„Welttag des Nichtstuns“. Produktivität vs. Entschleunigung? Seit 1973 gibt es den „National Do Nothing Day“ jeweils am 16. Jänner. Das „absichtslose Nichtstun" als kraftspendende Ressource? Eine Huldigung der Langeweile... „Nichtstun ist die allerschwierigste Beschäftigung - und zugleich diejenige, die am meisten Geist voraussetzt" Oscar Wilde Wachstum vs. Nichtstun. Als der US-Journalist Harold Pullman Coffin 1973 erstmals den „National Do Nothing Day" (NDND) in Amerika ausrief, staunten die Menschen nicht schlecht. Einen landesweiten „Tu-Heute-Mal-Gar-Nichts-Tag“ (16. Januar) auszurufen, war schon damals im wachstumsgetriebenen Amerika anachronistisch. Noch vielmehr wiegt heute diese scheinbar „unproduktive“ Tätigkeit: Nichtstun als „Angriff“ auf unser Streben nach Wachstum und Profit? Oder doch vielmehr Quelle der Regeneration und Kreativität? „Ich habe keine Zeit", ist der wahrscheinlich meistverwendete Satz, mit dem wir uns als Opfer des Zeitdrucks entschuldigen. Trotz Erfindung immer mehr zeitsparenderer Techniken – vom Smartphone bis zur Mikrowelle - leiden die meisten Menschen unter immer größerem Zeitmangel. Die Beschleunigung und der Wunsch, möglichst viel in immer kürzerer Zeit immer schneller zu erreichen, hat in alle Lebensbereiche Einzug gehalten. Mit den bekannten gesundheitlichen Folgen, wie Burn-Out und Co. Muße und Langeweile: Heilmittel gegen Burn-Out? Einfach herumsitzen, nichts Besonderes tun, beobachten, Innehalten... Viele Menschen haben das Gefühl sie „dürfen“ heute nicht mehr nichts tun. Die ökonomische „Zeit ist Geld“-Mentalität durchdringt alle Lebensbereiche: vom Kindergarten bis zum Krankenhaus bestimmen Zeiteffizienz und Beschleunigung den Ablauf. Dem menschlichen Bio-Rhythmus entspricht diese Rasanz nicht. Im Gegenteil: zu viel Beschleunigung macht auf Dauer krank. Wohingegen wiederkehrende Muße und Langeweile durchaus positiv auf Körper und Geist wirken. „Wir glauben, immer etwas tun zu müssen, um uns selbst zu verwirklichen," sagt Peter Heintel. „Wir sind nicht geübt darin nichts zu tun - und Muße zu üben.“ Heintel ist nicht nur Professor für Philosophie und Gruppendynamik an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, sondern auch Gründungsmitglied des 1990 gegründeten „Vereins zur Verzögerung der Zeit“. Deren generelle Zielausrichtung: sich ausreichend Zeit nehmen, um in Ruhe über (Lebens-)Entscheidungen nachzudenken. Der „Verein zur Verzögerung der Zeit“ verfügt heute über 1.000 Mitglieder und Fachleute und versucht vor allem praktische Alltagshilfen zur „Zeit-Balance“ für Personen und Organisationen zu geben. Die „Zeitverzögerer“ verstehen sich vorwiegend als Bewegung und Netzwerk von Menschen, denen der angemessene, gesündere Umgang mit Zeit ein Anliegen ist. Den Vereinsnamen betrachtet man eher provokant. Damit soll darauf hingewiesen werden, dass die Menschen sich oft nicht genug Zeit nehmen „reife“ Entscheidungen zu treffen - und deshalb häufig viel Zeit mit selbstverursachtem Krisenmanagement verbringen. „Süßes Nichtstun“ in der Tierwelt. Ein Blick in die Tierwelt zeigt: auch die angeblich so fleißigen Bienen und Arbeiterameisen ruhen sich bis zu 80 Prozent des Tages einfach nur aus. Ebenso sind Löwen täglich gerade mal 2 bis 3 Stunden auf den Beinen. Und überhaupt scheinen große Bereiche des globalen Tierlebens aus „süßem Nichtstun“ zu bestehen. Das haben Forscher festgestellt, als sie die Zeitbudgets der Fauna untersuchten. Warum sollen wir Menschen es den Tieren nicht öfter gleichtun? Wer keine Zeit hat, hat auch nichts zu lachen. Humor ist übrigens ein wichtiger inhaltlicher Eckpfeiler des Vereins zur Verzögerung der Zeit. Denn: Wer keine Zeit hat, hat auch nichts zu lachen - und zum Genießen kommt man erst recht nicht. Gerne verwenden die „Zeitverzögerer“ eine Aussage des großen Schriftstellers Elias Canetti: „Wenn das Telefon nicht klingelt, ist es für mich“. Wenn also das Handy das nächste Mal längere Zeit nicht klingelt, können wir uns beruhigt dem süßen Nichtstun hingeben... Buch-Tipp: „Muße: Vom Glück des Nichtstuns“ Von: Ulrich Schnabel 288 Seiten Erschienen bei: Blessing/Randomhouse Web-Tipp: www.zeitverein.com Text: Helmut Wolf
1 Kommentar
1/16/2016 22:14:12
Hallo,
Antworten
Antwort hinterlassen |
|