Genügsamkeit, Einfachheit, Naturnähe. Seit Jahrzehnten bewirtschaftet der „Kugler Bauer“ einen Hof im Tiroler Wipptal. Ohne fremde Hilfe, ohne Maschinen, ohne Konsum und Hektik. Ein Lebenskonzept der Vergangenheit oder der Zukunft? „I hun alleweil g’rad so viel getan, wia sich’s aus‘gangen isch“ Kugler-Bauer „Wenn es regnet, lege ich mich zum Ofen hin, bis es wieder schön wird,“ erzählt der „Kugler Bauer“. In den Jahrzehnten, die der heute 78jährige Bergbauer hier oben in den Tiroler Bergen lebt, hat er vor allem eines gelernt: Ruhe zu bewahren. Wenn das Wetter nicht mitspielt, kann er Vieh und Wiesen eben nicht betreuen. Hektik und Stress haben keinen Sinn. Ganz anders als im weit untenliegenden Wipptal, von den Einheimischen auch „Brennertal“ genannt, wo die meist-befahrenste Nord-Süd-Querung der Alpen verläuft. Was braucht dieser Mensch, um glücklich zu sein?, hat sich Autor und Fotograf Wilfried Noisternig gefragt. Als Noisternig 2008 dem „Kugler-Bauern“ erstmalig hier auf seinem Anwesen, oberhalb des Ortes Matrei am Tiroler Brenner, bei einer Wanderung begegnete, ließ sich dieser nicht irritieren und von seiner Arbeit abbringen: er stapfte ruhig und gerade den Berghang hinauf. Ein Gestell - den „Ferggl“ - auf dem Rücken tragend, ging der Kugler-Bauer beharrlich seinen Weg, weiter hinauf bis zur Scheune, wo er dann seine Heu-Fuhre zusammenstellte. „Sein Lebenselixier ist die Arbeit und die ihm anvertrauten Güter“, beschreibt Wilfried Noisternig im Vorwort des neuen, sensiblen Fotobuch-Porträts „Wie viel Erde braucht der Mensch? Lebensspuren eines Bergbauern“ dieses stille und geradlinige Lebenskonzept: Hof, Vieh, Wiesen, Felder und Wald. Sein Tagesrhythmus wird seit Jahrzehnten durch die Erfordernisse der Arbeit als Bauer bestimmt. Wind und Wetter spielen dabei eine tragende Rolle. Die Nähe zur Natur ist durch die Jahreszeiten geprägt. Und: sein Tagwerk geht er immer mit der ihm beschiedenen Ruhe und Ausgeglichenheit an. Was ist das für eine Welt hier oben in den Bergen, fern der modernen Zivilisation? Es mag im Jahr 2016, wo sich unsere Gesellschaft viele ökologische und wirtschaftspolitische Fragen stellt, für manchen Beobachter rückständig oder altmodisch anmuten. Aber, so betont Autor Noisternig, es ist eine Welt, die eine besondere Zufriedenheit und Dankbarkeit dem Leben gegenüber ausstrahlt: eine Welt, die sich als ein besonderer Ort für ein gutes Leben und für Reflexionen über das Leben eignet. Wie gelingt ein zufriedenes Leben? Kann Landwirtschaft heute noch nach ökologischen und nachhaltigen Gesichtspunkten betrieben werden? Wer die Landschaft und Atmosphäre hier oben einatmet, spürt es: mit dieser naturnahen Lebens- und Arbeitsweise hinterlässt dieser Mensch einen ökologischen Fußabdruck, der der nächsten Generation keine Lasten aufbürdet. Im Gegenteil: auf unverdorbenen Böden gedeiht immer noch die prächtigste Vielfalt der altbekannten Wiesenblumen, die sonst kaum noch zu finden ist. Mit der Luft kommt Leben ins Haus. „Die Fenster sind immer noch dieselben wie vor 100 Jahren“, erzählt der Kugler Bauer. „Sie sind halt nicht mehr ganz so dicht: Wenn der Wind bläst, dann wackelt der Vorhang. Und das ist gut so, weil dann kommt frische Luft herein... und mit der Luft kommt das Leben.“ Alles eine Sache der Perspektive. Neben der Ruhe ist es vor allem eine Form der (inneren) Zufriedenheit und Genügsamkeit, die das nachhaltige Fundament für dieses bodenständige Leben bildet. Immer wieder kommen Leute bei ihm am Hof vorbei, auf einen kurzen „Hoangascht“ („Tratsch“). Wanderer und Bewohner aus dem Tal besuchen ihm gerne hier oben in der vermeintlichen „Einöde". In diesen Gesprächen hört der Bauer die aktuellen Geschehnisse in der Gemeinde und Neues über die Menschen in seiner Umgebung. Mit 27 Jahren ist seine Ziehmutter gestorben. Seither lebt er alleine, ohne aber zum kauzigen Einsiedler geworden zu sein: ein abgeschiedener Bauernhof inmitten der Natur, wo es möglich sein kann Zufriedenheit in der Genügsamkeit zu finden? Nachhaltigkeit kann so einfach sein. Das Spezifikum des Anwesens ist wohl der einzigartige Zaun, erzählt Buchautor Wilfried Noisternig. Dieser ist aus Lärchenholz gefertigt: von den mit der Hand gehauenen Holzlatten bis zu den handgemachten Zaunringen. Die Lebensdauer des Zauns nennt der Kugler Bauer 50 Jahre und länger. Einzelne Abschnitte hat er Zeit seines Lebens noch nie reparieren müssen. Nachhaltigkeit kann oft so einfach sein... „Am Sonntag aber wird nicht gearbeitet, der ist heilig! Da kann das Wetter schön sein, wie es will!“, unterstreicht der Kugler Bauer seine Prinzipien-Treue beim Arbeitsrhythmus. Und wenn er am nächsten Tag wieder das Gras mähen möchte, und es regnet, dann legt er sich zum Ofen und wartet bis es wieder schön wird... Buch-Tipp: „Wie viel Erde braucht der Mensch? Lebensspuren eines Bergbauern - Ein fotografisches Porträt“ Von: Wilfried F. Noisternig 120 Seiten, 78 farb. Abb. Erscheint ab Juni 2016 bei: Tyrolia-Verlag Web-Tipp: www.wipptal.at Fotos: Wilfried Noisternig Text: Helmut Wolf
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