Ist Online-Handel umweltfreundlicher als stationärer? Wie begegnet die Logistikbranche den rasant anwachsenden Zustellmengen? Und: Was braucht es, um die Klimakrise einzubremsen? Post Österreich-Chef Georg Pölzl im Gespräch über mehr Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft als Zukunftsthema. Herr Dr. Pölzl, wenn über die Post gesprochen wird, dann weniger über das Thema Nachhaltigkeit. Warum? „Wir beschäftigten uns schon sehr lange mit dem Thema Nachhaltigkeit. Seit über 10 Jahren stellen wir Pakete und Briefe CO2 neutral zu. Was wir nicht gemacht haben, ist, diese Aktivitäten allzu laut in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Das wollen wir jetzt ändern. Das tun wir aber nicht, um auf den grünen Zug aufzuspringen, sondern weil wir sehr glaubhaft an vielen nachhaltigen Elementen weiterarbeiten... Homeoffice, Abstandsregeln, Gesundheitsaspekte... Corona zwingt uns förmlich neu zu denken, neu zu leben, viele Gewohnheiten zu hinterfragen. Kein Unternehmen konnte weiterzumachen wie bisher. Wie hat die Post darauf reagiert? In den Verwaltungsbereichen sind wir sehr rasch, quasi von heute auf morgen, in das Homeoffice gegangen. Das hat eigentlich, auch zu meiner Überraschung, sehr gut geklappt. Schwieriger war das in den operativen Bereichen, bei der Zustellung usw. Wir waren und sind das Unternehmen hierzulande mit den meisten, physischen Berührungspunkten bei den Menschen und Unternehmen. Das war durchaus eine Herausforderung... Wie glauben Sie, wird sich Arbeit und Büro generell in Zukunft verändern? Das virtuelle Element der Kommunikation und das Homeoffice werden sicher bleiben. Die große Herausforderung wird es jedoch sein, die sozialen Komponente des Arbeitsplatzes, der Tratsch in der Kaffeeküche oder der Meinungsaustausch zwischen Mitarbeitern, aufrechtzuerhalten. Auch könnte das Homeoffice möglicherweise ingesamt Auswirkungen auf die Arbeitsweise der Menschen haben. Stichwort Klimawandel. Wo sollte ihrer Meinung nach angesetzt, welche Maßnahmen implementiert werden, um die Erderwärmung bei 1,5 Grad einzubremsen und die Pariser Klimaziele zu erreichen? Um die Energiekrise zu bewältigen und Lösungen zu finden, hoffe ich besonders, dass mehr Rationalität einkehrt und weniger Ideologie. Zurzeit gibt es die einen, die die Energiekrise nicht wahrhaben wollen, sie gar verleugnen. Und dann gibt es jene, die alles verändern wollen, aber nicht wissen wie und eher einem Glaubensgrundsatz folgen. Das halte ich für gefährlich. Ich bin überzeugt davon, dass effiziente Verbrennungsmotoren, vielleicht in Zukunft mit Bio-Sprit, ein Teil der Zukunft sein müssen. Warum? Weil wir die Energiewende, meiner Meinung nach, nicht mit Alternativenergie stemmen werden! Selbst wenn Österreich schon drei Viertel seines Stroms erneuerbar erzeugt. Unser Strombedarf wird sich in den nächsten Jahren durch die Dekarbonisierung verdoppeln oder sogar verdreifachen. Ja, woher soll denn die Energie kommen? Dennoch: Natürlich muss Europa hier weiter forschen und vorangehen, um die Energiewende zu meistern... Die Wirtschaft könnte in Sachen Energiewende viel beeinflussen und in Gang bringen... Richtig! Die Wirtschaft hat eine große Verantwortung. Und als Post gesprochen: Wir versuchen diese Verantwortung sehr gewissenhaft wahrzunehmen. Wir beschäftigen uns beispielsweise intensiv mit dem Ausbau von Solarenergie. Auch in Sachen E-Mobilität sind wir sehr aktiv. Zur Wirtschaft generell gesprochen: Ähnlich wie die Expertenkommission in Sachen Corona, sollte es meiner Meinung auch einen Expertenbeirat für Umwelt- und Energiefragen geben. Einen Beraterstab, der auf Basis profunder Studien und wissenschaftlicher Mengen- und Bedarfsberechnungen erstellt, Schlussfolgerungen zieht und daraus Entscheidungen abgeleitet werden. Laut Studien wollen drei von vier Nutzern zukünftig deutlich mehr im Internet bestellen als vor der Pandemie. Wie beurteilen Sie den anwachsenden Online-Einkauf im Hinblick auf die angestrebten Klimaziele? Meine Antwort als Post-Chef mag vielleicht verdächtig klingen, aber es gibt seriöse Studien, die belegen, dass der Online-Handel um ein Vielfaches ressourcen- und energieeffizienter ist als der stationäre. Wenn sie beispielsweise etwas spezielles oder seltenes Produkt suchen, dann haben sie es meist mit drei Klicks gefunden und es wird ihnen zugestellt. Ok, dann entstehen zwar Transportkosten, aber der Transport lauft mittlerweile auch sehr effizient. Wir liefern schon seit langem CO2-neutral. Bis 2030 werden wir die sogenannte „letzte Meile“ CO2-frei fahren - und zu 100 Prozent auf E-Mobilität setzen. Bis 2040 wollen wir das gesamte Unternehmen CO2-frei ausrichten. Zusammengefasst: Wir werden mit unserer Logistik einen großen Beitrag dazu leisten, die CO2-Belastungen zu reduzieren. Die internationale Energieagentur prognostiziert dem globalen Transportsektor bis 2050 6,7 Gigatonnen Treibhausgas-Ausstoß. Das entspräche einem Zuwachs von 67 % im Vergleich zu 2020. Smarte, umweltfreundliche Transport- und Logistikmodelle werden zu wichtigen Eckpfeilern der Zukunft... Die Frage ist, was sind die Treiber dieser Entwicklung? Was wir hier in Europa oft ausklammern, ist das Bevölkerungswachstum in vielen Teilen der Welt. In den Entwicklungsländern gibt es großen Nachholbedarf nach Konsum und Komfort. Ich kann aber sagen, dass sich alle großen Logistiker der Welt mit energieeffizienten Technologien und Lösungen beschäftigen: E-Mobilität, Wasserstoffmobilität, Biokraftstoff für Flugzeuge usw. Ein wichtiges Thema im Zustellprozess wird auch die Automatisierung sein: von Selbstbedienungslösungen bis hin zu autonomen Lieferservices. Wir im Kleinen werden jedenfalls unsere Hausaufgaben machen. „Weiter wie bisher geht nicht mehr“, so der allgemeine Tenor. Wie sieht ihrer Meinung nach soziales und umweltgerechtes Wirtschaften in Zukunft aus? Hier möchte ich besonders das Thema Kreislaufwirtschaft hervorheben. Alle unsere großen Standorte werden umweltzertifiziert, mitsamt Mülltrennungskonzept, Abfallmanagement, smarten Recyclingmethoden usw. Hier sehen wir noch viel Potenzial in Zukunft. Was ist ihr Lebenskonzept? Tu niemanden etwas an, was du selber nicht erleben möchtest. Vielen Dank für interessante Gespräch! Web-Tipp: www.post.at/p/c/nachhaltigkeit Interview: Helmut Wolf Fotos: Post AG
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