Respektvolles Miteinander. Kreislaufdenken. „Sonnentor“-GF Johannes Gutmann gilt als Vorreiter der Gemeinwohlökonomie - und einer Geschäftskultur mit Humor und Bodenhaftung. Ein Gespräch über gute Stimmung im Betrieb als Erfolgsprinzip und warum aus der Unordnung Vielfalt entsteht... Lieber Herr Gutmann, bei unserem Gespräch vor vier Jahren meinten sie, eines ihrer Prinzipien lautet: „Immer am Boden bleiben – und sich nicht so ernst nehmen“. Auch auf ihrer Visitenkarte steht nicht Geschäftsführer, sondern „Vor-Turner“. Wie wichtig ist Humor - im Geschäfts- wie im Alltagsleben? Das Business ist von vielen Leuten derartig optimiert und auf Effizienz hin getrimmt worden, dass für Spaß keine Zeit mehr bleibt. Ich sage aber immer zu meinen Mitarbeitern: wenn die Stimmung leidet, dann leidet nicht nur das Ergebnis, sondern auch die ganze Organisation. Wenn hier gute Stimmung herrscht, jeder motiviert ist, dann braucht sich keiner Sorgen über das machen, was unterm Strich herauskommt - da kommt einfach ein gutes Ergebnis heraus. Und zwar nicht nur, dass alle davon leben können, sondern auch alle Freude daran haben. Deswegen unser Spruch „Da wächst die Freude“. Die Botschaft ist: Nehmt das Business nicht so ernst und knochentrocken. Natürlich haben wir auch Geschäftsziele, wollen unseren Ertrag erwirtschaften. Aber wenn die Stimmung passt, dann haben wir eigentlich dafür vorgesorgt, dass es auch so positiv bleibt. In dem Moment, wo die Gier einzieht, hast du schon verloren. In all unseren Betrieben gibt es beispielsweise keine Bonifikationen oder Provisionen für besondere Leistungen. Darüber bin ich sehr froh. Weil damit die gute Betriebsstimmung, dieses Grundsummen im Bienenstock, gleichmäßig anhält. Nur die Gier erzeugt Fehler. Wie Gandhi schon gesagt hat: Es ist genug für alle da, nur für die Gier jedes Einzelnen ist es nicht genug. Das ist die Wahrheit... Da sind die Signale aus der wachstumsgetriebenen Wirtschaft aber oft ganz anders… …Deshalb dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn die Wirtschaft mit den Grenzen der Natur nicht zusammen geht. Leider wird Wirtschaft noch immer nach dem Prinzip Gier und „Mehr ist besser“ gelehrt. Sonnentor geht da seit Jahren einen anderen wirtschaftlichen Weg - den der „Gemeinwohlökonomie“: Alle sollen etwas davon haben. Unternehmensberater hätten ihnen wahrscheinlich etwas anderes geraten… Natürlich, deswegen lasse ich diese Berater und Coaches auch nicht in unser Haus. Ich schätze sie, aber noch lieber mache ich Witze über sie (lacht). Im Grunde sind sie aber arme Hunde. Sie erzählen dir nur, wie es vielleicht besser sein könnte – und dann gehen sie wieder. Sollte man Wirtschaft neu denken? Wir sollten Wirtschaft nicht nur neu denken, sondern neu tun. In einem bewussten, respektvollen Miteinander. Ich kann von niemanden Respekt verlangen, wenn ich nicht selber respektvoll mit anderen und unseren Ressourcen umgehe. Ich kann nicht immer etwas von anderen haben wollen, wenn ich nicht selber gebe. Man muss es vorleben. Ich bemühe mich hier Vorbild zu sein. Wird es schwieriger mit zunehmendem Erfolg, weltweiten Vertrieb und immer mehr Mitarbeitern das Gemeinwohl-Prinzip zu leben? Nein. Es funktioniert deshalb so gut, weil alles gesund und organisch herangewachsen ist. Jeder der mir sagt, er hilft mir bei der Arbeit, über den freue ich mich. Und wenn er dann seinen Arbeitsplatz bekommen hat, habe ich wiederrum weniger Arbeit - er hat mir also geholfen. Der Mitarbeiter arbeitet aber nicht für mich oder damit ich mir mehr (Geld, Anm.) herausnehmen kann, sondern er arbeitet für sich... Ich nehme mir noch immer das Gleiche heraus, wie vorher. Ich habe nie gesagt, wir haben jetzt 500 Mitarbeiter, mehr Umsatz, deswegen steht mir jetzt mehr Geld zu. Was tue ich dann mit soviel Geld? Eine kleine Episode: Ich war in der Situation, dass mir jemand Geld geschenkt hat. Ja, geschenkt. Wahrscheinlich, weil der Spender nicht den wahren Sinn für seine finanziellen Mitteln gefunden hat. Er hat nur gesagt: „Du machst viel mehr aus dem Geld, da hast du es.“ Ich wusste gar nicht, was ich damit tun soll, den totalen Stress bekommen. Ich habe dem Spender sofort gesagt, dass er es eingrenzen sollte: Wofür sollen die finanziellen Mittel verwendet werden? Für Forschung, für neue Projekte... Und so haben wir es dann gemacht und gut aufgeteilt… Für mich war aber danach klar: Geld alleine macht nicht glücklich. Im Gegenteil, es verursacht mehr Stress. Vor allem jenen Stress, dass das Geld nicht weniger wird, sondern immer mehr… Wie könnten wir es schaffen, ein neues Bewusstsein zu für die wirklich wertvollen Dinge und Aspekte in der Wirtschaft und Gesellschaft zu etablieren? Ich war einiger Zeit auf der Kinder-Uni. Dort habe ich den Kindern erzählt, dass es immer gut ist, für Natur und Umwelt Augen und Ohren offen zu halten. Das es wichtig ist, zu schauen, was rund um das Haus wächst, es zu erkennen und etwas daraus zu machen. Da ging es um die wirklich grundlegenden Dinge und Fragen des Lebens: Woher kommen die Lebensmittel? Na, aus dem Supermarkt, war dann die Antwort. Viele Kinder und Jugendliche haben überhaupt keinen Bezug mehr zu ökologischen Kreisläufen und den Lebensmitteln, die für uns lebensnotwendig sind. Aber wenn du den jungen Menschen Informationen und Wissen lebendig vermittelst, dann saugen sie das alles auf wie Schwämme. Diese uns angeborene, kindliche Neugierde und Begeisterungsfähigkeit, das war sehr berührend - und für mich ein deutliches Zeichen: In der kommenden Generation liegt viel Potenzial zum Wandel und zur Veränderung… Kinder an die Macht, hat schon Herbert Grönemeyer gesungen… Wer sich die kleine Greta Thunberg anschaut, was die weltweit bewegt – unglaublich! Da sieht man, was alles möglich ist. Durch ihre Aktionen und Fridays for Future-Bewegung hat sie bereits enorm viel verändert. Vor allem hält sie Politikern und Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt den Spiegel vor. Die schauen auch hinein, leider erkennen sie aber oft nicht, was darin zu sehen ist und was sie angerichtet haben. Dennoch: es bewegt sich etwas… Auch sie versuchen über Unternehmensgrenzen hinaus zu verändern: Von Kursen über Permakultur bis hin zu Workshops zu Kreislaufdenken oder der Ausbildung zum Wildkräuter-Guide. Bewirkt das etwas? Definitiv. Das spüren und merken wir an den vielen positiven Rückmeldungen. Das ist das wirklich Schöne und mein Treibstoff im Tank der mich motiviert. Ich gehe nicht in die Parteipolitik, sondern in die Gesellschaftspolitik, zu den Menschen. Deswegen auch mein Draht zu den Kindern, zu jener Menschengruppe, die in Zukunft die Welt gestalten werden. Ihre Handelsbeziehungen sind weltweit verzweigt – von Neuseeland oder Tansania. Trotzdem ist das Unternehmen nach wir vor im „tiefen Waldviertel“ verankert. Wie wichtig ist diese regionale Verwurzelung für das Unternehmen? Nach Strögnitz (Firmenhauptsitz, Anm.) hat noch jeder gefunden (lacht). Natürlich ist diese regionale Verankerung wichtig. Gerade auch, um zu sehen und zu erfahren, woher unsere Produkte herkommen. Hier kannst du Permakultur spüren, du kannst hier schlafen, du kannst in den Wald gehen… Du kannst hier einfach viel Zeit verbringen. Wir haben das auch deswegen ausgeweitet, weil die Menschen immer mehr wissen wollen. Wir versuchen all die Mechanismen und den Kreislauf der Dinge nahe zu bringen und verständlich zu machen. Auf unserem Bauernhof sieht es nach einem großen Durcheinander aus, nach einem Saustall, aber genau diese Unordnung zeigt jene enorme, natürliche Vielfalt, die sich viele heute nicht mehr vorstellen können. Natur ist nicht blitzblank-sauber und ordentlich. Je wilder ein Wald aussieht, umso gesünder ist er. Monokultur ist eben mono und nicht vielfältig. Aus dieser Vielfalt entstammen wir… Rund 900 Produkte umfasst das Sortiment. Alleine in Österreich gehören 500 Mitarbeiter und 300 Bauern gehören mittlerweile zur „Sonnentor-Familie“. Wo liegen die mittel- und langfristigen Ziele? Ich setze mir stets Ziele - jedoch keine monetären. Länger darauf hingearbeitet habe ich auf einen weitreichenden Schritt, den ich heuer umgesetzt habe. Nämlich: die Geschäftsführung in mehrere Hände zu legen. Mit mir gibt es nun drei weitere Geschäftsführer. Nach dem Grundsatz: Ein Tisch steht stabiler mit vier Füßen. Damit steht der Betrieb zukünftig auf einem sicheren Fundament. Zudem bedeutet das auch: mehrere Talente in der Geschäftsführung. Die Personen kommen alle aus dem Unternehmen. Und dann kommt natürlich noch der laufende Ausbau des Unternehmens hinzu… Fad wird uns sicher nicht. Was würden sie sofort ändern, wenn sie es könnten – generell und im Unternehmen? Ich würde sofort all jene zur Verantwortung ziehen, die Schaden an der Umwelt nehmen. Die sollten sofort das Geldbörsel aufmachen. Und im Unternehmen: Wenn wir irgendwo etwas sehen, was wir verändern sollten, dann tun wir es einfach. Auf was sollen wir warten? Die einzige Konstante in der Wirtschaft, ist die die Veränderung. Wie lautet Ihr Lebenskonzept? Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinen anderen zu. Das hat mir meine Mutter schon als Kind gesagt, als ich die Katze am Feld am Schwanz gezogen habe... Vielen Dank für das interessante und humorvolle Gespräch! Buch-Tipp: „Wer spinnt, gewinnt!: Geschichten über Freude, Mut & Bauchgefühl“ Autor: Johannes Gutmann Umfang: 192 Seiten Erschienen bei: Styria Verlag Fotos: Instagram, Sonnentor Text & Interview: Helmut Wolf
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