Strahlender Sonnenschein, schneebedeckte Berge, überall herrscht Ruhe... Der Winter im steirischen Nationalpark Gesäuse eröffnet einem neue Perspektiven - und ein Gefühl tiefer Zufriedenheit. Selbst nach einer schweißtreibenden Schneeschuhwanderung… Reportage! Schon die Anfahrt von Admont in das schroffe „Durchbruchtal“ des „Nationalparks Gesäuse“ lässt einem eintauchen in eine andere Welt. Zu beiden Seiten ragen steile Kalkfelsen empor. Massive Gletschermassen haben hier zur Eiszeit enorme Kräfte entwickelt. Täler wurden ausgegraben, Berge haben sich aufgetürmt, eine wuchtige Landschaft geformt. Wer sich in die 16 km lange „Gesäuseschlucht“ zwischen Admont und Hieflau begibt, ist beeindruckt von der „wilden Schönheit“ der Landschaft: auf der einen Seite türmt sich die mächtige Hochtorgruppe auf. Auf der anderen Seite die Buchsteingruppe. Viele „2.000er“ ragen in den Himmel. Alles wirkt wilder und rauer, als man das von den klassischen „Wiener Hausbergen“ rund um Rax und Schneeberg gewohnt ist. Ausgangspunkt unserer Schneeschuhwanderung ist der „Gstatterboden“. Wo sich im Sommer viele Gäste rund um das Besucherzentrum „Nationalpark-Pavillon“ tummeln, herrscht im Februar winterlich-gedämpfte Stille. Ganz klein fühlt man sich hier, unterhalb der mächtigen Felswände. „Unten“ rauscht unaufhörlich das Wildwasser der Enns. Das laut sprudelnde „Sausen“ des Flusses hat dem „Gesäuse“ seinen Namen verliehen. Wir ziehen uns die (ausgeliehenen) Schneeschuhe an und stapfen mit zügigen Schritten in Richtung Hochscheibenalm. Rund 700 Höhenmeter werden wir zurücklegen - hinauf und hinunter. Unser Ziel ist Hieflau, quasi auf der anderen Seite des Berges. Doch im Grunde lautet unser Ziel: Herauszufinden, was die Faszination Gesäuse ausmacht… „Eines unserer wirklichen Vorteile ist die Infrastrukturarmut!“, schmunzelt Andreas Hollinger vom steirischen Nationalpark Gesäuse. Hollinger führt uns gemeinsam mit seiner Ehefrau durch die wildromantische Landschaft. Die Wegstrecke führt vorerst bergauf Richtung Ennstalerhütte. Wer von der Großstadt in die wilde Natur „hinaustritt“, muss sich erst an die Ruhe und Bedächtigkeit der Umgebung gewöhnen. Rhythmus und Abläufe werden hier nicht von Social Media und Terminen bestimmt, sondern von den Elementen. Kein WLAN, keine sichere Hütte weit und breit. Lawinen-Pieps und Schaufel hat jeder von uns dabei. Es scheint, als wären wir hier die einzigen Menschen. Was auch irgendwie stimmt - außer einer Gruppe Skitourengeher begegnet uns an diesem strahlend-sonnigen Wintertag niemand... Viele alte Bäume, Tierspuren im Schnee, Ruhe… Schneeschuhwandern hat eine besondere Qualität: Im Gegensatz zur sommerlichen Wanderung ist man zumeist alleine unterwegs. Auch die Natur fühlt sich intensiver an: Ein Geräusch dort, ein Vogelzirpen da, das Licht-Schatten-Spiel zwischen den Bäumen, stetig unterschiedliche Schneeverhältnisse unter den Schneeschuhen – von pulvrig bis patzig und zu harten Firn… Hinzu kommt die beständig „erfrischende Kälte“ des Winters, bei gleichzeitig schweißtreibender Bewegung. Der Körper durchlebt ein stetiges Wechselbad aus Wärme, Abkühlung, Wärme, Abkühlung… „Die Leute die ins Gesäuse kommen suchen nicht den Kick oder wollen die Natur als Fitnesscenter nützen“, sagt Hollinger. „Der Gesäuse-Gast will Berge, Bäume und Pflanzen genießen, sich als Teil der Natur wahrnehmen“. Das einfache, authentische Naturerlebnis - und das im besten Sinne... Nach ein, zwei Stunden Schneeschuhwanderns kommt man in eine Art meditativen „Flow“. Immer wieder drehen wir uns um, genießen die Ausblicke auf die weitläufige Bergkulisse. Die mächtigen Gipfel von Planspitze und Hochzinödl leuchten in der Wintersonne. Wie eine Arena aus Felsen und Schnee präsentiert sich die Buchsteingruppe. Die gleichmäßige Wanderbewegung lässt viele Gedanken frei werden. Wie wird das Leben am Land in 20 Jahren aussehen? Wie können wir Jugendliche für Naturschutz und -erhalt begeistern? Und: Was kann jeder Einzelne tun, damit die Erde ein lebenswerter Ort bleibt? Bei einer Beobachtungsstelle erfreuen wird uns über den Anblick von Hirschen. Aus allen Richtungen strömen sie zum gegenüberliegenden Futterplatz. Unsere Präsenz scheint sie nicht zu stören. Der Überlebenstrieb überwindet oft die Angst… Auch im Nationalpark Gesäuse werden die Spuren des Klimawandels sichtbar. Borkenkäfer, Erderwärmung und Wetterextreme setzen den Wäldern und der vielfältigen Flora zu. Alleine 50 Orchideenarten gibt es hier. Auch die wild-romantische Enns leidet, wie Andreas Hollinger erzählt. „Es gibt praktisch keine Fische mehr in der Enns“. Auch wenn die Enns hier im Nationalpark geschützt ist, haben die vielen Abwässer, Medikamentenrückstände usw., aus dem längsten Binnenfluss Österreichs ein weitreichend totes Gewässer gemacht. Der Nationalpark Gesäuse stehe außerhalb wirtschaftlicher Interessen, betont Hollinger. Im jüngsten Nationalpark hierzulande gibt es keine Jagd, keine Forstwirtschaft, keinen ressourcenaufwendigen Tourismus. Dies bietet viel Raum für natürliche Entfaltung und gesundes Wachstum. Der Nationalpark als Vorbild für eine nachhaltige Ökonomie? „Das Gesäuse-Denken ist anders als in anderen Regionen in Österreich“, sagt Kommunikationsleiter Hollinger. „Wir wollen hier nicht jeden Gast. Das mag zwar arrogant klingen, drückt aber unserem Anspruch in Sachen nachhaltigen Tourismus aus“. Der authentische Natur- und Bergliebhaber ist hier herzlich Willkommen. Wer seine neueste Gore-Tex-Jacke zeigen möchte, soll dies lieber in Ischgl oder Kitzbühel machen, schmunzelt Hollinger. Nicht umsonst wird das Gesäuse auch als „Universität des Bergsteigens“ bezeichnet. Seit über 100 Jahren gilt das Gesäuse als beliebte Bergsteigerregion. Auf den Kalkbergen findet man alle Schwierigkeitsgrade. In Johnsbach gibt es sogar einen „Bergsteigerfriedhof“. Doch nicht nur der geübte Bergsteiger oder Kletterer findet hier sein Glück, auch der gemütliche Genusswanderer und -spaziergänger kommt an den vielen „Kraftplätzen“ auf seine Kosten. Auf der Hochscheibenalm angekommen, erfreuen wir uns an der traumhaften Bergkulisse. Die Sonne verwandelt den Schnee in ein glitzerndes Meer. Bei einer herzhaften Jause und wärmenden Tee lässt es sich vorzüglich über Gott und die Welt philosophieren. Man kann sich gar nicht satt sehen an der „angezuckerten“ Winterlandschaft. Und immer wieder - die mächtigen Berge. Deren Präsenz verleihen einem stets Demut und Respekt. „Von nun an ging‘s bergab“, lautet unser Motto für die nächsten zwei Stunden. Mit Schneeschuhen hinunter ins Tal zu stapfen und in den weichen Schnee zu „treten“, gibt einem ein gutes Gefühl: Der Aufstieg ist geschafft, der Abstieg kann nicht mehr so schwer sein – oder? Wenn da nicht die kleinen menschlichen „Hoppalas“ wären: Andreas Hollinger hat beim Abstieg irgendwo sein Handy im Schnee ausgestreut…. Ob plötzliches Gewitter, Knieschmerzen oder eben der Verlust des Handys – in der Natur unterwegs zu sein, bedeutet vor allem eines: Es hilft kein (Weh-)Klagen, sondern nur Handeln. In diesem Fall heißt es für Andreas Hollinger: Bergauf zurück gehen und an der vermuteten Stelle nach dem Smartphone zu graben... Wir wandern zu dritt schließlich weiter. Hieflau rückt immer näher. Nach rund 4 Stunden mit den Schneeschuhen macht sich ein wenig Erschöpfung breit. Aber - unser Tagesziel ist bald erreicht. Unser Ziel? Das ist die urig-gemütliche „Xeishittn“. Eine einfache, aber komfortable Selbstversorgerhütte (für 2 Personen – mit Sauna!) am Rande des verschlafenen Ortes Hieflau. Es ist geschafft! Nach dem letzten „Aufstieg“ zur Xeishittn, fallen wir auf das gemütliche Sofa. Die triefend nassen Schuhe und durchgeschwitzte Outdoor-Kleidung tauschen wir gegen trockene Sachen ein. Der Tischofen der „Xeishittn“ wurde schon von den herzlichen Gastgebern angeworfen. Selten hat sich Wärme so gut angefüllt. Ob wir morgen wirklich noch einmal eine Schneeschuhwanderung machen? Im Moment haben wir nicht einmal mehr Kraft für einen Saunagang? Das Holzofen-Feuer des Tischherds erfüllt die Hütte mit wohliger Wärme. Draußen eröffnet der nächtliche Ausblick einen eindrucksvollen Sternenhimmel. Und wieder sind es die Berge des Gesäuses - besonders die beiden markanten „Tamischbachtürme“ - die einem selbst in der Dunkelheit beeindrucken.
Was ist nun das Besondere am Gesäuse? Für uns jedenfalls eine Erkenntnis - nämlich: Für Glück und Zufriedenheit braucht es nur ganz wenig: Einfach hinaus gehen, sich der Schönheit der Landschaft bewußt werden, mit eigener Kraft eine Wegstrecke zurücklegen und nach einem erfolgreich absolvierten Outdoor-Tag das erlebte Revue passieren lassen. Am besten bei einem schmackhaften Essen und kühlen Bier ;) Das stille Wunder Gesäuse… Für Andreas Hollinger bedeutete Glück an diesem Tag etwas anderes: Nämlich unter der Schneedecke sein Handy gefunden zu haben. Am Ende hat es trotz Kälte und Nässe sogar wieder funktioniert. Das stille Wunder Gesäuse… Web-Tipps: www.gesaeuse.at www.xeishittn.at Vielen Dank an Andreas Hollinger und dem Nationalpark Gesäuse für dieses tolle Erlebnis! Fotos: Andreas Hollinger, Helmut Wolf / Kamera: Canon Powershot G9X Reportage: Helmut Wolf
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