollten sich zehn Minuten Zeit nehmen und in einem Freundschaftsbuch Fragen ausfüllen. Doch anstatt einzutragen, wer ihr Lieblingsmusiker ist, würden sie Fragen zu ihrem Leben, ihrem Karriereverlauf, ihrem Job, ihren Hoffnungen, Träumen und Ratschlägen beantworten. Alle mussten unbedingt dieselben Fragen bekommen – wie in den „echten“ Freundschafts- büchern. Mahlodji: „Ich wollte beweisen, dass alle Menschen auf einer ganz grundlegenden Ebene gleich sind: Alle müssen sich mit denselben Lebensfragen herumschlagen – unabhängig davon, wer sie sind und woher sie kommen“. „Ja, ich war bereit, die Welt zu retten. Und manchmal reicht es schon, die Welt einer Person zu retten, um die Zukunft besser zu machen,“ schreibt Autor Ali Mahlodji. Es sollten noch einige Jahre vergehen und viele Hürden, Jobs und skeptische Meinungen überwunden werden („Schöne Idee, lieber Ali, aber leider vollkommen unrealistisch“). 2012 gründete er schließlich das Start-Up „whatchado“. Eine Internet-Videoplattform, auf der Menschen von ihrem Leben, ihrer Karriere und ihren Träumen erzählen. Ziel der Plattform ist es: Mut und Perspektiven zu schaffen. Tausende Menschen geben dort mittlerweile Einblick in ihren Beruf und in ihr Leben. Es gibt viele Erkenntnisse, die Ali Mahlodji in seinem ereignisreichen Lebenslauf gewonnen hat. Eine Erkenntnis hat einen besonderen Eindruck bei ihm interlassen. Nämlich jene Worte von Steve Jobs, die er nach seinem Rausschmiss bei Apple einmal gewählt hat: Wir machen uns zu wenig klar, dass alles, was uns auf der Welt umgibt, von Menschen gebaut wurde, die auch nicht besser oder smarter sind als wir. „Wer dies einmal verstanden hat, ist nicht mehr derselbe“, sagt Mahlodji. Jeder Mensch ist besonders, jeder Mensch hat eine Fähigkeit, jeder Mensch hat Chancen. Erkenntnisse, die einem im Zuge des Lebenslaufs von Ali Mahlodji in den Sinn kommen... Buch-Tipp: „Und was machst du so?“ Von: Ali Mahlodji Umfang: 320 Seiten Erschienen bei: Econ/Ullstein Fotos: whatchado, Florian Auer, Martina Draper Text: Helmut Wolf
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