Sind es Naturerlebnisse, die den modernen Menschen auch heute noch von der Jagd träumen lassen? Oder vermeintliche Romantik und Abenteuer in der Wildnis? Eine Reportage über Widersprüche und Faszination zur Jagd und zum Lebensraum Wald. „Der Mythos der Jagd ist vor allem eine Auseinandersetzung mit der Natur“, betont Roland Girtler. Der Soziologe und Kulturwissenschaftler beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Jagd. Girtler betreibt im steirischen St. Pankraz ein „Wilderermuseum“, wo er sich mit den vielen Legenden und Brauchtümern von Wilderern und Jägern intensiv auseinander setzt. „Die Jagd war schon sehr früh etwas Herrschaftliches, Besonderes“, erzählt Girtler. Dieses Heldentum und die Noblesse wurden vor allem in der Aristokratie kultiviert. Romantisierung und Widersprüche. Bis zum heutigen Tag gilt der Jäger als etwas Besonderes am Land, betont Girtler (Foto): „Ein guter Jäger ist etwas, er ist reicher und genießt Ansehen“. Zudem werden Tier und Wald von unserer Gesellschaft stark romantisiert. Natürlich gebe es auch Widersprüche, beispielsweisem wenn der Jäger sich einerseits um „seine Tiere“ kümmere, um sie dann später zu erlegen. Aber: wenn bei der Jagd die Regeln eingehalten werden, so hat die regulierende Funktion durchaus positive Effekte auf das „Ökosystem Wald“. Behutsamer Umgang mit der Natur. „Für mich ist das Schönste an der Jagd alleine mit mir und der Natur zu sein“, sagt Viktoria Kickinger. Sie ist Jägerin mit einem Jagdgebiet im oberösterreichischen Mostviertel. Jagen ist für Kickinger vor allem eine Form der Entschleunigung: „Im Wald musst du dich den Gesetzen der Natur anpassen. Du kannst nicht die Verhaltensweisen der Tiere oder Jahreszeiten verändern“. Dies lehre einem behutsam mit der „Ressource Natur“ umzugehen. Die Begegnung mit scheuen Wildtieren, die Wildfütterung oder Beobachtung der Hirschbrunft werden von einer großen Faszination begleitet. Auch die Sehnsucht nach hochwertigem und unbedenklichem (Wild-)Fleisch nimmt deutlich zu. Das Zubereiten von Wildbrett steht mit 23 Prozent der Befragten besonders hoch im Kurs. Auch hier zeigt sich: im Zeitalter von „Antibiotika-Turbohühnern“ und „Fabrikschweinen“ wird der Jagd eine „gesunde“ Form der Nahrungsmittelbeschaffung bescheinigt. Menschen an Natur heranführen. „Die Menschen gehen immer weniger in den Wald, obwohl es selbst in der Millionenmetropole Wien möglich ist in einer Viertel Stunde im Grünen zu stehen,“ gibt Jägerin Viktoria Kickinger zu Bedenken. Es gelte die Menschen wieder an die Natur heranzuführen, sie „begreifbar“ zu machen. Die zunehmende „Vermenschlichung der Tiere“ sei ebenfalls ein Zeichen der Entfremdung von der Natur, ist Kickinger überzeugt. Die Begegnung mit dem Wildtier ist für Jägerin Viktoria Kickinger (Foto) mit viel Verantwortung verbunden: „Wenn ich ein Tier sehe habe ich Herzklopfen. Genauso, wie vor jedem Schuss, weil ich weiß, dass ich ein Leben nehme...“ Klar ist: das Thema Jagd polarisiert. Trotzdem stehen gerade viele junge Menschen der Jagd nicht unbedingt negativ gegenüber. Eine aktuelle market-Umfrage belegt sogar ein hohes Interesses an der Jagd... Virtualisierung vs. Naturerlebnis. 6 Prozent der befragten Österreicher gaben den Wunsch an, die Jagdprüfung machen zu wollen. Und dabei handelt es sich keineswegs um nur „ältere Männer“ aus dem ländlichen Raum. Auch Frauen drängen massiv in die jagdliche Männerwelt. Besonders die Jungen hegen ein hohes Interesse an der Jagd. Nicht von ungefähr steht das „Naturerlebnis“ im Vordergrund, was auch auf die zunehmende Virtualisierung unsere Welt zurückzuführen ist. Lebensraum Wald als Schatz bewahren. Wie kann es gelingen den Menschen den Wert „nachhaltiger Naturnutzung“ zu vermitteln? „Das wichtigste ist die Ehrfurcht vor Tier und Umwelt,“ unterstreicht Kulturanthropologe Roland Girtler. Den Lebensraum Wald einerseits zu nutzen und andererseits zu schützen, sei eine der wichtigsten Herausforderungen der Zukunft. Österreich hat das große Glück über weitreichend gesunde Kulturlandschaften zu verfügen. Diese gelte es als Schatz zu bewahren und als Quelle der Erholung verantwortungsvoll zu nutzen. Helmut Wolf Der Text ist auch bei Media Planet erschienen. Titelfoto: www.inspirationde.com Das Hirsch-Foto „Der Brunftschrei“ von Fabio Hain belegte den zweiten Platz beim Fotowettbewerb "Wildes Deutschland" von National Geographic und Olympus.
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