Wie funktioniert ein „Öko-Dorf“? Im „Gut Wenghof“ im Salzburger Ort Werfenweng kann man umweltbewussten Tourismus erleben. Mit lustiger E-Mobilität und viel wanderbarer Natur und Gebirgslandschaft... Reportage! Fast schon kitschig mutet der erste Anblick an: hohe Berge, spektakuläre Felsgipfel, saftige Wiesen und Wälder. Und in einem Talkessel eingebettet: der kleine Ort „Werfenweng“. Ganz unökologisch schlengeln wir uns mit dem Auto von der stark frequentierten Tauernautobahn hinauf auf das alpine Hochplateau im Salzburger Pongau. Auf rund 1.000 Höhenmeter liegt der beschauliche Ort, der doch anders ist, als so viele Tourismusregionen in den Alpen. Als wir aus dem Auto aussteigen, bemerken wir: wenige Autos fahren herum, Ruhe liegt über der kleinen Salzburger Alpengemeinde Werfenweng. Dazwischen mischt sich aufgewecktes Kinderlachen vor dem „Family Resort Gut Wenghof“. Das E-Auto „Renault Twizy“ rauscht ruhig an uns vorbei. Eine Kirche, ein „Nah&Frisch“-Supermarkt, ein Sportgeschäft, viele Wanderschilder... und über allen ragt eine beeindruckende Landmarke: der 2.300 Meter hohe Doppel-Gipfel des „Eiskogels“. Wir, das sind eine klassische Familie: zwei Erwachsene, zwei Kinder (10 und 14), die ein verlängertes Wochenende in diesem „Öko-Ressort“ verbringen wollen. Sanfter Tourismus als Erfolgskonzept. Seit 2005 hat Bürgermeister Peter Brandauer die Salzburger Gemeinde Werfenweng zu einem Vorbild in Sachen nachhaltigen Tourismus in den Alpen geformt. Das Konzept, Anfangs belächelt, ist augenscheinlich aufgegangen. Der Ort zählt zu einem der 28 „Alpine Pearls“ (alpinen Perlen). Fundament des „sanften Tourismus“: die Mobilität. Ziel ist es, die Gäste, vor allem Eltern und ihre Kinder, von den Vorzügen umweltfreundlicher Verkehrsmittel zu begeistern. Wer mit dem Zug (nach Bischhofshofen) anreist, wird vom Elektro-Ortstaxi „ELOIS“ abgeholt. Nachhaltigkeit und Komfort sollen sich nicht ausschließen. Rund 100 umweltfreundliche Fahrzeuge stehen in Werfenweng zur Verfügung. Während des Urlaubs kann man also garantiert sein Auto stehen lassen („Mobilitätsgarantie“). Symbolisch werden die Autoschlüsseln gegen die „Samo“-Karte eingetauscht. „Samo“ = Sanfte Mobilität. Zur Verfügung stehen viele umweltfreundliche „Spaßmobile“: Segways, E-Bikes, E-Roller, Tandems... Schade: am Samstag gibt es keine Möglichkeit für „Samo“-Aktivitäten. Wir haben zwar eine Samo-Karte, können diese aber als Wochendgäste nicht nutzen. Wochenendgäste scheinen nicht die Kernzielgruppe zu sein. Dorf-Solarkraftwerk, Solartankstelle... Bürgermeister Brandauer hat großen Ehrgeiz entwickelt. Er möchte den Ort gänzlich Autofrei machen. Soweit geht nachhaltiger Tourismus aber dann doch (noch) nicht, wie der Widerstand in der Gemeinde zeigt. Dafür gibt es ein eigenes Dorf-Solarkraftwerk, das erneuerbare Energie für die Betriebe produziert. Eine Solartankstelle mitten im Ortszentrum fungiert als Zapfsäule. Wir testen Segways und eine Art Elektro-Go-Cart. Eine halbe Stunde cruisen wir lustig über die sanft hügeligen Straßen der Umgebung. Die Bewohner des Ortes sind den Anblick der Spaßmobilität gewohnt und lächeln uns zu. Kinder, Kinder... Wir nächtigen im „Gut Wenghof Family Resort“, mitten im Ortszentrum. Der Platz vor dem Resort ist verkehrsberuhigt. Viele Kinder laufen, spielen und fahren mit Rollern und Go-Carts über den Piazza-artigen Dorfplatz. Alles ist hier auf Kinder ausgerichtet: es gibt 24 Stunden Pizza, Palatschinken zum Frühstück, ein eigenes Kinder-Buffet. „Alles Inklusive – Essen & Trinken rund um die Uhr“. Es gibt einen In-, einen Outdoor- und einen Kinder-Pool, am Abend Kinder-Disco. Turbulent und geräuschvoll geht es auch beim Buffet und im Panorama-Speisesaal zu. Oft sind Oma und Opa mit von der Partie. „Welche Work-Life-Balance?“, lautet der Zeitungsartikel, den eine Mutter von zwei Kleinkindern zwischendurch „aufschlägt“!?! Sogar im Zimmer, oberhalb des elterlichen Doppelbetts, können sich bewegungsfreudige Knirpse an den eigens befestigten Turnringen austoben. All Inclusive-Komfort vs. Hüttenatmosphäre. Am zweiten, leicht verregneten Tag, wandern wir (ohne Kinder, die wir gut im Hotel versorgt wissen) zur „Elmaualm-Hütte“. Wir nehmen den anspruchsvolleren Aufstieg für „Berggämsen“: rund 2 1/2 Stunden geht es stetig bergauf. 600 Höhenmeter legen wir zurück. Unsere Shirts sind gut durchgeschwitzt. Belohnt werden wir oben, auf rund 1.500 Metern, mit einer tollen Rundum-Aussicht auf das Bergmassiv des „Tennengebirges“: Wermutschneid, Streitmandlscharte, Hochthron, Großes Fieberhorn, Eiskogel... In der Hütte: drei Tische, eine wärmende, gute Gulaschsuppe, frischer Gugelhupf. Unten im Tal „All Inklusive“-Komfort, hier am Berg urig-einfache Hüttenatmosphäre. Zurück geht es dann durch eine dichte, verregnete Nebelsuppe. Wir freuen uns auf einen entspannten Saunagang, den wir im eigenen, großräumigen Appartement-Zimmer genießen. Mit „Elois“ zum Bogenschießen. Der Sonntag ist dann wieder sonnig und freundlich. Nach einer Runde mit den Samo-Spaßmobilen entschließen wir uns, Bogenschießen zu gehen. Wir bestellen am Telefon das umweltfreundliche Elektro-Ortstaxi „Elois“. Fünf Minuten später holt uns der „Elois“-Fahrer am Hauptplatz ab. Gemütlich sind wir in 5 Minuten beim Bogenschiess-Gelände, wo wir versuchen, Fuchs, Bär und Dachs mit dem Pfeil zu treffen. Am Ende lassen wir noch ein herzhaftes Essen im Gasthaus am Hauptplatz schmecken. Das haben wir uns nach den erfolgreichen Plattschüssen mit dem Bogen verdient... Nachhaltigkeit und das Buffet? Mit dem Benzin-Auto geht es Sonntag am Nachmittag wieder zurück in die Großstadt. Wir lassen die Bilder der Berge und des All Inklusive-Komforts noch einmal Revue passieren. Ökologischer Tourismus scheint sich irgendwo zwischen sanfter Mobilität und erneuerbarer Energie einzupendeln. Beim reichhaltigen Buffet jedoch, da möchte man Nachhaltigkeit dann doch nicht ganz so genau nehmen... Web-Tipp: www.werfenweng.eu Text: Helmut Wolf
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