„Wahrer Wohlstand“. Für einen einen neuen Rhythmus zwischen Arbeit, Konsum und Alltagsleben plädiert US-Soziologin Juliet B. Schor in ihrem neuen, lesenswerten Buch. „Wir sollten maximal vier Tage Erwerbsarbeit leisten – das macht nicht nur zufriedener, es reduziert obendrein Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung“, erklärt Juliet B. Schor. In ihrem spannenden Buch „Wahrer Wohlstand“ entwickelt die Professorin der Soziologie am Boston College eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsvision: diese pocht auf einen anderen Rhythmus für Arbeit, Konsum und Alltagsleben, ohne dabei auf irgendetwas zu verzichten. Schor nennt den zukunftsweisenden Weg: „Plenitude“, was soviel heißt wie Vielfalt und Fülle. Gewonnene Zeit nutzen. Für Schor, Expertin für Arbeitsökonomie und Konsumverhalten, ist der bisherige Weg keine Option mehr: „Seit Jahrzehnten wenden wir immer Zeit und Geld für den Markt auf. Wir arbeiten immer länger, gehen in der Freizeit Aktivitäten nach, die immer mehr unserer Einkommen erfordern. Wir kaufen und konsumieren Dinge, anstatt sie selbst anzufertigen und zu produzieren. Es ist Zeit diesen Trend umzukehren“. Konkret fordert sie: Arbeitszeiten verkürzen und die gewonnene Zeit nutzen, um Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Eigenanbau von Lebensmitteln, Bauen, Tauschen... Schon jetzt wird Millionen von Menschen ein verändertes Verhältnis von Zeit und Geld aufgezwungen, so Schor. Einerseits durch Arbeitslosigkeit, andererseits durch Einkommensverlusten. Diese Gruppe von Menschen, so ihr Vorschlag, solle sich abwenden von der „Business as Usual“-Wirtschaft und dem - bereits existierenden - Nachhaltigkeitssektor zuwenden. Bereiche wie: der Eigenanbau von Lebensmitteln, Bauen und Renovieren von Wohnraum, aber auch kommunale Initiativen wie Tauschringe und Einkaufsgemeinschaften sind lohnenswerte Optionen zur Gestaltung des Lebens. Fabelhafte Kleidung, geruhsame Art des Reisens... Der Weg zu einem umweltverträglichen Leben bedeute aber nicht den Konsum zurückzufahren, ist sich Ökonomin Schor sicher. Der „Plenitude-Konsument“ sei vielmehr ein bewusster Konsument, der sein Leben auch in materieller Hinsicht reichhaltig gestalten will. Nachhaltig zu leben bedeute zwar sich von Benzinfressern, ausufernder Wohnfläche und in Flaschen abgefüllten Wasser zu verabschieden. Bedeutet aber andererseits uns an fabelhafter Kleidung, umweltverträglichen elektronischen Geräten, köstlichen, lokal produzierten Lebensmitteln und an einer geruhsamen Art des Reisens zu erfreuen. Warum nicht mit dem „Slow Boat to China“ fahren? „Soziale Beziehungen“ als Form des Reichtums. Zwischenmenschliche Beziehungen und Gemeinschaften gehören zu einem wesentlichen Grundprinzip des Plenitude-Prinzips. „Soziale Beziehungen“ definiert Soziologin Schor als eine Form von Reichtum, die mindestens ebenso wichtig ist wie Geld oder materielle Güter. „Vor allem in Zeiten der Not überleben und gedeihen Menschen indem sie sich gegenseitig helfen“. Der Fokus auf Markt und Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren zwischenmenschliche Bindungen zunehmend geschwächt. Durch das Wiedergewinnen von Zeit würden soziale Netzwerke und positive Impulse innerhalb der Gesellschaft wieder stärker. Mehr Lebensfreude und Gesundheit. Weniger arbeiten und konsumieren, mehr selbst schaffen, soziale Bindungen pflegen: so lauten jene drei Grundprinzipien der Nachhaltigkeitsvision „Plenitude“, die Autorin Juliet B. Schor skizziert. Daraus können nicht nur ökologische Vorteile entstehen, wie Emissionsreduzierung und Umweltschonung, sondern auch menschliche. Indem wir nämlich mehr Lebensfreude erzeugen, kann auch unsere Gesundheit gefördert werden. Und das sind ja überaus gute Aussichten für die Zukunft... Buch-Tipp: „Wahrer Wohlstand - Mit weniger Arbeit besser leben“ Von: Juliet B. Schor 288 Seiten Erschienen bei: Oekom Verlag Titelfoto: www.elitedaily.com Text: Helmut Wolf
6 Comments
3/23/2016 17:52:21
Meine Arbeitszeit auf eine 4-Tage-Woche zu reduzieren, war die beste Entscheidung meines Lebens. Die Lebensqualität, die ich dadurch gewinne, kann mir kein Konsum und kein Kram der Welt bieten.
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3/27/2016 13:58:37
Ja, genau. Es ist der Hammer: wir können so viele Ressourcen sparen, wenn wir zusammen helfen. Toll finde ich z.B. auch die Foodsharing-Initiative. Bei uns in Ingolstadt klappt das hervorragend.
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Bei der Steigerung der Arbeitsproduktivität im letzten Jahrhundert sollten wir alle wie Könige in Reichtum und Fülle leben. Leider lassen wir zu, daß einige wenige den gesamten Überschuss absaugen. Die Menschen werden "beschäftigt", mit sinnlosen, unproduktiven Jobs, welche natürlich auch wieder Resourcen verschwenden, um in einem Arbeitstaumel gehalten zu werden, welcher sie vom Nachdenken über die wahren Ursachen des immer mehr arbeiten müssens abhält.
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Wenn man Bürrokratie, sinlosen Verwaltungskram, Juristerei usw abschaffen würde könnten wir schon jetzt den 4 Stunden Arbeitstag haben ohne Abstriche machen zu müssen.
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8/6/2016 18:49:03
Ich (m, 47, leidig, Schifffahrtsbranche) habe meine Arbeitszeit ab September auf 4 Tage (32 Std) reduziert und freue mich auf den neuen Lebensabschnitt wie ein kleines Kind auf Weihnachten. Die 20% weniger Brutto machen sich netto nicht sooo arg bemerkbar aber es ist schon weniger. Habe keinerlei grössere Konsumwünsche, kann alles bezahlen und freue mich, daß sich Arbeiten Freizeit dann so ungefähr die Wage hält und ich noch mehr Zeit mit meinen Hunden verbringen kann. Weniger ist eben wirklich mehr - mehr Lebensqualität.
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