Miteinander denken und handeln. Kleine Strukturen fördern. So lässt sich die Philosophie von Hannes Gutmann, 49, und seinem niederösterreichisches Bio-Kräuterunternehmen „Sonnentor“ kurz zusammenfassen. Wie es gelingen kann, aus dem „Hamsterrad“ der Gesellschaftsnorm auszusteigen und Neues, Positives in die Welt zu bringen, erzählt der umtriebige „Waldviertler“ im nachfolgenden Gespräch... Lieber Hannes Gutmann, wie schwer oder leicht ist es etwas positiv zu verändern? Die Lösung liegt immer in einem selbst. Für den einen ist es ganz leicht, egal, wie viele Krisen und Kriege gerade rundherum herrschen. Und für den anderen ist es enorm schwer, weil ihn jede schlechte Nachricht runterzieht. Positives Denken, positives Reden, positives Handeln, das kann jeder mit beeinflussen. Man muss es nur wollen. Im Grunde geht es aber immer um das Tun. Ich kann mit sehr einfachen, zielführenden Schritten für mich persönlich etwas verändern. Und wenn ich für mich etwas tue, dann kann ich langfristig viel bewegen... Wie war das zu Beginn bei Sonnentor? Das Unternehmen Sonnentor ist ein gutes Beispiel für die positive Veränderung und welche Skepsis einem dabei entgegenschlägt. Ich war Anfangs mit meiner Idee komplett alleine. Viele Leute haben zu mir gesagt: „Das wird nie etwas.“ Mit der Begründung: weil, wenn es erfolgreich wäre, hätten es andere schon vor dir gemacht. Das war für mich im Grunde die Bestätigung: Gut, dass noch niemand diese Idee vorher hatte, weil jetzt gehört sie mir... Egal, ob bei der Kooperation mit lokalen Bauern, in der Exportarbeit oder der Produktentwicklung: gejammert wurde immer rundherum. Aber: ich habe dabei nie mitgemacht. In der Schulzeit ist mir ein Buch in die Hände gefallen, wo es um das Thema des „leichten Lebens“ gegangen ist. Nach der Lektüre war ich wie verändert, habe mir gedacht: ja, genau, so ist es. Es geht im Leben nicht nur um das Denken, sondern auch um das darüber Reden - und vor allem um das Tun. Sie sind vor kurzem Vater von Zwillingen geworden. Schärfen Kinder und Familie das Verantwortungsgefühl? Ja, absolut. Nicht nur bei der Familie, auch bei der Freundschaft. Wenn ich Freunde habe und für diese geradestehe, dann habe ich auch Verantwortung für sie. Ich möchte meinen Freunden Nahe, stets Hilfsbereit sein. Bei der Familie sollte das noch intensiver sein. Leider wird Familie heute als Institution oft mit Füßen getreten. Keiner nimmt sich mehr Zeit für die kleinen Zwerge, weil die meisten dem Geld nachlaufen. Es würde aber mit viel weniger Aufwand und Geld funktionieren. Ich selber bin in einer Familie mit fünf Kindern aufgewachsen. Meine Eltern hatten eine kleine Landwirtschaft mit 20 ha. Und während die meisten anderen Eltern arbeiten gegangen sind, waren meine zuhause. Sie haben viel Zeit mit uns verbracht. Natürlich mussten wir auch am Feld mithelfen, aber das hat uns gelehrt woher die Lebensmittel kommen. Kinder brauchen nicht Fernseher und Smartphone, sondern vor allem soziale Nähe. Wenn man ihnen Zeit und Geborgenheit gibt, dann wächst der Familiensinn und dann kann langfristig etwas Positives entstehen... Warum herrscht bei vielen Wirtschaftsentscheidern noch immer das Prinzip: „Hinter mir die Sintflut“. Die haben ja auch Familien und Kinder? Weil sie sich alle von Geld, Karriere, Macht und Ruhm blenden lassen. Das ist leider ein Trugschluss: Geld ist nichts anderes als ein Stück Papier mit einem aufgedruckten Versprechen. Egal, ob das Versprechen jetzt Finanzkrise, Wirtschaftskrise oder Hypo Alpe Adria heißt. Das sind alles nur Versprechen, die nicht eingehalten werden. Weil: das, was darauf steht, nicht stimmt - und das Prinzip vorherrscht: wenn Gewinne da sind, verteilen wir sie unter uns. Wenn es Verluste gibt, sollen diese von der Allgemeinheit getragen werden. „Klein, fein, aber mein“, das ist ein viel gesünderes Wirtschaftsprinzip. Es geht darum jene Schritte zu setzen, die ich mir persönlich zutraue und nicht dem Druck des „Größer, stärker, besser“-Synonym nachzugeben. Im Grunde ist es ganz einfach: Wenn ich etwas mache und es teile, wird es mehr. Viele Menschen wollen ihr Lebenskonzept verändern, nachhaltiger Leben, trauen sich aber nicht aus der Norm „auszusteigen“. Was raten sie diesen? Auszusteigen aus der konventionellen Gesellschaftsnorm macht keinen schlanken Fuß. Man wird oft gefragt und dumm angesehen. Als ich beschlossen habe „auszusteigen“ und Selbstständig zu werden, haben viele Leute gesagt: Der wird schon sehen, dass das nicht funktioniert von Kräutern zu leben. Auch meine Eltern haben sich Sorgen gemacht. Dass es trotz allen Unkenrufen funktioniert hat, sieht man ja jetzt. Ich war und bin bis heute gerne ein positiver Narr. Nur so konnte ich etwas verändern. Immer am Boden bleiben - und sich nicht so ernst nehmen. Mein Vater hat immer gesagt: „Ein Narr macht zehn weitere“. Wenn einer etwas Positives vormacht, machen zehn andere mit. Und so ist es dann auch gekommen: „It’s nice to be a freak“ oder „vom Spinner zum Winner..“ Es gibt eine Reihe wirtschaftlicher Alternativen. Eine davon ist die sogenannte Gemeinwohlökonomie... Wir haben von Anfang an gemeinnützig gedacht. Da gab es den Begriff der Gemeinwohlökonomie noch gar nicht. Für mich war ganz klar: Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu. Ich will meinen Mitarbeitern immer so gegenüber sein, wie ich selbst gerne behandelt werden möchte. Gemeinwohl in der Wirtschaft basiert auf dem Gedanken des Miteinanders und des Teilens. Egal, ob innerhalb des Unternehmens, in der Dorfgemeinschaft oder mit überregionalen Nachbarn. Wir haben in Tschechien (1992 wurde das tschechische Tochterunternehmen gegründet, Anm.) nicht investiert, um eine schnelle Rendite einzufahren, sondern um dort langfristige Wertschöpfung zu erreichen. Das ist uns auch gelungen: in Tschechien sind wir heute die bekannteste Bio-Marke. Gemeinwohl ist nicht anderes als: miteinander - messbar - nachhaltig arbeiten. Alle sollen davon profitieren... Was halten Sie vom Mantra des Wachstums: wohin soll die Wirtschaft noch wachsen? In der Natur ist ewiges Wachstum nicht vorgesehen... Genau diesen Vergleich hat meine Mutter auch gebracht: deine Bäume wachsen auch nicht in den Himmel. Im Grunde geht es um „Menschenverstand“. Wir haben das Glück hier im Waldviertel nicht ständig so weit vorne, ständig und rasend am Puls der Zeit sein zu müssen. Dieses unruhige, wachstums-getriebene Wesen, wie in viele (Wirtschafts-)Regionen der Welt, gibt es im Waldviertel zum Glück nicht. Das ist in gewisser Weise ein Segen. Hier braucht alles seine Zeit. Diese Ruhe und die Nähe zur Natur hält Mensch und Umwelt gesund. Wie behält man sich eine „gesunde“ Einstellung – gerade nach wirtschaftlichem Erfolg? Wir haben das Glück im Laufe der Jahre eine Reihe von Auszeichnungen bekommen zu haben. Das freut mich natürlich. Aber jedes Mal, wenn ich von einer dieser Veranstaltungen und Ehrungen nach Hause komme, spüre ich wieder Boden unter den Füßen. Dann weiß ich, woher ich komme und wo die symbolische Glocke hängt. Wer vergisst, wo seine Wurzeln liegen und woher sein Erfolg stammt, hebt zwar rasch ab, fällt dann aber umso tiefer... Ein interessanter Aspekt: viele Interessenten an unseren Franchise-Shops sind ehemalige Manager. Diese ehemaligen Führungskräfte haben in den aufreibenden Hamsterrädern zwischen Quartalszahlen und Shareholder Value ihre Freude und Wurzeln verloren. Sie sind demotiviert und ausgebrannt und verspüren eine große Sehnsucht nach dem Zurück.... Wir schaffen mit unseren Shops und Produkten so etwas wie kleine Inseln der Entschleunigung und Orientierung. In unsere Läden kommen wiederrum Leute, die Interesse an Qualitätsprodukten, an Sinn und Freude am Leben haben wollen. Das potenziert sich... Sie tun immer das, wovon sie überzeugt sind? Richtig, das habe ich immer schon gemacht. Nur eine Zahl zum Vergleich: rund 60 Prozent der unselbstständig tätigen Arbeitnehmer sind unglücklich und haben innerlich gekündigt. Unfassbar! Warum ändern diese Menschen nichts? Welche Ziele verfolgen sie? Ich möchte aus dem kleinen Waldviertler Bauerndorf Sprögnitz, unserem Firmensitz, einen Ort der Hoffnung und Freude machen. Wo der kleinstrukturierte Bauer wieder Wertschätzung erfährt und Familien gesund und fröhlich heranwachsen können. Davon kann eine ganze Region profitieren. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch atmosphärisch. Denn: wenn die Stimmung gut ist, dann entsteht automatisch Erfolg, dann erfolgt etwas... Beispielsweise im Vorjahr in Form unserer Eröffnung des Lokals „Leibspeis' & Tee-Zeit" in Sprögnitz (Foto). Wir wollen aber auch noch weitere Franchisepartner gewinnen - und das über die Landes- und europäischen Grenzen hinaus. Ich würde gerne in New York einen Sonnentor-Store eröffnen. Das Konzept der „gelebten Regionalität“ ist schließlich überall durchführbar. Den Sonnentor-Spirit also weltweit verbreiten... Absolut. Die Sonne leuchtet und lacht schließlich auf der ganzen Welt. Und: wer lacht ist besser drauf - und dann ändert sich auch etwas...
Interview: Helmut Wolf
0 Comments
Leave a Reply. |
|