Zwischen Bäumen. Einatmen. Spüren. Genießen. Im oberösterreichischen Almtal wird der Wald zum Sinneserlebnis: „Waldness“ nennt man das hier - und es zeigt sich: Der Wald wirkt – und eröffnet neue Perspektiven... „Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen zu sprechen, wer ihnen zuzuhören weiß, der erfährt die Wahrheit...“ Hermann Hesse „Da ist ein Rehbetterl. Da war das Schlafzimmer des Mutter-Rehs. Dort drüben hat das junge Kitz geschlafen. Ein Platz mit gutem Überblick. Schließlich hat alles seinen Sinn in der Natur...“. Fritz Wolf ist in seinem Element. Hier im Wald, zwischen „seinen“ Fichten, Tannen und rund 30 anderen Baumarten, lebt und atmet er auf. Und er spricht, nein, er verkündet die „frohe Kunde des Waldes“ - und öffnet dem Besucher Augen und Sinne für die unglaubliche Vielfalt und Kraft der Natur. Voller Begeisterung wird Wolf zum „Botschafter des Waldes“ - und das ist durchaus wörtlich zu nehmen: Denn, Wolf ist „Waldbotschafter“, zertifizierter Waldpädagoge, Natur-, Landschafts- und Almführer, Sensenmählehrer – sowie „Waldness-Meister“. Wir gehen durch den verschneiten Wald. In dem Waldstück in der Nähe des oberösterreich-ischen Örtchens Grünau, knirscht der Schnee unter unseren Füßen. Stille umgibt uns. Nur hie und da Vogelgezwitscher und der Wind, der durch die Baumwipfeln rauscht. Der Wald scheint zu schlafen. Doch das täuscht. Es herrscht reges Treiben, das sehen wir an vielen Spuren im Schnee. Da eine Hasenspur, dort waren ein Fuchs und ein Mader unterwegs. Ein Eichhörnchen hat Samen aus den Fichtenzapfen gefressen. Überall verstreut liegen die Reste am schneebedeckten Waldboden. „In einem Zapfen sind bis zu 250 Samen verborgen“, erzählt Waldexperte Wolf. Theoretisch könnten daraus ebenso viele Bäume heranwachsen. Als Waldbesitzer freut sich Wolf vor allem über Tannenwuchs. „Tannen sind die Zukunft für die Kinder, weil sie widerstandsfähiger sind und den Klimawandel standhalten können“, sagt der Waldexperte. „Jede Pflanze verbirgt einen Riesenschatz“. Kalt ist es im winterlichen Wald. Aber das vergisst man rasch. Denn mit Fritz Wolf durch den verschneiten Wald zu gehen, bedeutet, neben vielen Eindrücken und Erkenntnissen, vor allem eines: ein geschärftes Bewusstsein für das „Ökosystem Wald“ zu erhalten. Hier „lebt“ ein vielschichtiges Geflecht miteinander. Alles ist mit allem verflochten, gleich einem riesigen Netzwerk: der „Mutterbaum versorgt ihre Kinder“, der Fichtenkreuz-schnabel brütet auch jetzt im Winter, weil es für ihn besonders viel Futter (Zapfensamen!) gibt. Das Reh findet auch unter der Schneedecke nahrhafte Brombeeren, Efeu und Moos. In einem Jahr frisst ein Reh fast 70 Heil- und Wirkpflanzen. Und selbst das Urinieren im Wald hat seinen Sinn ;-) „Da freuen sich die Bäume darüber“, lacht Wolf. „Ganz nach dem Motto: Tausche Stickstoff gegen Sauerstoff“. Jede Pflanze verbirgt einen Riesen-schatz, den es zu bewahren gilt, so der langjährige Waldpädagoge und Förster. Waldness - das bedeutet alle Sinne anzuregen. Spüren, Riechen, Tasten... Ein besonders eindringliches Walderlebnis bietet uns die Nacht. In der Dunkelheit und mit Laternen, wird der Wald zum Ort der beruhigenden Geräusche - und der Geschmacksvielfalt. Kräuterexpertin Maria lässt uns am Baumharz (Der „Holzknecht-Kaugummi“) kosten, empfiehlt Fichtentee („Um das Blut zu reinigen“) und regt an, die würzigen Tannennadeln doch einmal über das Gulasch zu streuen. „Die kulinarischen Fundstücke aus dem Wald können eine wahre Geschmacksexplosion auslösen“, zeigt sich Maria begeistert – und fügt hinzu. „Es geht darum sich auf diese Stille einzulassen. Dann macht uns der Wald ruhig und zufrieden“. „Wald-Kontakt" macht nachweislich gesund, dies belegen eine Reihe von Studien. Waldluft stärkt unser Immunsystem und wirkt ruhestiftend. Eine Waldwanderung kann bis zu 16 % der Stresshormone abbauen, hat eine Untersuchung der japanischen Universität Chiba ergeben. „Angenehme, natürliche Reize“ wie Bäume, fließendes Wasser oder Berge wahrzunehmen, verlangen beim Menschen kein „gewolltes Bemühen“, so das Ergebnis der Studie. Man müsse sich nicht zwingen Ablenkungen zu vermeiden. Das erlaube es dem Gehirn, die Aktivität herunterzufahren - sprich: sich zu entspannen. In Ländern wie Finnland sind Naturerlebnisse bereits Teil der Gesundheitspolitik. Finnische Mediziner empfehlen zur Vorbeugung gegen Depression, Kurzsichtigkeit und Übergewicht eine „Mindestdosis Natur“ pro Woche: Fünf Stunden pro Monat, verteilt auf mehrere Tage pro Woche, werden Spaziergänge auf „Kraftwanderwegen“ sozusagen auf Krankenschein verschrieben. Das Waldness-Konzept basiert auf Erkenntnissen des japanischen „Shinrin-Yoku“. Was mit „Einatmen gesunder Waldatmosphäre beim Spaziergang“ oder „Waldbaden“ übersetzt werden kann. Diese seit Jahren anerkannte „Waldtherapie“, zeigt anhand einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien, wie heilsam Aufenthalte im Wald auf unser Nerven- und Immunystem wirken. Aber auch generell wirkt sich diese „japanische Naturtherapie“ auf Geist und Körper positiv und heilend aus. Ein gutes Beispiel dafür ist der Blutdruck: So wurde festgestellt, dass die Waldtherapie Menschen mit hohen Blutdruck geholfen hat diesen zu senken, bei jenen mit niedrigen Blutdruck wurde dieser erhöht. Warum das so ist, ist noch Teil vertiefender Forschungen. „Die Kunst des Heilens kommt von der Natur und nicht vom Arzt“, hat jedenfalls schon der heilkundige Philosoph Paracelsus im 16. Jahrhundert festgestellt. Schneeschuhwandern, Waldbaden, „Wyda“... Wald und Natur faszinieren den Menschen seit Jahrtausenden. Die Kelten glaubten an die Einheit des Menschen mit der Natur. Dies versuchen wir mit Waldpädagogin Kerstin nachzuempfinden – in Form von „Wyda“. Diese dem Yoga ähnliche Philosophie, ist ein „körperliches und spirituelles Übungssystem“, dass den natürlichen Energiefluss stärken und harmonisieren soll. Kerstin bringt es so auf den Punkt: „Bei Wyda geht es darum, sich spüren zu lernen“. Am besten inmitten von Natur. Wir stehen Nahe des rauschenden Alm-Flusses, öffnen die Arme und freuen uns über Momente der Ruhe, der einfachen Zufriedenheit und über die herrliche Winterlandschaft. Wie gut Schneeschuhwandern und „Waldbaden“ harmonisieren, erfahren wir mit Wander- und Schneeschuhführerin Sabina. Wir lernen Erle, Esche, Kiefer und Buche näher kennen und erfahren, wie glückstiftend gemeinsames Singen am Rande des winterlichen Almsees sein kann. Und irgendwo im Geäst erahnen wir Buchfinken, Grünling, Rauhfußkäuzchen und den Eisvogel... „Nur das was man kennt, kann man auch schützen“, sagt Wanderführerin Sabina, die auch Kräuterpädagogin ist. Alleine den Unterschied zwischen Fichte und Tanne zu erkennen, sei ein wesentlicher Aspekt für ein sensibleres Umweltbewusstsein. Was wir gelernt haben? Die Tanne ist ein „Tiefwurzler“, die Fichte ein „Flachwurzler“. Der Stamm der Tanne ist eher gräulich-weiß. Fichten haben einen rötlich-braunen Stamm - und sie überwiegen in unseren Wäldern. Viele Häuser werden mit Fichtenholz gebaut. Wer eine Tannennadel begutachtet, erkennt hinten eine weiße Wachsschicht. Bei der Fichte hängen die Zapfen, bei der Tanne stehen sie empor. „Die Fichte sticht, die Tanne nicht“, lautet ein Sprichwort zum besseren Merken. Bäume sind die größten Pflanzen der Welt. Sie werden hunderte Jahre alt und sind Symbol für die Zeitlosigkeit und tiefe Verwurzelung im Leben, die uns Halt gibt - auch in stürmischen Zeiten... „In der Natur funktioniert alles in der Gemeinschaft“, erläutert Waldpädagogin Kerstin. Das ist möglicherweise eine der wichtigsten Botschaften, die wir mit nach Hause nehmen. Wir Menschen sind Teil der Natur, und Natur ist Teil von uns. Entsprechend sollten wir sorgsam und nachhaltig mit den Ressourcen umgehen. John Muir, Gründer des US-Nationalparks „Yosemite“ hat das so umschrieben: „Rührt man an einem einzelnen Ding in der Natur, entdeckt man, dass es mit dem Rest der Welt zusammenhängt“. Im Wald wird einem das besonders bewusst... Wer sich und den Wald neu entdecken möchte, dem sei ein Spaziergang im nächstgelegenen Wald oder Park empfohlen. Der Duft der Natur, die Farben, Formen und Bewegungen der Bäume, das Zwitschern der Vögel, das Geräusch des Laubs oder Schnees unter den Füßen... ein unvergleichlich einfaches, wie wunderschönes Erlebnis. Die schönsten Momente liegen oft so nahe. Man muss nur raus gehen und bereit dafür sein... WUSSTEN SIE, DASS... ...Bäume miteinander kommunizieren? Nicht nur über Wurzeln oder Pilzgeflechte verbinden sich Bäume oft kilo-meterweit untereinander. Bäume kommunizieren auch über Botenstoffe - sogenannte „Terpene“. Man könnte auch sagen: Bäume unterhalten sich. Wenn beispielsweise ein Specht am Ast hackt, dann sendet dieser Baum Botenstoffe aus, die auch für andere Bäume das Signal nach Stärkung der Rinde hervorrufen soll. Auch bei Rehverbiss produziert der Baum stärkende Abwehrstoffe. Diese duftenden Botenstoffe atmet natürlich auch der Waldbesucher ein... DAS WALDNESS-KONZEPT „Waldness“-Aufenthalte werden im oberösterreichischen Almtal im Frühjahr, Spätsommer, Herbst und Winter angeboten: „Waldbaden“, Wald-Kneipen, Wald-Latschenbad, Wald-Wyda (das Yoga der Kelten) sowie unterschiedlich geführte Wanderungen mit Waldexperten und -pädagogen, sollen den Besucher vermitteln, wie die Waldatmosphäre positiv und gesundheitsorientiert genutzt werden kann. www.waldness.at AUSFLUGS-TIPPS Die neue Zentrale des Möbel-, Mode- und Naturkosmetik-Unternehmens „Grüne Erde“ im Almtal, ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie naturnahes Denken und Handeln auch in Form eines Firmengebäudes dargestellt werden kann. Die „Grüne Erde-Welt“ ist in der Landschaft eingebettet und soll in den nächsten Jahren zwischen heranwachsenden Bäumen förmlich „verschwinden“. „Aus der Natur, in die Natur“, lautet entsprechend das Firmenmotto. Auf 9.000 m² finden sich ein großer Store, Produktionsstätten (für Naturmatratzen, Polstermöbel, Heimtextilien und Natur-kosmetik) sowie ein empfehlenswertes, vegetarisch-biologisches Bistro. www.grueneerde.com Wunderschön gelegen präsentiert sich der „Cumberland Wildpark Grünau“. Hier lassen sich Hirsche, Luchse, Biber & Co. inmitten einer herrlichen Naturlandschaft beobachten. Ein besonderes Highlight ist die Bären- und Wolfsanlage, die in Kürze eröffnet. Die gemeinsame Haltung von Bär und Wolf auf einer Fläche, ist nur selten in Europa zu finden. Aber auch wer nur die herrliche Umgebung und vielfältigen Lebensräume betrachten möchte, kommt hier auf seine Kosten. Empfohlen ist auch ein Besuch der nahegelegenen „Konrad Lorenz-Forschungsstelle“ mit einer einzigartigen Grauganspopulation. www.wildparkgruenau.at
Vielen Dank an: Christa Öhlinger-Brandner und Stefan Schimpl für die tolle Zusammenarbeit! Fotos: Daniela Rottensteiner, Helmut Wolf Quelle: National Geographic Reportage: Helmut Wolf
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