Die Verführung des gemütlichen Hotelzimmers. Das „Wiesler“ in Graz macht einem den Stadtbummel nicht gerade leicht. Obwohl die steirische Hauptstadt doch einiges zu bieten hat, versinkt man zuweilen im „Fauteuil mit Aussicht“ ... „Have a John & Yoko“ Day: Stay in Bed and write a song“ Titel-Zitat im Notiz-Buch des „Hotel Wiesler“ Wer im Frühling einen City-Trip unternimmt, der freut sich. Man möchte das Flair der Stadt inhalieren: Die Menschen, die Gebäude, die Parks, die Cafés, die Museen, die „typischen“ Gegenden... Jene Bilder und Erlebnisse, die einen Gesamteindruck formen, die der Besucher dann mit nach Hause nimmt – und sie nachwirken lässt. Oft ein Leben lang. Auch beim Besuch in Graz ist dieses besondere Gefühl der (Vor-)Freude spürbar. Die Frühlingssonne strahlt, als der Zug am späten Vormittag am Hauptbahnhof ankommt. Wir schlendern entlang der Annenstraße (bekannt aus DKT). Noch schnell das Gepäck ins Hotel bringen, und dann ab in die „Innere Stadt“... Doch: daraus wird nichts... Schon beim Betreten des Zimmers im Hotel Wiesler, wird dem Besucher klar: „Wir gehen da sicher nicht so schnell raus!“. Sind wir hier in einer charmanten Altbauwohnung gelandet, oder in einem altehrwürdigen Hotel? „Inspiring since 1909“, das klingt durchaus altehrwürdig. Irgendwo zwischen Soul und Jugendstil, lautet die schlüssige Selbstdefinition. Gerade wurden die (101) Zimmer generalsaniert, wie zu erfahren ist. Was aber (zum Glück) nicht allzu „clean“ und gelackt ausfällt. Eine offene Feuerstelle, historische Wandtapeten, eine unverputzte Wand, der Fernseher im goldenen Bilderrahmen, ein Erker mit Kristallluster... Der drehbare „Fauteuil mit Aussicht“ lässt der den Blick über die Grazer Altstadt frei werden. Eine gelungene Mischung aus Alt und Neu. Und immer mit dabei: eine Brise Humor. „Feel free, to be yourself“, steht da. Ja, genau... „Make the most of your time“, schlägt einem das charmant gestaltete Hotel-Booklet vor. Dieses Motto fällt hier aber nicht als Hinweis für den Terminkalender aus, möglichst viel an diesem Wochenende an Museen und Sehenswürdigkeiten „mitzunehmen“. Nein, ganz im Gegenteil. Wir verstehen die Botschaft sehr gut: Nutzt die Zeit und entspannt euch, Leute! Beispielsweise: einfach nur am Bett liegen, Beine ausstrecken, ein Buch lesen. Optional „einbüseln“. Und nach dem „Powernapping“ aufwachen und dem kreisenden Falken am gegenüberliegenden Kirchturm zuzusehen, und sich dabei die Frage stellen: Wie toll muss das Gefühl sein, einmal über den Dächern der Stadt zu schweben und die Welt von oben zu betrachten? Klar, irgendwann kommt der Hunger. Und andere Bedürfnisse für das Seelenheil. Aber, dass ist in diesem „Microcosm of perfect beds, good food and soul“ (Flyer-Zitat) alles kein Problem. Vom morgendlichen Frühstücksbuffet, mit lokalen Leckereien (Kernölaufstrich!) und allerlei frischen Früchten und Gebäck, über den legendären Holzkohlegrill zur Mittagszeit, bis hin am Abend, wo der „Speisesaal“ zum gediegenen Dinner-Room mit „Klanglicht Menü“ avanciert. Mit Sicherheit bleibt hier niemand hungrig. Als Bartträger macht einem bei der weibliche „Barbier“ den Unterschied zwischen konventioneller Bartpflege und Jahrhunderte alter Barbierskunst eindringlich bewusst. Und wer nach dem türkischen Kaffee noch mehr Orient auf der Haut spüren möchte, dem sei der Besuch in der orientalisch anmutenden Saunalandschaft empfohlen. Spätestens dann ist Graz und das steirische Umland ganz weit weg... Und dann kommt der Abend. Schon von Beginn an, wollte man in die große, freistehende Badewanne mit den verschnörkselten Beinen steigen. Ein richtiges Schaumbad mitsamt einem Gläschen Wein genießen. Aber erst die abendliche Stimmung, mit gedämpften Licht, der funkelnden Beleuchtung der Grazer Innenstadt und den Klavierklängen von Charlie Haden aus den Laptopboxen, lassen die „richtige“ Stimmung dafür aufkommen. Und plötzlich „erscheint“ einem der rote Samtvorhang zwischen Wohn- und Badebereich ausgesprochen verführerisch. Ja, man möchte sagen „verrucht“. Wollten wir nicht noch in eine der Bars auf einen Drink gehen? Nein, ganz sicher nicht...
Schloßberg, Herrengasse, Lendviertel, Stadtpark, Café Promenade... Am nächsten Tag "nehmen" wir dann doch einiges mit aus Graz. Ein Sonntag im Frühling in der steirischen Hauptstadt, das bedeutet: eine wunderbar entspannte Atmosphäre. Am Ende des Tages kehren wir noch einmal ins Wiesler zurück. Vordergründig, um das Gepäck abzuholen. In Wahrheit aber wollen wir noch einmal in den bequemen Vintage-Sofas der Lobby versinken. Einfach dasitzen und völlig „sinnbefreit“ vor uns hinschauen. „Better Times are coming. They are called holidays“, steht in großen Buchstaben bei der Rezeption. Wir lächeln uns nur still zu... Web-Tipp: www.hotelwiesler.com Text & Fotos: Helmut Wolf Titelfoto: Daniela Rottensteiner
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