Innovation bedeutet Problemlösung. Und Technik kann dabei sehr hilfreich sein – für alle Lebensbereiche. Wie Ideen entstehen und Mobilität sich in Zukunft entwickelt, ein Gespräch mit Martin Lehrbaum, Innovationsmanager beim Technologieunternehmen Kapsch CarrierCom. Viele Menschen haben zu Technik ein angespanntes Verhältnis: zu trocken, zu kompliziert usw. Wie kann Innovation und Technik positiv, hilfreich und vorteilhaft in unserem Leben wirken? Viele Menschen glauben, Innovation hat immer nur etwas mit Technik zu tun. Das stimmt so aber nicht. Innovation bedeutet vor allem: wie gehe ich an Probleme heran, und wie kann ich unter anderem auch Prozesse verändern. Innovation ist in jedem Lebensbereich verankert. Wenn Leute von Innovation hören, dann denken sie zumeist: „Uijeh, das ist nur Technik und davon verstehe ich eh nichts, deswegen rede ich auch nicht mit“. Dem möchte ich entgegenwirken. Wir haben in unserem Unternehme eine Art „Topf“, wo jeder seine Ideen einbringen kann. Wir unterstützen gute Ideen, soweit das möglich ist. Übrigens: sehr viele Ideen sind bei uns zum Beispiel aus der Rechtsabteilung gekommen, das hat mich sehr fasziniert. Wie entstehen bei Ihnen neue Ideen? Strategische Ausrichtungen werden natürlich beeinflusst durch globale Trends. Gerade der Bereich Mobilität ist hier ein großer Treiber. Kapsch versucht sich als globaler Player zu positionieren, deswegen müssen wir auch global Denken. Der öffentliche Nahverkehr in Iran unterscheidet sich von jenem in New York City, da muss man sehr genau auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und kulturellen Gegebenheiten achten. Wir verfügen auch über einen großen Kundenstamm, mit denen wir gemeinsam an Projekte herangehen. Generell fragen wir uns immer: Was wird uns in Zukunft beeinflussen und welche Lösungen können wir dazu bieten. Sie waren gerade im Iran. Was nimmt man da mit - als Mensch und als Innovationsmanager? Ich habe in verschiedenen Ländern und Kulturen gelebt: in Indien, in England und in den USA. Da nimmt man natürlich mehr mit, als nach einer Woche Dienstreise im Iran. Iran war früher hoch entwickelt, die letzten Jahre haben das Land jedoch wirtschaftlich gelähmt. Wenn ich das Land heute betrachte, dann kann ich nicht sagen: wir wollen aus Teheran eine „Smart City“ machen. Hier musst du schauen: was benötigen die Menschen, und wie kann ich um dieses Thema herum eine Gesamtlösung anbieten. In Teheran ist das derzeitige Problem, dass zu viele Fahrzeuge in der Stadt unterwegs sind. Hier mit dem selbstfahrenden Auto als Lösung anzutreten, wäre falsch. Die Menschen dort sind sehr wissbegierig und offen für neue Ideen. Und es kommen viele Ideen zurück. Man kann nicht einfach hinkommen und sagen, was sie alles besser machen sollten. Wichtig ist, sich auf die Menschen einzustellen, mit Empathie und Verständnis für die lokalen Bedürfnisse, dann findet man überall gute Lösungen. Es gibt also nicht die technische Lösung, sondern viele technische Lösungen? Es gibt sicher die Lösung, aber die sieht in jedem Land, in jeder Kultur anders aus. Der Mobilitäts-Begriff „Mobility as a Service“ verdeutlicht das sehr gut. Der ganzheitliche Service-Gedanke bei der Mobilität ist ein Trend der Zukunft: es wird eine Mobilität, die an die individuellen Bedürfnisse der Menschen angepasst ist. Ob Auto, öffentlicher Verkehr oder Fahrrad, je nach Situation werden wir in Zukunft unsere Verkehrsmittel auswählen. In Europa sind die nordischen Länder da schon sehr weit voraus. Auch die junge Generation denkt da schon anders. Die sehen Staus, Umweltverschmutzung etc. und suchen nach alternativen Möglichkeiten der Mobilität. 95 % der Zeit stehen unsere Autos, es müsste also „Stehzeug“ statt Fahrzeug heißen. Mein neunzehnjähriger Sohn beispielsweise sieht gar keinen Grund mehr den Führerschein zu machen... Der Bereich Mobilität befindet sich im Umbruch. Wo sehen sie die wichtigsten Themen? Wir haben ein breites Know-how in vielen Bereichen der Mobilität: der Bereich Ticketing, Konzepte für autofreie Innenstädte, Public Transport-Services, das alles sind wichtige Themen und Visionen für die Zukunft. Damit wollen wir nun auch stärker in die Öffentlichkeit treten. In diesem Zusammenhang versuchen wir unsere eigenen Mitarbeiter dafür zu interessieren. Einmal pro Monat gibt es einen sogenannten „Innovation Case“, wo Ideen von Mitarbeitern aus allen Bereichen vorgestellt werden. Wir verfügen hier über ein großes Innovations- und Lösungspotenzial, das nicht viele andere Unternehmen in dieser Form anbieten können. Mobilitäts-Unternehmen wie Tesla stellen ihre gesamten Pläne ins Internet. Was sagen sie zur Kultur des „Open Source“ und Crowdfundings, wo Ideen und Projekte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden? Wir verfolgen bei Kapsch eine Politik der kleinen Schritte. Wir sind kein Start-up, aber wir haben innovative Mitarbeiter, die muss man motivieren. In der Innovation inbegriffen ist aber auch der Mut zum Scheitern. Das heißt: wenn von zehn Ideen eine etwas wird, dann ist das schon ein Erfolg. Für einen Mitarbeiter kann das aber eine Hemmschwelle sein. Der sagt sich: „Wenn aus dieser Idee nichts wird, dann bin ich gescheitert und das gereicht mir zum Nachteil.“ An diesem Umstand müssen wir arbeiten. Dazu braucht es auch den jungen, unbekümmerten Blick von Außen, gerade jenen der Generation Smartphone. Die Hemmschwelle hat aber sicher auch kulturelle Hintergründe. In den USA gilt das Scheitern mit einer Idee als Erfahrungsprozess, bei uns als Katastrophe. Liegt diese Zurückhaltung für Innovation in unserem mitteleuropäischen Naturell. Motto: wer nichts macht, kann auch nicht viel falsch machen? Es liegt teilweise an unserer Mentalität, teilweise an den Rahmenbedingungen. In unserem Unternehmen gibt es viel Tagesgeschäft, das es zu erledigen gibt. Auch Umstrukturierungen und die wirtschaftliche Situation tragen dazu bei, dass Mitarbeiter zurückhaltender sind. Druck und Stress sind sicher die größten Innovations-Killer. Was bedeutet es für Sie Innovationsmanager zu sein? Innovation wird bei uns als Überlebensnotwendig definiert – und wird gewissermaßen von oben herab gelebt. Für mich persönlich bedeutet es: den Mitarbeitern mit meinen neuen Ideen oft auf die Nerven zu gehen und sie aus ihrer Reserve zu locken... Kapsch CarrierCom... ...entstammt ursprünglich dem Telefon-Sektor für öffentliche Betreiber. Heute bietet man als global tätiger „Systemintegrator für Mobilfunk- und Festnetzbetreiber“ Technologielösungen an für Bahn- und Bahninfrastrukturbetreiber („Digitaler Zugfunk“) und Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs („Public Transport“). Das österreichische Familienunternehmen „Kapsch Group“ kann auf eine 120-jährige Geschichte zurückblicken. Im Fokus der zukunftsorientierten Kommunikations- und Informationstechnologien standen und stehen ressourcenschonende, zuverlässige Mobilitäts- und Kommunikationslösungen sowie „das Streben nach Innovationen mit Mehrwert für Mensch, Umwelt und Gesellschaft,“ so CEO Georg Kapsch. Web-Tipps: www.kapschcarrier.com www.kapsch.net Interview: Helmut Wolf
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